Nachhaltigkeit deutscher Unternehmen in Euro gemessen

Die vom Bundesforschungsministerium geförderte Studie „Nachhaltig erfolgreich Wirtschaften“ zeigt: Deutsche Unternehmen schaffen einen nachhaltigen Mehrwert zwischen plus 15,2 Mrd. Euro und minus 149 Mrd. Euro. Die Studie wurde heute veröffentlicht und bewertet die Unternehmensleistung im Hinblick auf den Klimawandel und andere Nachhaltigkeitsthemen.

Klimawandel, Arbeitnehmerinteressen, Gewinndruck – Unternehmen stehen vor gravierenden ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Doch welche Unternehmen schaffen es am besten, Klima- und Umweltschutz mit wirtschaftlichem Erfolg zu verbinden und gleichzeitig krisensichere Arbeitsplätze zu schaffen? Eine heute in Berlin veröffentlichte Studie macht durch eine neue Euro-Kennzahl messbar, wie gut es 28 deutschen Unternehmen gelingt, ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeitsaspekte zu vereinbaren. Die Ergebnisse der Studie erlauben eindeutige Aussagen und Vergleiche:

Einige Ergebnisse

Bosch beispielsweise schafft es der Studie zufolge, mit seinen ökonomischen, ökologischen und sozialen Ressourcen viel effizienter zu wirtschaften als die deutsche Volkswirtschaft im Durchschnitt. Dadurch erzielte das Unternehmen im Jahr 2004 einen nachhaltigen Mehrwert von rund 10,4 Mrd. Euro. Bayer setzt seine entsprechenden Ressourcen insgesamt 1,6 mal effizienter ein als die anderen Chemieunternehmen und liegt sogar um den Faktor 4,5 besser als sein Wettbewerber Celanese. Die beiden Energieversorger EON und RWE nutzen ihre Ressourcen insgesamt etwa 14 mal weniger effizient als der volkswirtschaftliche Durchschnitt. Dies ist in erster Linie auf die hohe Kapital- und Umweltintensität dieser Unternehmen zurückzuführen. Im Hinblick auf Arbeitssicherheit und Arbeitsplätze liegt EON aber um den Faktor 6,8 bzw. 2,7 über dem volkswirtschaftlichen Niveau. Thyssen Krupp Steel konnte seine Nachhaltigkeitsleistung zwischen 2002 und 2004 um mehr als 40 Prozent verbessern.

Das Wissenschaftlerteam

Die vom Bundesforschungsministerium geförderte Studie „Nachhaltig erfolgreich Wirtschaften“ wurde von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vom Berliner IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung und vom schottischen Sustainable Development Research Centre (SDRC) erstellt. Die Wirtschaftsforscher nutzen den von ihnen entwickelten Sustainable-Value-Ansatz, um die Nachhaltigkeitsleistung von 28 deutschen Unternehmen in monetären Größen (Euro) zu bewerten.

Der neue Bewertungsansatz

Ihr Ansatz baut auf der Logik der Unternehmensbewertung auf den Finanzmärkten auf. Dadurch wird die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen in die Sprache von Investoren und Managern übersetzt. Das Prinzip der Bewertung ist einfach: „Ein Unternehmen schafft mit seinen eingesetzten ökonomischen, ökologischen und sozialen Ressourcen dann Wert, wenn es mit diesen Ressourcen mehr Ertrag erzielt als andere Unternehmen“, erläutert der Umweltwissenschaftler Dr. Tobias Hahn vom Berliner IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung.

