Mobil sein und Familie haben? Wie Mobile leben

Bundesministerin Bergmann stellt Studie zu Berufsmobilität vor

Beschäftigte sehen sich zunehmend mit Mobilitätsanforderungen konfrontiert. Doch Mobilität stellt viele Menschen, insbesondere Familien, vor große Herausforderungen. Um zu erfahren, wie Menschen damit umgehen, hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Studie „Berufsmobilität und Lebensform – Sind berufliche Mobilitätserfordernisse in Zeiten der Globalisierung noch mit Familie vereinbar?“ in Auftrag gegeben.

Die Studie untersucht: Welche Mobilitätserfordernisse werden gestellt? Welche Risiken und Chancen bergen sie, wer ist mobil, wer nicht? Wie passen Familie und Mobilsein zusammen? Und wie können Politik und Unternehmen geeignete Rahmenbedingungen für Mobilität setzen? Dazu wurden 1.000 Paare in mobilen Lebensarrangements durch die Universität Mainz in Kooperation mit dem Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg befragt.

„Wir wissen, dass in der heutigen Arbeitswelt ein hohes Maß an Mobilität gefordert ist. Die Studie stellt jedoch fest: Mobilität wird ambivalent gesehen. Mobile Menschen berichten einerseits von attraktiven Arbeitsplätzen und mehr persönlicher Freiheit in der Partnerschaft. Oftmals lassen sich aber die beruflichen Erfordernisse des Pendelns, Reisens und Umziehens nur schwer mit Familie und Partnerschaft vereinbaren. Es muss möglich sein, beides zu leben. Denn gerade unter jungen Leuten wird sowohl einem sicheren Arbeitsplatz als auch Familie ein hoher Stellenwert eingeräumt. Sie müssen die Chancen für einen Berufsstart oder -aufstieg nutzen können und gleichzeitig Zeit für die Familie haben. So bereichernd Auslandseinsätze, ein Umzug oder einige Auslandssemester sein können, so wichtig ist, dass die Mobilen in ihrer beruflichen Entscheidung Unterstützung erfahren und ihr familiäres Umfeld mit einbezogen wird“, erklärt die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Christine Bergmann.

Zentrale Ergebnisse der Studie

Mobilsein in unterschiedlichen Facetten nimmt zu

Jede oder jeder sechste Berufstätige, der in einer Partnerschaft oder Familie lebt, ist aus beruflichen Gründen mobil. Das sind 16 Prozent aller 25- bis 55-Jährigen, die erwerbstätig sind. In den letzten Jahren hat vor allem die Zahl der Fernpendler und der Wochenendbeziehungen zugenommen. Menschen, die täglich mindestens eine Stunde zur Arbeit fern pendeln, sind im Lebensverlauf am längsten mobil; mehr als zwei Drittel pendelt seit 5 bis über 10 Jahren.

Die Studie unterscheidet fünf mobile Lebensformen: Fernpendler, die täglich längere Arbeitswege in Kauf nehmen; Umzugsmobile, das sind Paare bzw. Familien, die berufsbedingt umgezogen sind; Wochenendpendler (Shuttles), die einen Zweithaushalt am Arbeitsort des mobilen Partners haben; Varimobile, bei denen mindestens einer der beiden Partner an wechselnden Orten beruflich tätig ist; und Menschen in Fernbeziehungen, die jeweils einen eigenen Haushalt führen und keinen gemeinsamen „Haupthaushalt“ haben.

Fernpendler sind ortsverbunden und auf familiäre Nähe orientiert; die Berufstätigkeit des Partners ist wichtig. Die Wochenendpendler sind typischerweise Männer mit hohen Bildungsabschlüssen; über 80 Prozent pendelt für einen attraktiveren Arbeitsplatz; mehr als drei Viertel arbeitet mehr als Normalarbeitszeit. Varimobile und Umgezogene sind hauptsächlich aus beruflichen Gründen mobil; die Veränderungen empfinden sie als positiv. Menschen in Fernbeziehungen sind gut ausgebildet, selten verheiratet, nur wenige haben Kinder; sie suchen die Lebensform vornehmlich wegen der hohen Berufsorientierung beider Partner.

Es werden mehr Nachteile als Vorteile gesehen

Ein Drittel der Mobilen ist zwangsläufig mobil, um eine Arbeitsstelle zu finden oder sie zu behalten, ein weiteres Drittel hat sich wohl oder übel mit den an sie herangetragenen Mobilitätsanforderungen arrangiert. Ein Drittel der Befragten ist freiwillig und gewollt mobil. Besonders häufig berichten Wochenendpendler (50 Prozent) und Fernbeziehungen (40 Prozent) vom Zwang zur Mobilität. Während Wochenendbeziehungen fast ausschließlich aufgrund beruflicher Umstände entstehen, spielen bei einem Teil der Fernbeziehungen (33 Prozent) auch persönliche Motive eine Rolle.

Nur jeder dritte Mobile berichtet von Vorzügen; es überwiegt meist eine Mischung aus Vor- und Nachteilen. Einem Zugewinn an individueller Autonomie und persönlicher Freiheit stehen Zeitmangel, soziale Isolierung und Entfremdung von der Familie gegenüber. Durchweg positive Reaktionen auf das bewegte Leben sind selten.

