Krise passé: Deutsche Banken gehen auf Expansionskurs

Die Topmanager deutscher Kreditinstitute geben sich selbstbewusst: Die Kostenprobleme sind weit gehend überwunden, und nun soll es auf Expansionskurs gehen. Bis 2006 will jede vierte Bank fusionieren oder akquirieren. Auch die zuletzt stiefmütterlich behandelten Filialen rücken wieder ins Zentrum des Geschehens. Erste Institute planen bereits, das Netz ihrer Niederlassungen wieder zu erweitern. Jeder dritte Topentscheider der Branche erwartet, dass sich die Lage der Institute bis 2006 besser entwickelt als die Gesamtwirtschaft. Das ergibt der aktuelle „Branchenkompass Kreditinstitute 2004“, eine Studie von Mummert Consulting und dem F.A.Z.-Institut.

Basis der Untersuchung ist eine jährliche Forsa-Umfrage unter 100 Topmanagern der Branche. Demnach hat sich die Stimmung in der Finanzwirtschaft deutlich aufgehellt. 2002 und 2003 waren die Pessimisten stark in der Überzahl, doch nun erwartet mit gut einem Drittel der größte Teil der Banker, dass sich die Branche in den kommenden drei Jahren besser entwickelt als die übrige Wirtschaft. Das Verhältnis hat sich damit im Vergelich zum Vorjahr genau umgekehrt.

Besonderer Optimismus herrscht bei den Bausparkassen. Angesichts des niedrigen Zinsniveaus und der weiterhin unsicheren Börsenlage sind Bausparverträge für viele Kunden eine interessante und sichere Alternative zum Sparen. Für private und öffentliche Bausparkassen war bereits das Jahr 2003 mit 4,3 Millionen Neuabschlüssen ein Rekordjahr, und laut den Befragten rechnen sie in diesem Jahr mit keiner Verschlechterung. Die pessimistischsten Angaben kommen derweil von den Sparkassen: Mit rund einem Viertel ist der Anteil der Skeptiker in dieser Gruppe deutlich höher als im Gesamtschnitt von 18 Prozent. Hintergrund ist, dass die Entscheider der Sparkassen sich wegen des Endes zahlreicher staatlicher Garantien Sorgen um ihren Sektor machen.

Grundsätzlich aber gilt: Das Wettbewerbsklima bleibt rau. Zwar haben die Kreditinstitute in jüngster Zeit durch Abschreibungen und Kapitalerhöhungen ihre Bilanzen, durch Personalabbau und Rationalisierung ihre Kostenstruktur entlastet. Doch das deutsche Dreisäulenprinzip drückt weiterhin die Preise und verhindert zugleich eine nachhaltige Konsolidierung. Die Trennung von Sparkassen, Genossenschaftsbanken und frei agierenden Instituten hält den Markt in einer künstlichen Ruhe, auch wenn vor allem die Landesbanken beginnen, bevorzugt in Kooperation mit den Sparkassen nach neuen Geschäftsmodellen zu suchen.

Das Ergebnis: Im Jahr 2002 bezeichneten die Entscheider die Kosten als größtes, im Vorjahr als zweitgrößtes Problem. Jetzt aber beherrschen die Themen Wettbewerb und Vertrieb das Ranking der größten Sorgen. Beide Themen werden mit 27 und 23 Prozent vor den Kosten am häufigsten genannt. Die Kreditrisiken, im Vorjahr noch das Branchenproblem Nummer eins, sind gänzlich aus dem Fokus gerückt. Sie landen mit 18 Prozent nur an vierter Stelle. Grund: Die Kreditvorsorge sinkt, viele Banken haben ihre Portfolios bereinigt und halten sich mit neuen Darlehen zurück.

Besonderen Druck verspürt die Branche angesichts der Konkurrenz aus dem Ausland. Die Institute dort arbeiten effizienter und profitabler als hier zu Lande. Nur jeder dritte deutsche Topentscheider meint, dass die Bankenbranche in Zukunft bei Profitabilität und Effizienz gegenüber dem Ausland „deutlich“ aufholen werde. Die geringe Rentabilität und damit auch Attraktivität deutscher Institute ist allerdings umgekehrt ein Grund dafür, dass vier von fünf Entscheidern nicht erwarten, dass ausländische Banken deutsche Institute in den kommenden drei Jahren übernehmen werden.