Dies wird am Beispiel der CO2-Emissionen des Pharmaunternehmens Merck deutlich. Das Pharmaunternehmen emittierte im Jahr 2004 rund 123.600 t CO2. Gleichzeitig erreichte Merck eine Nettowertschöpfung von rund 2,22 Mrd. Euro und folglich rund 17.950 Euro pro Tonne CO2. Die gleiche Überlegung wird auch auf der volkswirtschaftlichen Ebene angestellt: Die deutsche Volkswirtschaft emittierte insgesamt im Jahr 2004 rund 886 Millionen Tonnen CO2. Gleichzeitig erzielte die deutsche Volkswirtschaft ein Nettoinlandsprodukt von 1.889 Milliarden Euro und folglich nur 2.133 Euro pro Tonne CO2. Die Differenz zwischen der Wertschöpfung, die Merck pro Tonne erzielt (17.950 Euro), und dem volkswirtschaftlichen Durchschnittswert (2.133 Euro) ergibt den Mehrwert (15.800 Euro), den Merck pro Tonne CO2 erwirtschaftet. Auf den gesamten CO2-Ausstoß von Merck bezogen, schafft das Unternehmen aufgrund seiner überdurchschnittlichen CO2-Effizienz in absoluten Zahlen einen Mehrwert von 1,96 Mrd. Euro. Das heißt, dass für die Volkswirtschaft 1,96 Mrd. Euro zusätzliches Nettoinlandsprodukt, also Löhne und Gehälter, Gewinne, Zinsen und Steuern, bei gleichen CO2-Emissionen entsteht. „Der Ansatz vergleicht die Ressourceneffizienz eines Unternehmens mit der Ressourceneffizienz des Marktes – genau so wie auf dem Finanzmarkt die Kapitalrendite eines Unternehmens mit der Marktrendite verglichen wird“, fasst Professor Frank Figge vom schottischen Sustainable Development Research Centre zusammen.

Zehn Nachhaltigkeitsindikatoren berücksichtigt

Die Studie betrachtet insgesamt zehn ökonomische, ökologische und soziale Indikatoren, wie beispielsweise den Kapitaleinsatz, die CO2-Emissionen, den Wasserverbrauch, die Gesamtabfallmenge oder die Zahl der Arbeitsunfälle und der Arbeitsplätze. Die Ergebnisse zeigen ein detailliertes Bild der Nachhaltigkeitsleistung der untersuchten deutschen Unternehmen.

BMW: beste Nachhaltigkeitseffizienz

DaimlerChrysler erzielt mit rund 15,2 Mrd. Euro den höchsten absoluten nachhaltigen Mehrwert („Sustainable Value“) der 28 untersuchten Unternehmen. Das effizienteste der untersuchten Unternehmen ist DaimlerChrylser damit jedoch nicht. Andere Unternehmen wirtschaften effizienter, sind aber kleiner und erzielen deshalb einen niedrigeren absoluten Sustainable Value. Berücksichtigt man diesen Größeneffekt, erweist sich BMW als das untersuchte Unternehmen mit der höchsten Nachhaltigkeitseffizienz: BMW setzt seine ökonomischen, ökologischen und sozialen Ressourcen im Vergleich zur Volkswirtschaft rund fünfmal effizienter ein. Das Unternehmen erreichte dadurch im Jahr 2004 einen absoluten Sustainable Value von mehr als 8,2 Mrd. Euro. Auch andere Unternehmen schlagen den volkswirtschaftlichen Durchschnitt: Henkel wirtschaftete mit seinen Ressourcen im Jahr 2004 rund 1,7 mal effizienter als die deutsche Volkswirtschaft und schaffte dadurch einen Sustainable Value von knapp 1,2 Mrd. Euro. Im gleichen Jahr erzielte die Deutsche Telekom einen Sustainable Value von fast 9,3 Mrd. Euro, da sie ihre ökonomischen, ökologischen und sozialen Ressourcen 2,8 mal effizienter nutzt als die deutsche Volkswirtschaft.

