Kinobesucher, was willst Du?

Laufend eröffnen neue Kinokomplexe, gleichzeitig leiden kleinere Lichtspielhäuser teilweise unter massivem Zuschauermangel, manche sind sogar vom Zusperren bedroht. Angebot an Sitzplätzen und Konkurrenz steigen ständig. Doch wie sieht eigentlich die Nachfrageseite am Wiener Kinomarkt aus? Was wollen die Kinobesucher? Einen bestimmten Film sehen, oder Unterhaltung, Zerstreuung mit einem Film als zusätzliches Zuckerl? Antworten darauf suchte Frau Mag. Elisabeth Hammer im Rahmen ihrer Diplomarbeit am Institut für Tourismus und Freizeitwirtschaft der Wirtschaftsuniversität Wien. Am Montag, dem 14. Jänner 2002, präsentierte sie Kernergebnisse ihrer Kinobesucherbefragung vor einem sehr interessierten Publikum aus Kinofachleuten, Wissenschaftern und Studierenden an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Um die Wünsche der Kinobesucher umfassend zu analysieren, wurden 746 Personen (Durchschnittsalter 26 Jahre, 54% weiblichen und 46% männlichen Geschlechts) hinsichtlich ihres Freizeit- und Kinobesuchsverhaltens mit Hilfe des Internet befragt. In diesem ’convenience sample’ sind die Besucher von Multiplexen zwar leicht unterrepräsentiert, dennoch zeigen sich einige generelle Erkenntnisse über die Kinobesucher. Aus den standardisierten Fragebögen filterte Elisabeth Hammer zunächst jene Kriterien heraus, die bei der Wahl des Kinos für das Wiener Kinopublikum ausschlaggebend sind. Der gezeigte Film, d.h. das Programm des Kinos beeinflusst demnach die Entscheidung für ein bestimmtes Lichtspielhaus am stärksten, ausgedrückt durch die „Schulnote“ 1,24 (Durchschnittswert der Befragten). Auf den Plätzen 2 bis 6 folgen ausschließlich Kriterien, welche die Ausstattung des Kinosaals betreffen – komfortable Sitze, gute Sicht von allen Sitzen, angenehme Atmosphäre, große Leinwand und Beinfreiheit. Als eher neutral für die Kinowahl werden günstige Kartenpreise, Filmvorschau und Lokale in Kinonähe eingestuft (Durchschnittswerte nahe 3). Sportanlagen in Kinonähe und Unterhaltungseinrichtungen wie etwa Spielhallen werden von den Befragten am unwichtigsten empfunden.

DEN Wiener Kinobesucher gibt es nicht

Haben alle Kinobesucher ähnliche Wünsche und Ansprüche? Lassen sich bestimmte Gruppen von Kinobesuchern herauskristallisieren, die untereinander möglichst ähnlich sind, sich voneinander aber deutlich unterscheiden? „Solche einzelnen Gruppen könnte man gezielt mit einem eigenen Marketing-Mix bearbeiten“, meint Elisabeth Hammer. Mittels empirischer Methoden trennte sie die Wiener Kinobesucher in 6 Gruppen:

