Zur Zukunft des deutschen internationalen Steuerrechts

a) Traditionelle Ausdrucksform des Welteinkommensprinzips ist im deutschen Steuersystem der Regelungstypus „Unbeschränkte Steuerpflicht“. Danach muss jede im Inland ansässige natürliche oder juristische Person grundsätzlich – außer ihren inländischen – auch alle ihre ausländischen Einkünfte in Deutschland versteuern. Steuerfrei sind hier lediglich Einkünfte aus Betriebstätten und Grundstücken, die in DBA-Staaten gelegen sind, sowie ausländische Dividendenbezüge inländischer Körperschaften (§ 8b Abs. 1 KStG).

Jedoch verbleibt es auch in diesen Fällen beim weltweiten deutschen Steuerzugriff, soweit eine der immer zahlreicheren „Anti-Steuerflucht“-Regeln in den DBA (z. B. ein sog. Aktivitätsvorbehalt) oder das Hinzurechnungsregime des Außensteuergesetzes eingreift.

Der Verfasser der vom Institut Finanzen und Steuern, Bonn herausgegebenen IFSt-Schrift Nr. 438 widmet sich in seiner Untersuchung vornehmlich der Frage der inneren Berechtigung des Welteinkommensprinzips. Hierzu stellt er eingehende verfassungsrechtliche, steuerrechtsdogmatische und finanzwissenschaftliche Überlegungen an. Er kommt dabei zu dem Ergebnis, dass weder der Leistungsfähigkeitsgrundsatz noch die Systematik des Einkommen-/Körperschaftsteuerrechts eine Besteuerung nach dem Welteinkommensprinzip zwingend gebieten. Auf der anderen Seite sprächen die Zielvorstellung einer „zwischenstaatlichen Steuergerechtigkeit“ und vor allem Steuerrechtfertigungsargumente eher für eine geographische Selbstbescheidung des Steuergesetzgebers. Er fordert daher ein steuerpolitisches Umdenken; dieses sollte sich künftig mehr am Territorialitätsprinzip als am Welteinkommensprinzip orientieren.

b) In die alte Diskussion, ob sich der deutsche Steuergesetzgeber mit einem nationalen Gesetz innerstaatlich rechtswirksam über ein gültiges DBA hinwegsetzen, also „Treaty Override“ begehen kann – was der BFH bislang bejaht hat -, ist jetzt durch zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2004, die allerdings zu nichtsteuerlichen Fragen ergangen sind, Bewegung gekommen. Das Gericht hat darin völkerrechtlichen Verträgen den Vorrang vor deutschem nationalen Recht eingeräumt, mit lediglich einer Einschränkung: Die jeweilige völkerrechtliche Regelung muss, um sich durchzusetzen, mit den tragenden Grundsätzen der deutschen Verfassung in Einklang stehen. Der Verfasser der vorliegenden Arbeit leitet daraus die generelle Unzulässigkeit von steuerlichem „Treaty Override“ ab, da eine ausnahmslose Fortgeltung der DBA keine Verfassungsgrundsätze tangiere und außerdem durch Abkommensrevision oder -kündigung abwendbar sei.

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Clemens Esser idw

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