Negativer Sustainable Value eher in ressourcenintensiven Branchen
Im volkswirtschaftlichen Vergleich erwirtschaften nicht alle Unternehmen einen positiven Sustainable Value. Dies trifft vor allem auf Unternehmen aus ressourcenintensiven Branchen wie z.B. die Chemie oder Stahl- und Energieerzeugung zu. So erzielt Thyssen Krupp Steel im Jahr 2004 z.B. einen negativen Sustainable Value von rund minus 14,7 Mrd. Euro. Damit liegt die Ressourceneffizienz des Unternehmens um den Faktor 7,4 unter dem volkswirtschaftlichen Durchschnitt. „Das heißt nicht, dass die Stahlindustrie geschlossen werden sollte“, stellt der Ökonom Prof. Frank Figge klar. „Die Ergebnisse machen jedoch erstmals offenkundig, in welchen Größenordnungen sich die Nachhaltigkeitsperformance von Branchen unterscheidet.“

Aber auch die Analyse innerhalb der Branchen zeigt beträchtliche Unterschiede. Zwischen der Nachhaltigkeitseffizienz von BASF und der Nachhaltigkeitseffizienz von Celanese liegt beispielweise ein Faktor von etwa 3,1. Das heißt, dass BASF seine ökonomischen, ökologischen und sozialen Ressourcen etwa 3,1 mal ertragreicher einsetzt als Celanese. Für 18 der untersuchten Unternehmen konnte eine solche Branchenanalyse durchgeführt werden.

Datenlage schwierig

Die gesamte Analyse basiert dabei auf den von den Unternehmen veröffentlichten Finanz-, Umwelt- und Sozialdaten. Die Betriebswirtschaftlerin Andrea Liesen vom IZT betont: „Das Bewertungsverfahren ist so transparent, dass die Ergebnisse ohne weiteres von Außenstehenden nachgerechnet werden können.“

Die Zahl der deutschen Unternehmen, die ausreichend gutes Zahlenmaterial für eine Sustainable-Value-Analyse veröffentlichen, ist jedoch nach wie vor recht gering. „Die 28 untersuchten Unternehmen gehören sicherlich zu den fortschrittlichsten und engagiertesten Umwelt- und Nachhaltigkeitsberichterstattern in Deutschland“, betont Dr. Tobias Hahn. „Gerne hätten wir noch mehr Unternehmen betrachtet“, sagt Andrea Liesen vom Berliner IZT. „Aber bei allen deutschen Logistikdienstleistern außer der Deutschen Bahn sowie bei Unternehmen wie beispielsweise Siemens, Deutsche Post, Lufthansa oder auch beim drittgrößten deutschen Stromversorger EnBW war eine Bewertung aufgrund unzureichender Daten nicht möglich.“

Ansatz in Unternehmen testen

Nächstes Ziel der Wissenschaftler ist es, ihren neuen Ansatz für die Anwendung im Management nutzbar zu machen und in der unternehmerischen Praxis zu erproben. Schließlich können Unternehmen damit Nachhaltigkeitsaspekte wie Treibhausgasemissionen genauso messen und steuern wie den Einsatz von Kapital. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind überzeugt, dass der Ansatz Unternehmen dabei unterstützen kann, nachhaltig erfolgreich zu wirtschaften.

Downloads:
Die Kurzfassung der Studie und die komplette Studie stehen zum kostenlosen Download bereit unter: http://www.new-projekt.de/studie/download/index.html

Kontakte:

Pressestelle IZT:
· Barbara Debus, IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, Schopenhauerstr. 26, D-14129 Berlin, E-Mail: b.debus@izt.de, Tel.: +49-30-803088-45, Fax: +49-30-803088-88
Fachliche Ansprechpartner:
· Dr. Tobias Hahn, IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, Berlin, E-Mail: t.hahn@izt.de, Tel.: +49-30-803088-24, Fax: +49-30-803088-88
· Andrea Liesen, IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, Berlin, E-Mail: a.liesen@izt.de, Tel.: +49-30-803088-47, Fax: +49-30-803088-88

· Prof. Dr. Frank Figge, University of St Andrews & Sustainable Development Research Centre (SDRC), Forres, E-Mail: figge@sustainablevalue.com, Tel.: +44-1309-678113, Fax: +44-1309-678114

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Barbara Debus idw

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