Rentenmarkt: Veränderte Zinslandschaft

Bereits zum zweiten Mal binnen zwölf Monaten sehen sich die internationalen Rentenakteure mit einem grundlegend revidierten Anlageszenario konfrontiert. Über den Erwartungen liegende Konjunkturdaten in den USA, ein absehbares Ende der Politik ultraniedriger Leitzinsen sowie der endgültige Wechsel vom Deflations- in den Inflationsmodus gaben den Renditen in den vergangenen Wochen unter richtungsweisender Tendenz der amerikanischen Festverzinslichen massiv Auftrieb. Zwar erreichen die bisherigen Renditeaufschläge seit dem März-Tief noch nicht die Werte, die von Juni bis August 2003 (USA +150, Euroland +90 Basispunkte) registriert wurden. Mit einem Verzinsungsanstieg innerhalb von 8 Wochen um gut 90 Basispunkte bei 10-jährigen US-Treasuries auf 4,8 Prozent zeigt sich jedoch deutlich der Aufwärtsdruck auf die Renditen. Die als europäische Benchmark fungierenden Bundesanleihen rentierten im gleichen Zeitraum um 66 Basispunkte höher bei 4,3 Prozent.

Trotz derzeit glänzender Konjunktur in den USA kommen vermehrt Sorgen auf, der starke Ölpreisanstieg, erhöhte Zinsbelastungen sowie das rekordhohe Handelsbilanzdefizit könnten zu einer Abschwächung beitragen. Insbesondere aber die seit März sichtbar gewordene Beschäftigungsdynamik spricht dagegen, dass die US-Wirtschaft als eine der treibenden Kräfte hinter der weltwirtschaftlichen Entwicklung vor einer nachhaltigen Eintrübung der Wachstumsperspektiven steht. Auch der Euroraum präsentierte zuletzt ein deutlich wachstumsfreundlicheres Bild, obschon die Betonung hier noch immer auf einer nur moderaten Erholung liegt. Immerhin aber legten Deutschland und Italien beim Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal um jeweils 0,4 Prozent gegenüber Vorquartal zu, Frankreich expandierte um 0,8 Prozent. Im Gegensatz zu Frankreich, wo sich auch eine deutliche Belebung des Privaten Verbrauchs zeigte, gibt hierzulande vorerst nur der Außenhandel spürbare Impulse. Insgesamt ist jedoch die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass Deutschland im Jahresverlauf eine gewichtigere und aktivere Rolle für das Wachstum in Euroland spielen kann.

Gesamtwirtschaftliche Risiken sind mit Blick auf die hochdefizitäre US-Handelsbilanz, eine mögliche Wachstumsdrosselung in China sowie die hohen Ölpreise zwar keineswegs entkräftet. Und auch potenzielle Inflationsgefahren, die selbst in Euroland zum Thema geworden sind (April-Jahresteuerung in Frankreich von +1,9 auf +2,4 Prozent beschleunigt, Deutschland +1,6 nach +1,1 Prozent) werden insbesondere hierzulande noch als begrenzt eingestuft. Steigende Leitzinsen einerseits und andererseits Risiken für die Zinsstruktur nicht zuletzt aus einer weiteren Aufweichung des europäischen Stabilitätspaktes lassen derzeit aber eine heftige Gegenbewegung der längerfristigen Renditen nach dem zuletzt starken Anstieg unwahrscheinlich erscheinen. Investoren sollte der zunächst deutlich moderater erwartete Zinsauftrieb vielmehr Gelegenheit geben, sich in dem veränderten Zinsumfeld zu positionieren. Ungeachtet der gestiegenen Attraktivität länger laufender Papiere empfiehlt es sich, mit einer deutlichen Laufzeitausdehnung noch etwas abzuwarten.

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Stefan Steib LRP

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