Tarifpolitisches Augenmaß zahlt sich aus

Die Tarifparteien haben mit der maßvollen Lohnpolitik der vergangenen Jahre zum Aufschwung am deutschen Arbeitsmarkt beigetragen. Zu diesem Urteil kommt die Ber­telsmann Stiftung in ihrem aktuellen Standort-Check und empfiehlt, auch weiterhin tarifpolitisches Augenmaß walten zu lassen. „Der Blick ins Ausland zeigt, dass Länder wie Spanien oder Groß­britannien, wo Produktivitätsfortschritte in der Vergangenheit nicht vollständig über höhere Löhne an die Beschäftigten weitergegeben wurden, deutlich höhere Beschäftigungszuwächse verbuchen konnten“, sagte Johannes Meier, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stif­tung.

Über alle Branchen hinweg sind die Aussichten auf einen Job für Problemgruppen wie Geringqua­lifizierte, Langzeitarbeitslose und ältere Arbeitnehmer nach Einschätzung der Bertelsmann Stiftung weiterhin trübe. Zwar sei die Erwerbstätigenzahl 2006 um 0,6 Prozent gestiegen, dennoch blieben die Chancen auf einen Arbeitsplatz nach wie vor ungleich verteilt. „Nach Angaben der Bundes­agentur für Arbeit hat sich die durchschnittliche Verweildauer in Arbeitslosigkeit binnen Jahresfrist sogar von 67 auf 72 Wochen erhöht“, sagte Meier. Damit habe sich die Insider-Outsider-Proble­matik am deutschen Arbeitsmarkt weiter verschärft.

Das häufig vorgebrachte Kaufkraftargument, nach dem starke Lohnzuwächse über eine Ankurbe­lung des Binnenmarktes zu steigender Beschäftigung führen, ist nach den Analysen der Bertels­mann Stiftung empirisch nicht zu halten. So seien etwa in Großbritannien, das oft als Beleg für die Kaufkrafttheorie herangezogen wird, die teilweise kräftigen Lohnanstiege der jüngeren Vergan­genheit nicht Ursache, sondern Folge des hohen Wirtschaftswachstums. Auch in Deutschland sei die Lohnsumme im Zeitraum zwischen 1994 bis 2006 regelmäßig erst nach einer Belebung des Wirtschaftswachstums angestiegen und nicht umgekehrt.

Zwar müssten sich die gute Konjunktur und die Erholung am Arbeitsmarkt im Geldbeutel der Ar­beiter und Angestellten hierzulande durchaus bemerkbar machen. „Angesichts von immer noch knapp vier Millionen Arbeitslosen ist es aber ratsam, den Verteilungsspielraum nicht vollständig auszu­schöpfen, sondern einen Teil für die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze zu verwenden“, sagte Meier. Weiterhin müsse großes Augenmerk auf eine hinreichende Differenzierung in den laufen­den Lohnrunden gelegt werden. Die Wirtschaftszweige profitierten in unterschiedlichem Maße vom Aufschwung.

Die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands beurteilen die Experten der Bertelsmann Stiftung insgesamt positiv. Der stärkste Investitionsschub seit 1992 sei zwar noch keine Trendwende, lasse aber hoffen, dass Deutschland seine lange Wachstumsschwäche beheben könne. Dafür sei es jedoch erforderlich, die aktuell günstige Konjunktur für weitere, nachhaltige Reformen zu nutzen. So sollten nach Ansicht der Bertelsmann Stiftung die Pflegeversicherung auf eine solide finanzielle Basis gestellt, der staatliche Schuldenabbau weiter vorangetrieben und die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu geordnet werden.

Die Bertelsmann Stiftung hatte im Herbst 2004 erstmals das Internationale Standort-Ranking ver­öffentlicht, das die Entwicklung der 21 wichtigsten Industrienationen in den Bereichen Wachstum und Beschäftigung vergleicht und bewertet. Der „Standort-Check Deutschland“ aktualisiert die Ergebnisse dieser Studie halbjährlich im Rahmen eines internationalen Benchmarkings.

Über die Bertelsmann Stiftung:

Die Bertelsmann Stiftung setzt sich für das Gemeinwohl ein. Sie engagiert sich in den Bereichen Bildung, Wirtschaft und Soziales, Gesundheit sowie Internationale Verständigung und fördert das friedliche Miteinan­der der Kulturen. Durch ihr gesellschaftliches Engagement will sie alle Bürgerinnen und Bürger ermutigen, sich ebenfalls für das Gemeinwohl einzusetzen. Die 1977 von Reinhard Mohn gegründete, gemeinnützige Einrichtung hält die Mehrheit der Kapitalanteile der Bertelsmann AG. Die Bertelsmann Stiftung arbeitet ope­rativ und ist unabhängig vom Unternehmen sowie parteipolitisch neutral.

Rückfragen an: Dr. Thorsten Hellmann, Telefon: 0 52 41 / 81-81 236; E-Mail: Thorsten.Hellmann@Bertelsmann.de

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Julia Schormann idw

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http://www.bertelsmann-stiftung.de

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