Chemie-Unternehmen befürchten Probleme durch demografischen Wandel

Der demografische Wandel macht auch vor der Arbeitswelt nicht Halt. Viele Unternehmen sind darauf unvorbereitet, wie eine Befragung der RUB-Arbeitswissenschaftler vom Lehrstuhl für Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung (Prof. Dr. Heiner Minssen) in Unternehmen der Chemie-Branche ergab. Wenn Belegschaften altern und Mitarbeiter ausscheiden, nehmen sie ihr Wissen häufig mit in Rente. Über 90 Prozent der Personalleiter der großen Unternehmen (über 500 Mitarbeiter) sehen das als künftiges Problem und steuern teils schon gegen. In kleineren Unternehmen ist das Problembewusstsein nicht so ausgeprägt, hier sind sich nur 36 Prozent dessen bewusst. Befragt wurden Personalleiter in 198 Unternehmen der Chemie-Branche.

Unwiederbringlich verlorenes Wissen

Zentrales Problem für Unternehmen ist der Erhalt personengebundenen und unternehmensspezifischen Wissens, wenn ältere Arbeitnehmer in Rente gehen. Prekär wird die Situation dann, wenn der Eintritt in den Ruhestand wellenartig geschieht, d.h. wenn eine größere Anzahl älterer Arbeitnehmer gleichzeitig den Betrieb verlässt und damit wertvolles Wissen in hohem Umfang verloren geht. Unverzichtbares Know-how ist dann nicht mehr reproduzierbar. Insgesamt 52,3 Prozent der Befragten glauben, dass der demografische Wandel sie zukünftig vor Probleme wie Nachwuchsmangel, Überalterung, blockweises Ausscheiden Älterer, Know-how- und Innovationsverlust stellen wird. Es zeigen sich allerdings deutliche Unterschiede zwischen kleineren Unternehmen mit unter 250 Mitarbeitern und den großen mit mehr als 500 Beschäftigten. Während die großen Unternehmen in 90,9 Prozent demografische Probleme erwarten, zeigt sich bei den kleineren Unternehmen bislang ein eher geringes Problembewusstsein (36 Prozent). Große Unternehmen ergreifen auch bereits eine Reihe von Maßnahmen, um den Know-how-Verlust zu begrenzen, z. B. altersgemischte Teams, Mentorenprogramme und Tandemmodelle. Kleinere Unternehmen haben in viel geringerem Maße erkannt, wo sie welche Methoden und Verfahren einsetzen müssen, um die Folgen des demografischen Wandels aufzufangen.

Rentner werden oft zurückgeholt

„Aus unserer Sicht liegt die geringe Umsetzungstiefe von Maßnahmen darin, dass in nur wenigen Unternehmen eine Organisationseinheit tatsächlich für die Bewältigung des demografischen Wandels verantwortlich ist“, so Prof. Dr. Heiner Minssen. Selbst in großen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern gebe es in gut 45 Prozent der Fälle keine verantwortliche Abteilung. Dies lasse darauf schließen, dass das Thema auch in der Geschäftsführung noch nicht in voller Breite erkannt worden ist. In etwa der Hälfte aller befragten Unternehmen werden die Kompetenzen von Mitarbeitern erfasst. „Die Erfassung von Kompetenzen ist eine wichtige Maßnahme, um Know-how transparent zu machen und Wissensträger zu identifizieren“, erklärt Minssen. „Inwiefern eine systematische Erfassung – gerade bei den großen Unternehmen – vorgenommen wird, muss noch durch weitere Forschungen eruiert werden.“ Know-how-Verlust entsteht vor allem, wenn Mitarbeiter in Rente gehen, ohne ihr Wissen systematisch weitergegeben zu haben. In den befragten Unternehmen überwiegt die klassische Einarbeitung von neuen Mitarbeitern, dabei kommen geplante Nachfolgeregelungen vergleichsweise selten vor (nur bei etwa einem Drittel der Befragten). „Erschreckend häufig werden bereits ausgeschiedene Mitarbeiter zurückgeholt – jedes fünfte große Unternehmen hat in der Befragung davon berichtet“, so Prof. Minssen.

NovaPE hilft Wissen zu retten

Diese Ergebnisse decken sich mit den Erfahrungen, die die Wissenschaftler in ihrem Projekt Nova.PE gemacht haben. In dem Projekt beraten sie kleine und mittelständige Unternehmen in Fragen der Personalentwicklung, identifizieren Wissensträger und sorgen für die Weitergabe von Know-how im Unternehmen. „Die Herausforderungen, die durch den demografischen Wandel entstehen, sind in vielen Unternehmen, die mit uns zusammen gearbeitet haben, nicht transparent und häufig wurden bis zur Projektbeteiligung keinerlei systematischen Maßnahmen eingesetzt, um wichtiges Know-how beim Ausscheiden von Mitarbeitern für das Unternehmen zu erhalten“, so Prof. Minssen. Durch die systematische Durchführung eines Nova.PE-Prozesses, beginnend mit der Erfassung der Altersstruktur, der Identifikation des unverzichtbaren Wissens von Kompetenzträgern und der strukturierten, didaktisch-methodisch aufbereiteten Weitergabe dieses unternehmensspezifischen Know-hows werden den betreuten Unternehmen Hilfestellungen gegeben, den demografischen Wandel – auch zukünftig – selbstständig zu bewältigen. Von der Identifizierung unverzichtbaren Wissens und der systematischen Begleitung beim Transfer profitieren sowohl das Unternehmen als auch Wissensgeber und -nehmer. So berichten Personalleiter, dass 30 bis 50 Prozent des Wissens, das sonst durch den Eintritt des Wissensträgers in den Ruhestand endgültig verloren gegangen wäre, dem Unternehmen durch die Nova.PE-Teilnahme erhalten geblieben ist. Das Projekt Nova.PE wird durch die Ruhr-Universität, die bkp GbR die Universität Dortmund und dem ZWAR e. V., Dortmund durchgeführt. Die Projektteilnehmer werden im Rahmen einer Entwicklungspartnerschaft durch die Gemeinschaftsinitiative EQUAL und den Europäischen Sozialfonds gefördert.

Weitere Informationen

Dipl. Soz.-Wiss. Kerstin Alms, Institut für Arbeitswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, NB1/31, Tel. 0234/32-24370, E-Mail: kerstin.alms@rub.de, http://www.novape.rub.de

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Dr. Josef König idw

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