  • Für den Technikfan (12% der Befragten) sind Komfort im Kinosaal und modernste technische Ausstattung absolut am wichtigsten. Er besucht am liebsten Multiplexe und reist am häufigsten mit dem eigenen Fahrzeug an. „Der Technikfan will sich unterhalten, Freunde treffen und Spaß haben. Er bevorzugt Komödien und Actionfilme“, so Elisabeth Hammer. Unter den unter 20-jährigen sowie den 31- bis 40-jährigen finden sich besonders viele Technikfans.
  • Auch für den Ökonomischen (11% der Befragten) ist der Unterhaltungsaspekt beim Kinobesuch vorrangig. Für ihn spielt jedoch der Preis der Kinokarte eine wesentliche Rolle: Bei Preissenkungen würde er öfter ins Kino gehen. Im Gegensatz zum Technikfan erreicht der Ökonomische mit öffentlichen Verkehrsmitteln das Kino seiner Wahl.
  • Der Cinephile (16% der Befragten) will das Werk eines bestimmten Filmregisseurs sehen. Für ihn ist das Programm – vorrangig interessieren ihn Independentfilme und Dramen – im Vergleich zu den anderen Gruppen von größter Bedeutung. Auch Originalfassungen sind ihm sehr wichtig. Er geht am öftesten ins Kino, bevorzugt eindeutig traditionelle Lichtspielhäuser und die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
  • Für den genießenden Filmfreak haben das Programm des Kinos und Filme in Originalfassungen ebenfalls oberste Priorität. Diese mit 28% der Befragten größte Gruppe der Kinobesucher legt allerdings im Unterschied zu den Cinephilen gleichzeitig hohen Wert auf komfortable Kinosäle und moderne technische Ausstattung. „Gut zu sitzen und auf eine große Leinwand zu sehen sind für den genießenden Filmfreak schon von Bedeutung. Er wartet auch nicht so gerne an der Kinokassa auf seine Karte“, erklärt Elisabeth Hammer. Traditionelle Kinos sind ihm wichtig. Der genießende Filmfreak will unterhalten werden, findet Kino aber auch anspruchsvoll und informativ. Independentfilme und Komödien sieht er am liebsten.
  • 15% der Kinobesucher sind in Bezug auf ihre Prioritätensetzung bei der Wahl des Kinos eher neutral. Sie können weder den Cineasten noch den Komfortsuchenden zugeordnet werden. Diese Gruppe der Durchschnittlichen schätzt Filme in Originalfasung in technisch gut ausgestatteten und komfortablen Kinosälen. Ein Parkplatz in Kinonähe ist ihnen wichtiger als die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
  • Am seltensten ins Kino geht der Bequeme (18% der Befragten). Unter 20- und über 40-Jährige sind im Vergleich zu allen anderen Altersgruppen am stärksten in dieser Gruppe vertreten. Der Bequeme will in technisch gut ausgestatteten Kinosälen mit bequemen Sitzen Komödien und Actionfilme in deutscher Synchronfassung sehen. Eine gute Anbindung ans Netz der öffentlichen Verkehrsmittel zieht er einem Parkplatz beim Kino vor.

Leeren Kinositzplätzen gegensteuern

Um dem Überangebot an Sitzplätzen in den Wiener Kinos zu begegnen, müsste man laut Elisabeth Hammer einerseits die schon vorhandenen Kinobesucher noch öfter ins Kino locken, sprich die Besuchsfrequenz erhöhen. Andererseits sollte man sich um neue Kinobesucher und bisher vernachlässigte Segmente bemühen: „Der Anteil der ganz Jungen in den Kinos ist sicher noch zu steigern“, meint Hammer. „Auch die über 40jährigen fühlen sich durch das derzeitige Kinoangebot nicht wirklich angesprochen.“ Das Kino hat für diese Altersgruppe eine andere Bedeutung als für den typischen Kinogeher in den 20ern. Bildung und Wissenserweiterung spielen eine größere Rolle als der Unterhaltungsaspekt.

Marktlücke „Arthouse Center“?

„Wie die Ergebnisse meiner Arbeit zeigen, gibt es nicht nur schwarz und weiß – Traditionskinogeher und Multiplexbesucher“, betont Elisabeth Hammer. „Es gibt auch einen nicht zu vernachlässigenden Teil, der beides will: anspruchsvolle Filme in Originalfassung sehen, aber das ganze in bester Bildqualität, auf großer Leinwand, mit modernster technischer Ausstattung von bequemen Sitzplätzen aus genießen.“ In Deutschland gebe es das Geschäftsfeld dieser Filmkunstkinos bereits, in Österreich noch nicht wirklich. Sowohl die genießenden Filmfreaks und die Durchschnittlichen, als auch die Gruppe der Kinobesucher, die bestimmte Traditionskinos und Multiplexe gleichzeitig zu ihren Lieblingskinos zählen, könnte man laut Hammer mit solchen „Arthouse Centers“ ansprechen.

Die komplette Diplomarbeit ist über die Tourismus Studien Austria ( http://studien.at ) als Downloadversion oder in Kopie erhältlich: Titel „Analyse des Wiener Kinopublikums“, Bestellnummer: 100946. Preis: EURO 44,- (inkl. 10% USt, exkl. ev. Versandspesen)

Für Rückfragen: Mag. Tina Hölbling, Institut für Tourismus und Freizeitwirtschaft, Wirtschaftsuniversität Wien, Tel. 01/313 36/4583, E-Mail: tina.hoelbling@wu-wien.ac.at

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