Nur wenn das Klima stimmt, kann eine Firma profitabel sein

Forschungsergebnisse aus der Arbeits- und Organisationspsychologie zu Fehlermanagement und Eigeninitiative – Publikation im Journal of Applied Psychology

Aus Fehlern lernt man: Was im Volksmund eine bekannte Redewendung ist, scheint sich in der Organisation von Betrieben und Einrichtungen noch nicht hinreichend herumgesprochen zu haben. Auf Personen, die Fehler gemacht haben, wird häufig mit Fingern gezeigt. Ein Beitrag zur Fehlermanagementkultur des Gießener Psychologen Prof. Dr. Michael Frese und seinen Mitarbeitern am Fachbereich 06 – Psychologie und Sportwissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen (van Dyck, Baer & Sonnentag) wurde jetzt im Journal of Applied Psychology, der wichtigsten relevanten Fachzeitschrift, veröffentlicht (van Dyck, C., Frese, M., Baer, M., & Sonnentag, S., (2005) Organizational error management culture and its impact on performance: A two-study replication. Journal of Applied Psychology, 90, 1228-1240. Diese Veröffentlichung ergänzt frühere Untersuchungen (Baer, M., & Frese, M. (2003). Innovation is not enough: Climates for initiative and psychological safety, process innovations, and firm performance. Journal of Organizational Behavior, 24, 45-68.)

Fehlermanagementkultur ist eine neue Entdeckung der Organisationspsychologie durch das Team um Prof. Frese. Es geht den Gießener Psychologen darum, dass die Mitglieder einer Organisation Fehler kommunizieren und diese Fehler als Lerninstrument innerhalb der Organisation allen Beteiligten zugänglich machen. Wenn beispielsweise in einem Betrieb ein Fehler passiert ist, sollte dieser gezielt kommuniziert werden, damit die anderen Mitarbeiter nicht denselben Fehler machen. Auch müssen sich diejenigen, die den Fehler gemacht haben, beim Umgang mit diesem Fehler auf die anderen verlassen können.

Noch sieht die Realität anders aus: Betriebe in Holland und Deutschland, die eine gering ausgeprägte „Fehlermanagementkultur“ innehaben, zeigen mit vorwurfsvollem Finger auf diejenigen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, die einen Fehler gemacht haben. Deutschland hat offenbar ein besonderes Problem im Umgang mit Fehlern, da schon die allgemeine Kultur wenig Toleranz gegenüber Fehlern aufzeigt. Deutschland, so beklagt der Organisationspsychologe Frese, sei das zweithöchste Land mit Fehlerintoleranz in der Welt.

Im Gegensatz dazu wird in Betrieben mit hoch ausgeprägter Fehlermanagementkultur über Fehler gesprochen, aus Fehlern gelernt (= lernende Organisation). Vor allem aber: Fehler werden hier nicht bestraft. Ein Betrieb kann nur dann Höchstleistungen erbringen, wenn dort aus Fehlern gelernt wird, lautet das Fazit der Gießener Untersuchungen. Fehlermanagementkultur führt zu erhöhter Profitabilität in mittelständischen Betrieben. Die Profitabilität von Firmen erhöht sich um ungefähr 20 Prozent bei hoher Fehlermanagementkultur und sie reduziert sich um ungefähr 20 Prozent bei niedriger Fehlermanagementkultur (Schwankungsbreite von 7,7 Prozent auf etwa 10 Prozent Profitabilität).

Ähnliches gilt auch für das Klima, indem Eigeninitiative wachsen kann, betonen die Gießener Psychologen. Ziel müsse es sein, dass in einem Betrieb Probleme sofort aktiv angegangen werden, ohne dass die Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter umständlich ihren Vorgesetzten informieren beziehungsweise fragen müssen. Werde in einem Betrieb sofort die Initiative ergriffen, zeige sich dieser Betrieb in der Regel auch hochprofitabel.

Ob Betriebe innovativ oder weniger innovativ waren, erhoben Prof. Frese und sein Team in einem weiteren Schritt. Im Blickpunkt der Untersuchungen standen dabei Prozessinnovationen wie Qualitätsmanagement, Einführung von schlanker Produktionsweise, Reengineering, Verlagerung von Arbeiten in Teams etc? Interessantes Ergebnis: Innovationen erweisen sich nur dann als positiv für die Profitabilität der Betriebe, wenn gleichzeitig das Eigeninitiative-Klima gut ist. Ist das Eigeninitiative-Klima hingegen gering, ergeben sich sogar negative Effekte von Prozessinnovationen auf die Profitabilität. Fazit für Arbeitgeber: Innovationen, also Verbesserungen von Betriebs- und Ablaufstrukturen, sollten in Betrieben nur eingeführt werden, wenn das Klima stimmt.

Das Problem ist, dass die meisten deutschen Manager weder Klima und Kultur in ihrem Betrieb kennen, noch die Qualifikation mitbringen, die Kultur eines Betriebes positiv zu beeinflussen. Sie stehen diesem Problem oft hilflos gegenüber. Gleichzeitig kommt es auf das Klima beziehungsweise die Kultur an, ob Veränderungsprozesse effektiv gestaltet werden können.

Was folgt daraus? Betriebe sollten wissen, welche Kultur bei ihnen vorherrscht, und Manager sollten wissen, wie man diese Kultur im Betrieb positiv beeinflussen kann. Andernfalls erweisen sich viele moderne Managementansätze sogar als kontraproduktiv.

Kontakt:
Prof. Dr. Michael Frese
Otto-Behaghel-Str. 10F
35394 Gießen
Telefon: 0641-99 26220
Fax: 0641-99 26229
E-Mail: michael.frese@psychol.uni-giessen.de

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Charlotte Brückner-Ihl idw

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