Mobilität hemmt Familienbildung

Familie stellt ein wesentliches Kriterium in der Entscheidung für berufliche Karriere und Mobilität dar. 42 Prozent der befragten Männer und 69 Prozent der Frauen geben an, dass die berufliche Situation ihre Familienentwicklung hemmt. Beruflich mobile Menschen bleiben signifikant häufiger kinderlos als nicht mobile. Wenn sie Eltern werden, dann deutlich später.

Bevor eine Familie gegründet wird, ist mobil-sein relativ unkompliziert. Je jünger die Befragten, je höher der Bildungsabschluss und je kleiner der Haushalt, desto mobiler sind die Menschen. Männer sind mobiler als Frauen.

Familie und Mobilität sind schwer vereinbar

Knapp die Hälfte der Mobilen hat ein Kind. Jede/r zweite von ihnen berichtet, dass sich das Mobil-Sein negativ auf das Zusammenleben mit dem Kind auswirkt. Für die meisten Befragten sind Kinder und Partner wesentlich, wenn die Entscheidung nach beruflicher Mobilität getroffen wird. Insbesondere Kinder halten die Menschen davon ab, andere Lebensformen zu wählen.

Je größer die Familienorientierung, um so eher wird versucht, mit der Familie an einem Ort zu leben. Wer eine Familie hat und mobil sein will, wählt daher häufiger einen Umzug oder das Fernpendeln. Eltern in mobilen Lebensformen klagen zudem, dass sich getrennte Welten entwickeln, und dass die Kinder durch ihre Lebensform belastet werden. 80 Prozent derer, die ein Pendler-Dasein oder Umzug ablehnen, haben Kinder.

Die Nachteile treffen Frauen stärker als Männer

Bei berufsmobilen Männern verzichtet die Partnerin oftmals auf eine eigene Berufskarriere, widmet sich Haushalt und Kindern und schlüpft vor allem in den Zeiten der Abwesenheit des Mannes in die Rolle einer alleinerziehenden Mutter. Nur wenn Frauen ihre eigene Berufsperspektive zurückstellen, ist für berufsmobile Männer das Modell Familie, Beruf und Mobilität vereinbar.

Beruflich mobile Frauen bleiben fast immer kinderlos. Für mobile Männer, die häufig in einer eher traditionell organisierten Partnerschaft leben, sind Familie und mobile Berufstätigkeit selten ein unüberwindbares Hindernis. Die Mobilität beeinflusst auch die Kontakte zu Freunden und das ehrenamtliche Engagement negativ: Fast jeder fünfte Mobile muss beim Ehrenamt zurückstecken.

„Mobilität nach Maß“

Als nachteilig für die Freizeitgestaltung und die Beziehung zum Partner oder zur Partnerin und zum Kind wirken sich vor allem die Arbeitszeiten aus. Wer häufig von Berufs wegen unter der Woche außer Haus ist, erlebt gravierende Nachteile im Privatleben. Noch immer betrachten Arbeitgeber die Probleme, die sich für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch die Mobilität ergeben, meist als Privatangelegenheit. Nur wenige Arbeitgeber bieten einen gesonderten betrieblichen Arbeitsablauf an. Unterstützung jedweder Form, sei es durch flexiblere, zeitlich limitierte oder reduzierte Arbeitszeiten, durch Kinderbetreuungsangebote oder Partnermobilität, fehlte von Seiten der Arbeitgeber in den meisten Fällen.

Bundesministerin Bergmann betont: „Mobilitätsanforderungen und familiäre Bindungen haben in unserer Gesellschaft gleichermaßen an Bedeutung gewonnen. Wer viel herumkommt, wünscht sich ein stabiles Zuhause. Die Menschen dürfen daher nicht gezwungen werden, sich für Beruf oder Familie entscheiden zu müssen – sie brauchen und wollen beides, um in Einklang leben zu können. Denn immer mehr Frauen wollen nicht auf eine eigene Karriere zugunsten des Partners verzichten, und immer mehr Männer wünschen sich eine aktive Rolle in ihrer Familie. Dafür gilt es, den sozialen Rahmen zu schaffen. Mit den Gesetzen zu Elternzeit und zur Teilzeit hat die Bundesregierung die Optionen für Eltern und Beschäftigte erweitert, Beruf und Familie besser zu vereinbaren.

Nun sind vor allem die Unternehmen gefordert, Maßnahmen einer Work&Life-Balance für die Mobilen und ihre Familien anzubieten. Arbeitszeit und -ort lassen sich heute oftmals besser den Wünschen der Pendler oder Umziehenden anpassen; betriebliche Unterstützung bei der Kinderbetreuung und der Arbeitsplatzsuche für den mit-mobilen Partner erleichtern die Entscheidung für Mobilität. Die Anstrengungen lohnen sich: Wer hier kreative und maßgeschneiderte betriebliche Lösungen für die Mobilen, ihre Partner und ihre Kinder bereit hält, wird mit zufriedenen und effektiven Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern belohnt.“

Die Studie „Berufsmobilität und Lebensform – Sind berufliche Mobilitätserfordernisse in Zeiten der Globalisierung noch mit Familie vereinbar?“ ist im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit erstellt worden.

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Pressemitteilung

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