Konjunkturprognose für 2004: Deutliche Belebung

Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) bestätigt seine Konjunkturprognose, wonach das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2004 um 1,8% wachsen wird. Die Bereinigung der Statistik wird dazu führen, dass die Zahl der Arbeitslosen im nächsten Jahr trotz einer zurückgehenden Zahl von Beschäftigten leicht sinken wird. Der Finanzierungssaldo wird mit -3,6% in Relation zum BIP erneut die Obergrenze des Maastrichter Vertrages erheblich überschreiten. Zwar haben sich die Abwärtsrisiken der Prognose seit der letzten RWI-Prognose im Juli verringert, globale Ungleichgewichte bergen jedoch nach wie vor ein beträchtliches Risiko.

Die Konjunktur in Deutschland hat sich in der zweiten Hälfte dieses Jahres belebt. Anregungen gingen allerdings – trotz der Aufwertung des Euro – allein vom Ausland aus. Die Inlandsnachfrage hingegen sank leicht, insbesondere wegen rückläufiger Ausrüstungsinvestitionen. Der private Verbrauch nahm nur wenig zu. Alles in allem stagnierte 2003 das reale Bruttoinlandsprodukt. Die Beschäftigung verringerte sich dabei weiter, wenn auch langsamer als zuvor. Die Zahl der Arbeitslosen ging gleichwohl seit der Jahresmitte saisonbereinigt etwas zurück, in erster Linie aufgrund von Bereinigungen der Statistik. Bei alledem blieb das Preisklima ruhig.

Der weltwirtschaftliche Aufschwung hat sich inzwischen deutlich gefestigt. In den Vereinigten Staaten wächst die Wirtschaft sehr kräftig. Bei steigender Industrieproduktion und Beschäftigung steht die Expansion auf breiter werdender Basis, selbst wenn der überaus hohe Zuwachs des BIP von – annualisiert – mehr als 8 % im dritten Quartal eine Ausnahme gewesen sein dürfte. Auch die asiatischen Länder und die Reformländer in Mittelosteuropa wachsen recht robust. Vor allem aber hat sich die Konjunktur in der EU, und damit auf dem wichtigsten Absatzmarkt für deutsche Waren, wieder belebt. So stehen die Zeichen für ein Anhalten des Exportaufschwungs günstig, trotz der Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar.

Der private Verbrauch wird sich 2004 nur vorübergehend ausweiten

Die Impulse durch die steigenden Ausfuhren greifen nach und nach auf die Inlandsnachfrage über und lassen insbesondere die Ausrüstungsinvestitionen wieder zulegen. Der private Verbrauch wird wegen der Entlastung durch die zweite und die vorgezogene dritte Stufe der Einkommensteuerreform vorübergehend etwas anziehen, im Verlauf des Jahres allerdings nur verhalten expandieren, weil es zur Finanzierung der Steuerreform zu Einschnitten bei Transfers und Subventionen kommen dürfte. Abzuwarten bleibt, wie weit es der Finanzpolitik gelingt, das Vertrauen der Verbraucher und Investoren zurück zu gewinnen. Der Staatsverbrauch wird aufgrund der Sparzwänge in den öffentlichen Haushalten und wegen der Gesundheitsreform voraussichtlich stagnieren. Für den Baubereich erwarten wir, dass die Talfahrt gestoppt ist. Das reale BIP wird unter diesen Annahmen 2004 um 1,8 % höher ausfallen als in diesem Jahr; allerdings wird er Anstieg dadurch überzeichnet, dass 2004 mehr Arbeitstage zur Verfügung stehen, was allein schon rein rechnerisch das BIP um ½ % erhöht.

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt wird sich voraussichtlich erst allmählich bessern, da viele Unternehmen zunächst Kurzarbeit vermindern, Arbeitszeitkonten und Überstunden nutzen, bevor sie neue Arbeitskräfte einstellen. Die neuen Instrumente der Arbeitsmarktpolitik – insbesondere Personalserviceagenturen und Förderung von Minijobs – dürften bei anziehender Konjunktur zwar deutlich stärker in Anspruch genommen werden als in diesem Jahr. Jedoch wird dies nicht verhindern können, dass die Zahl der Erwerbstätigen im Jahresdurchschnitt nochmals leicht sinkt. Die Zahl der Arbeitslosen geht gleichwohl zurück, weil die Bereinigung der Statistik fortgeführt wird. Die Inflationsrate dürfte 2004 etwas höher liegen als in diesem Jahr, u.a. wegen der Maßnahmen zur Finanzierung der Gesundheitsreform; in der Grundtendenz bleibt das Preisklima aber ruhig.

