Billige Indexfonds mit verborgenen Risiken

Chemnitzer Börsen-Experte warnt: Die niedrigen Verwaltungsgebühren bei Exchange Traded Funds sind ein Kaufargument, allerdings können sie zu Lasten der Dividende gehen – Forderung nach mehr Transparenz und „ALDI“-Qualitäten

Börsennotierte Indexfonds, so genannte Exchange Traded Funds, haben im vergangenen Jahr große Erfolge verzeichnet. Im harten Wettbewerb der Banken wurden die schon niedrigen Jahresgebühren von rund 0,4 Prozent in diesem Jahr weiter auf unglaubliche 0,15 Prozent gesenkt. Im Vergleich dazu müssen die Anleger bei üblichen Fonds mit ein bis zwei Prozent Gebühren plus einmalige Ausgabeaufschläge von drei bis sechs Prozent rechnen. „Die Entwicklung ist wirklich sensationell“, sagt Prof. Dr. Friedrich Thießen. Allerdings sei das, was billig ist, nicht immer auch gut, bewertet der Chemnitzer Professor für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre. Er warnt: „Die niedrigen Gebühren werden teilweise dadurch erzielt, dass die Banken risikoreichere Management-Techniken anwenden und Verluste von der Dividende abziehen, ohne dass es der Kunde bemerkt.“

In den Mittelpunkt seiner Analyse stellt Börsen-Experte Prof. Thießen das Management von Indexfonds. In einem Näherungsverfahren, dem „Proxy-Hedging“, wird hierbei das verfügbare Fondsvermögen nicht völlig identisch mit dem Index angelegt, sondern es werden nur 95 bis 97 Prozent des Indexes nachgebildet. Dieses Proxy-Portfolio wird so zusammengestellt, dass seine Wertentwicklung dem Index voraussichtlich möglichst nahe kommt. „Dadurch werden Verwaltungskosten verringert, weil das Fonds-Management weniger Positionen verwaltet und eine erhebliche Anzahl von Transaktionen einsparen kann“, so Prof. Thießen. Was aber, wenn sich unter den drei bis fünf Prozent der Aktien, die quasi außen vor bleiben, besonders erfolgreiche Werte befinden? „Das wäre Pech für die Anleger, denn sie haben nichts davon. Im Gegenteil: Relativ zum Index kommt es im verfügbaren Fonds-Vermögen zu Verlusten, die vollkommen zu Lasten der Anleger gehen“, erläutert der Finanzwissenschaftler der TU Chemnitz. „Die Banken schließen in ihren Verkaufsprospekten ordnungsgemäß aus, dafür aufzukommen. Sie garantieren nicht, den Index auch wirklich zu erreichen, sondern versprechen nur, sich zu bemühen.“

Grundsätzlich sei gegen das kostensparende „Proxy-Hedging“ rechtlich und kaufmännisch nichts einzuwenden, findet Prof. Thießen. Aber er bemängelt fehlende Transparenz. Um schlechte Indexfonds herauszufiltern, könnte sich der Anleger zwar ein eigenes Bild davon machen, wie der Zusammenhang zwischen eigentlicher Index- und tatsächlicher Fonds-Entwicklung in der Vergangenheit gewesen sei und somit solche Fonds, die häufig hinter dem Index zurückblieben, meiden. Die großen Internet-Finanzportale lassen solche Analysen ganz einfach zu. „Doch diese Überprüfung ist nicht einfach, denn zumeist sehen die Verkaufsprospekte vor, dass negative Wertentwicklungen des Fonds durch Abzweigungen von den jährlichen Dividenden aufgefüllt werden. So sieht der Kurs im Nachhinein immer hervorragend aus. Dass der Anleger dies mit dem Verzicht auf Dividenden selbst bezahlt hat, steht dann nur im Rechenschaftsbericht.“

Wer sich also für Indexfonds interessiert, sollte zunächst einen Blick in den jeweiligen Rechenschaftsbericht werfen, empfiehlt der Chemnitzer Professor für Finanzwissenschaft und Bankbetriebslehre. Und er fordert: „Indexfonds-Anbieter sollten in Zukunft nicht nur über die Verwaltungskosten, sondern auch über die Ausschüttungsquoten berichten.“ So manchem Anleger wären seiner Meinung nach etwas höhere Verwaltungskosten lieber, wenn dafür das Risiko, dass die Dividende ausfällt, geringer wäre. Ob die Indexfonds so etwas wie „ALDI“-Qualitäten mitbringen, sei noch offen: „Früher galten ALDI-Produkte häufig als billig und schlecht, heute gelten sie oft als billig und gut. Bei der Beurteilung der Indexfonds scheint diese Frage noch nicht ganz geklärt zu sein.“

Media Contact

Dipl.-Journ. Alexander Friebel Technische Universität Chemnitz

Weitere Informationen:

http://www.tu-chemnitz.de

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