Tarifpolitik zu Frauen, Familie und Beruf

In einer Vielzahl von Tarifverträgen gibt es konkrete Bestimmungen zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zur beruflichen Gleichstellung von Frauen und Männern. Trotzdem bleiben noch erhebliche Defizite.

„Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände schöpfen die Möglichkeiten der Tarifpolitik bei weitem nicht aus“, sagte der Leiter des WSI-Tarifarchivs in der Hans-Böckler-Stiftung, Dr. Reinhard Bispinck. Gleichstellung und Vereinbarkeit sind das Schwerpunkthema im aktuellen WSI-Tarifhandbuch 2005, das Bispinck in Berlin vorstellte.

Positive Einzelregelungen zu Gleichstellung und Vereinbarkeit reichen von der allgemeinen Zielsetzung, Frauen bei Einstellungen oder Beförderungen die gleichen Chancen zu einzuräumen, bis zu konkreten Anforderungen, bei Bedarf die individuelle Arbeitszeit an die Öffnungszeiten von Einrichtungen zur Kinderbetreuung anzupassen (siehe Tabelle und Beispielsammlung).

Die Mehrzahl dieser Regelungen, das ergibt die WSI-Analyse im Tarifhandbuch*, stammen aus den neunziger Jahren. „In letzter Zeit ist eher ein beunruhigender tarifpolitischer Stillstand festzustellen“ bilanzierte Dr. Reinhard Bispinck. „Wir brauchen einen neuen tarifpolitischen Aufbruch in Sachen Gleichstellung und Familienfreundlichkeit“, forderte der WSI-Tarifexperte. Es sei wichtig, dass Regelungen zur Gleichstellung und zur Familienfreundlichkeit in mehr Tarifverträge aufgenommen würden. Gleichzeitig sei eine höhere Rechtsverbindlichkeit nötig.

Positive Regelungsbeispiele zur Gleichstellung aus einzelnen Tarifverträgen:

  • „Entscheidendes Ziel ist, dass die Frauen in der Lage sind, ihre Berufschancen in gleicher Weise wie die Männer zu realisieren. Gerade im Bereich der Führungspositionen ist bei Einstellungen ebenso wie bei Beförderungen darauf zu achten, dass Frauen die gleichen Chancen wie Männer erhalten.“ (Chemische Industrie)
  • Die Tarifparteien wollen „durch eine Sicherung der Chancengleichheit von Männern und Frauen und eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den Betrieben zur Förderung der Berufstätigkeit und der beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten insbesondere von Frauen beitragen“. (Bankgewerbe)
  • Die Personalpolitik „soll dazu dienen, auf eine ausgewogene Struktur der Beschäftigtenanteile von Männern und Frauen hinzuwirken“. (Deutsche Telekom AG)
  • „Im Rahmen der Aus- Fort- und Weiterbildung werden Frauen in Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert sind, besonders gefördert.“ (Deutsche Bahn AG)
  • In Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen, die auf Vorgesetztenpositionen vorbereiten, „ist die Thematik ,Gleichberechtigung von Mann und Frau’ aufzunehmen“. (Gesellschaft für Bremer Immobilien mbH)

Positive Beispiele zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf:

  • ArbeitnehmerInnen während der Kindererziehungszeit soll Gelegenheit gegeben werden, „an betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen und kurzfristige Vertretungen zu übernehmen“. (Metallindustrie Bayern)
  • Wenn Beschäftigte, deren Kinder in Kindertagesstätten oder bei Tagesmüttern untergebracht sind, Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit flexibel gestalten wollen, „so ist dem im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten Rechnung zu tragen“. (Metallindustrie Nordwürttemberg-Nordbaden)
  • Der Arbeitgeber hat „bei der Anordnung von Mehrarbeit auf berechtigte Belange des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen, insbesondere im Hinblick auf unbeaufsichtigte Kinder“. (Einzelhandel NRW)

Quelle: Christina Klenner, Gleichstellung von Frauen und Männern und Vereinbarkeit von Familie und Beruf – Eine Analyse von tariflichen Regelungen in ausgewählten Tarifbereichen, in: WSI-Tarifhandbuch 2005, Frankfurt/Main, S. 41 – 65.

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Karin Rahn idw

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