Steuerreform schwächt restriktive Finanzpolitik ab

Bei dem erwarteten Wirtschaftswachstum und aufgrund des Vorziehens der dritten Stufe der Steuerreform wird das Budgetdefizit 2004 nur wenig sinken; der Finanzierungssaldo wird nach unserer Einschätzung mit -3,6 % in Relation zum BIP erneut die Obergrenze des Maastrichter Vertrages erheblich überschreiten. Defizit mindernd wirken Einsparungen bei Personalausgaben und Transfers sowie der Abbau von Steuervergünstigungen und Subventionen, vermindert wird der Restriktionsgrad der Finanzpolitik jedoch durch die Steuerreform.

Alles in allem haben sich die Abwärtsrisiken der Prognose was das internationale Umfeld angeht gegenüber der Einschätzung von Juli dieses Jahres verringert. Ein nach wie vor beträchtliches Risiko bergen aber die globalen Ungleichgewichte. Insbesondere dürfte sich das hohe Außenhandelsdefizit der USA eher noch vergrößern. Dies kann in Verbindung mit deren ebenfalls wachsendem Budgetdefizit – anders als in dieser Prognose unterstellt – eine kräftige und abrupte Abwertung des Dollar oder eine protektionistischere Handelspolitik der USA nach sich ziehen. Beides würde die Weltwirtschaft erheblich belasten.

Wachsende Zuversicht, aber kein Grund zum Jubeln

Die deutsche Wirtschaft blickt nun zuversichtlicher in die Zukunft. Die Weltwirtschaft expandiert kräftiger, als noch vor einiger Zeit angenommen. Dies ließ hierzulande fast alle Erwartungsindikatoren nach oben schnellen. Doch für überschäumende Hoffnungen gibt es keinen Anlass: Impulse kommen erneut überwiegend aus dem Ausland, die Binnennachfrage hingegen wächst weiterhin nur sehr schwach.

Nun ist es an der Wirtschaftspolitik, die Weichen für eine höhere Wachstumsdynamik in Deutschland zu stellen. Die Bundesregierung hat in der „Agenda 2010“ Strukturreformen angekündigt, realisiert werden konnte indes bisher wenig. Auch plant die Regierung, die Senkung der Einkommensteuer auf 2004 vorzuziehen. Damit versucht sie, wachstums- und konjunkturpolitischen Zielen gerecht zu werden, aber auch Nachfrageausfällen aufgrund der Strukturreformen zumindest kurzfristig entgegen zu wirken. Im Grundsatz ist eine solche Strategie sinnvoll. Langfristiges Ziel muss aber eine nachhaltige Senkung der Staatsquote sein, und dies ist mit niedrigeren Steuern und Abgaben alleine nicht zu erreichen, sondern es müssen auch Einschnitte bei den Ausgaben erfolgen.

Hier jedoch liegt die Schwachstelle der Finanzpolitik: Sie konnte bislang kein glaubwürdiges Konzept für eine Senkung der konsumtiven Staatsausgaben – also von Subventionen, Steuervergünstigungen und Transfers – durchsetzen. Dies ist aber dringend erforderlich, um zu verdeutlichen, wie der Haushaltsfehlbetrag auf mittlere Sicht spürbar reduziert und gleichzeitig wachstumspolitisch gebotene Investitionen in Bildung und Infrastruktur erhöht werden sollen.

Wird ein solches Konzept bald verabschiedet, dann kann in der gegenwärtigen konjunkturellen Situation ein nochmaliges Überschreiten des Defizit-Kriteriums von Maastricht in Kauf genommen werden. Bleibt die Politik ein solches Konzept schuldig, dann wäre der Stabilitätspakt nicht nur beschädigt, sondern dies wäre sein Ende.

Ansprechpartner: Dr. Roland Döhrn, Tel.: (0201) 81 49-262

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Sabine Weiler idw

Weitere Informationen:

http://www.rwi-essen.de

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