Der Fokus der Kreditinstitute verschiebt sich vom Kostenabbau zu Wachstum und Gewinnsteigerung. Dabei setzte die Deutsche Bank mit ihrem Gewinnziel von 25 Prozent Eigenkapitalrendite vor Steuern ein Signal für die Branche.

Aber: Die Phase des stillen Wachstums dürfte nur kurz währen. Derzeit herrscht in der Branche bei Fusionen und Übernahmen eine Art brüchiger Burgfriede. Ein Drittel der Institute hat bereits Fusionen oder Übernahmen im Kerngeschäft umgesetzt, und aktuell stehen solche Maßnahmen nur bei weniger als jeder zehnten Bank an. Allerdings: Jedes vierte Haus plant bereits wieder Schritte, um sich mit anderen Instituten zusammenzuschließen oder sie zu übernehmen. Der Kauf der SchmidtBank durch die Commerzbank und deren Interesse an der BHF-Bank kündigen die Bewegung an, und insgesamt wird bis 2006 jedes zweite Kreditinstitut wenigstens einmal an Fusionen oder Übernahmen im Kerngeschäft beteiligt gewesen sein. Für den gewachsenen Optimismus in der Branche spricht, dass sie den Konzentrationsprozess nicht als bedrohlich betrachtet: Nur jedes zehnte Institut sieht in der Branchenkonzentration ein Problem. Für alle anderen Topmanager überwiegen die Chancen.

Um die Chancen nutzen zu können, ist eine Voraussetzung nötig: Die deutschen Kreditinstitute dürfen in Sachen Rendite nicht weiter im internationalen Vergleich zurückfallen. Den Weg zu größeren Gewinnen soll der Vertrieb ebnen: Hier sind bis 2006 die größten Investitionen geplant. Rund jede zweite Bank hat vor, in den kommenden drei Jahren mehr in Vertrieb und Kundenmanagement zu investieren als bisher. Kaum ein Entscheider plant, diese Posten zu verkleinern. Mit einem Drittel sieht der mit Abstand größte Teil der Entscheider in einem verbesserten Vertrieb auch das beste Mittel, sich den größten Herausforderungen der nächsten drei Jahre zu stellen.

Den Schwerpunkt innerhalb des Vertriebs bildet laut der Studie die Beratung: Während Online-Kunden kaum Margen verheißen, haben die Institute die individuellen Gespräche in der Filiale als Quelle für renditeträchtigere Geschäfte entdeckt. Nahezu 90 Prozent der Kreditinstitute wollen die persönliche und individuelle Kundenberatung bis 2006 verbessern. 53 Prozent wollen zudem den Außendienst stärken oder überhaupt erst aufbauen. Auch der Filialvertrieb – in den vergangenen Jahren eher stiefmütterlich behandelt – wird modernisiert: Mehr als ein Drittel der Banken wollen hier „stark“, 7 Prozent sogar „sehr stark“ investieren. Knapp jedes zehnte Institut will sogar wieder neue Niederlassungen eröffnen.

Für den „Branchenkompass Kreditinstitute“ hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa im April und Mai dieses Jahres 100 Führungskräfte aus 100 der größten Kreditinstitute Deutschlands zu den Branchentrends, Strategien und Investitionszielen bis 2006 befragt. Die Auswertung und Analyse erfolgten durch Experten von Mummert Consulting und F.A.Z.-Institut. Die befragten Entscheider vertreten die wichtigsten deutschen Bankengruppen: Sparkassen, Genossenschaftsbanken, Großbanken, Regionalbanken, Direktbanken und andere Kreditbanken sowie die Bausparkassen und Hypothekenbanken. Die Institute gehören zu der Gruppe der nach Bilanzsumme größten Kreditinstitute in Deutschland. Die Studie ist für 75 Euro unter www.mummert-consulting.de erhältlich.

Media Contact

Joerg Forthmann Mummert Consulting

Weitere Informationen:

http://www.mummert-consulting.de

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