IAT zur Kombilohn-Debatte

Kombi-Lohn für Langzeitarbeitslose macht Sinn – Subventionen „mit der Gießkanne“ zu teuer, nicht zielgerichtet und wenig effektiv – Institut Arbeit und Technik warnt vor zu hohen Erwartungen – Abschwung heute nutzen zur Qualifizierung der Beschäftigten für morgen

Staatszuschüsse für Billig-Jobs werden kaum die ersehnte Wende am Arbeitsmarkt bringen. Der derzeit diskutierte „Kombilohn“, der mit Zuzahlungen zu den Sozialbeiträgen Arbeitslose anreizen soll, auch niedrig entlohnte, einfache Arbeiten anzunehmen, kann gezielt Langzeitarbeitslose in Arbeit bringen. Eine Subventionierung aber mit der Gießkanne kostet sehr viel Geld, riskiert hohe Mitnahmeeffekte und bringt nur wenig für die Beschäftigung, warnen Arbeitsmarktforscher des Instituts Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen). „Die Probleme des Arbeitsmarktes lassen sich im Niedriglohnsektor nicht lösen“, so IAT-Vizepräsident Prof. Dr. Gerhard Bosch.

Das Beispiel vom amerikanischen „Beschäftigungswunder“ taugt für deutsche Verhältnisse wenig. In Deutschland haben nur 16 Prozent aller Beschäftigten keine berufliche Ausbildung, in den USA liegt der Anteil dieser Nicht- bzw. Geringqualifizierten, die auf Billig-Jobs angewiesen sind, bei 45 Prozent.

Die derzeit diskutierten Modelle und Vorschläge zum Kombilohn rechnen mit unterschiedlichen Beschäftigungseffekten. Zwischen 75 000 und 140 000 neue Arbeitsplätze könnten entstehen. Nicht berechnet wurden die zu erwartenden Verdrängungseffekte: bereits bestehende Arbeitsverhältnisse werden entsprechend den Subventionsgrenzen umgewandelt und „förderfähig“ gemacht, um das Geld „mitzunehmen“. Wird das neue Programm aus alten Finanztöpfen, z.B. für aktive Arbeitsmarktpolitik, bezahlt, werden Zukunftsinvestitionen vernachlässigt: Warum werden Arbeitsplätze in Supermärkten und Imbissketten subventioniert und Umschulungsmaßnahmen in IT-Berufe oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gekürzt?

Im Niedriglohnsektor (Vollzeiteinkommen unter 700 Euro bis unter 1400 Euro) arbeiten heute bereits rund 4,8 Millionen Beschäftigte und sind – je nach Ausgestaltung der Kombilohn-Regelung – auch anspruchsberechtigt. Die Bruttokosten werden zwischen 7 und 12,5 Milliarden Euro geschätzt.


Da durch die Neueinstellungen an anderer Stelle – z.B. Sozialhilfe – eingespart werden kann, liegen die Nettoausgaben niedriger. Ein neu geschaffener Arbeitsplatz kostet aber immer noch mehr als 40 000 Euro, erheblich mehr, als das Gehalt auf jedem der zusätzlichen Arbeitsplätze.

In der Praxis werden Geringqualifizierte unter Umständen wenig von der Subvention profitieren. Darauf deuten niederländische Erfahrungen bei der Subventionierung von Sozialversicherungsbeiträgen hin: Hier waren 1996 nur 11 Prozent der subventionierten Niedriglohn-Arbeitsplätze mit Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung besetzt.

Statt „Kombilohn“ sind „Kombidenkmodelle“ an der Zeit. Die Beseitigung des Fachkräftemangels bleibt auch bei hoher Arbeitslosigkeit ein wichtiges Thema auf dem deutschen Arbeitsmarkt. „Nachdem wir gerade einen Konjunkturaufschwung mit Fachkräftemangel hinter uns haben, sollte der Beschäftigungsabschwung genutzt werden, um heute die Beschäftigten von morgen zu qualifizieren,“ rät der IAT-Arbeitsmarktexperte Bosch. Der Arbeitslosigkeit Geringqualifizierter muss durch die Bereitstellung von Ausbildungsstellen vorgebeugt und die Ausgrenzung Jugendlicher ohne Ausbildung verhindert werden. Qualifizierung ist hier nicht nur Aufgabe der Arbeitsmarktpolitik, sondern auch der Wirtschaft, die qualifizierte Beschäftigte auch in Zukunft benötigt.

Für weitere Fragen steht
Ihnen zur Verfügung:
Prof. Dr. Gerhard Bosch
Durchwahl: 0209/1707-147


Pressereferentin
Claudia Braczko

Munscheidstraße 14
45886 Gelsenkirchen

Tel.: +49-209/1707-176
Fax: +49-209/1707-110
E-Mail: braczko@iatge.de

Media Contact

Claudia Braczko idw

Weitere Informationen:

http://iat-info.iatge.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Wirtschaft Finanzen

Aktuelle und interessante Meldungen und Entwicklungen aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften finden Sie hier zusammengefasst.

Unter anderem bietet Ihnen der innovations-report Berichte aus den Teilbereichen: Aktienmärkte, Konsumklima, Arbeitsmarktpolitik, Rentenmarkt, Außenhandel, Zinstrends, Börsenberichte und Konjunkturaussichten.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer