Bescheidene Unternehmensgründer

Wissenschaftler, die aus Universität oder Forschungsinstitut den Sprung in die Selbstständigkeit wagen, sind oft zu zaghaft, sagt das Fraunhofer ISI. Bescheidene Ziele, zögerliche Unternehmensstrategien und magere Finanzierung bremsen das Wachstum, oft sind Produkte nicht marktreif und es mangelt an betriebswirtschaftlichem Know-how.


Unternehmensausgründungen aus Universitäten oder Forschungsorganisationen wie Fraunhofer- und Max-Planck-Gesellschaft gelten als besonders innovativ und können Wissen und Technologie vermeintlich schnell in Produkte und Dienstleistungen für den Markt umsetzen – dementsprechend aktiv werden sie gefördert. Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe zum alljährlichen Bericht der Bundesregierung zur Technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands kommt zu einem anderen Ergebnis: In 20 Fallstudien bei akademischen Spin-Offs – zehn in Ost- und zehn in West-deutschland – fanden die ISI-Experten zwar viele erfolgreiche Ausgründungen, aber nur wenige, die einen großen Beitrag zur schnellen Modernisierung der Industriestruktur in Deutschland leisten könnten.

In Interviews mit Gründern, Investoren, Beratern der Unternehmen und mit Vertretern der Wissenschaftsorganisationen suchten die ISI-Forscher nach Kriterien für Erfolg und Misserfolg solcher Ausgründungen. Auffällig: Die Gründer selbst haben zwar oft anspruchsvolle technologische, meistens jedoch sehr bescheidene wirtschaftliche Ziele. Sie streben überschaubare Unternehmenseinheiten mit langsamem, stetigem Wachstum an und versuchen häufig, ohne Venture Capital oder Bankkredite auszukommen. Die Firmengründer – in der Regel hochkarätige Naturwissenschaftler oder Ingenieure – bringen zudem wenig Know-how in Betriebswirtschaft und Marketing mit und entwickeln oft erst sehr spät realistische Unternehmens- und Marktstrategien.

Der Technologie- und Wissenstransfer über akademische Spin-offs ist demnach längst nicht immer so wirkungsvoll, wie es sich die Politik erhofft. Häufig starten die Wissenschaftler ohne konkrete Produktidee oder mit einem Produkt, das noch längst nicht marktreif ist oder vom Markt nicht angenommen wird. Manche Gründer betreiben ihre Unternehmen auch nur wie eine Verlängerung ihrer früheren wissenschaftlichen Arbeit im Institut. Andererseits zeigt eine gerade abgeschlossene neue Untersuchung des Fraunhofer ISI, dass es auch immer wieder unternehmerische Naturtalente unter den Wissenschaftlern gibt, die ohne kaufmännische Kenntnisse und Erfahrungen in kurzer Zeit erstaunliche Erfolgsgeschichten hervorbringen.

Die Förderpolitik setzt derzeit nicht die richtigen Anreize für akademische Gründer – sie sollte auch künftig Mentalität und Ziele der wissenschaftlichen Gründer in Deutschland stärker berücksichtigen, fordert ISI-Projektleiter Joachim Hemer. „Statt auf schnell wachsende Unternehmen zu setzen, sollten auch vorsichtige, aber nachhaltige Unternehmenstrategien unterstützt werden“, so Hemer. Dafür seien jedoch neue Finanzierungs- und Förderkonzepte notwendig.

Kontakt:
Joachim Hemer
Telefon: 0721 / 6809 – 139
E-Mail: joachim.hemer@isi.fraunhofer.de

Ansprechpartner für die Medien:
Bernd Müller
Telefon 0721 / 6809 – 100
Telefax 0721 / 6809 – 176
bernd.mueller@isi.fraunhofer.de

Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI untersucht Marktpotenziale technischer Entwicklungen und deren Auswirkungen auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft. Die interdisziplinären Forschungsgruppen konzentrieren sich auf neue Technologien, Industrie- und Serviceinnovationen, Energiepolitik und nachhaltiges Wirtschaften sowie auf die Dynamik neuer Märkte und die Innovationspolitik.

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Bernd Müller idw

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