Deutsche Biotech-Branche steht wirtschaftlich und politisch am Scheideweg

Die junge deutsche Biotech-Branche steckt wirtschaftlich und politisch in einer schwierigen Phase: 2002 waren erstmals seit Mitte der 90er Jahre alle wichtigen Kennzahlen mit einem Minuszeichen versehen. Gleichzeitig kommt die kommerzielle Verwertung des Potenzials der Grünen Biotechnologie in der Landwirtschaft aufgrund politischer Blockaden kaum einen Schritt voran. „Das Gründungsfieber der früheren Jahre ist verflogen, die Zeichen stehen jetzt auf Konsolidierung“, erklärte Prof. Peter Stadler, Vorsitzender der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB), vor Journalisten in Frankfurt.

In Europa kann Deutschland zwar mit 360 Firmen (-1 Prozent) weiterhin die größte Zahl der Unternehmen mit maximal 500 Mitarbeitern vorweisen, fällt aber bei einigen wirtschaftlichen Kennzahlen im Vergleich zu anderen Ländern zurück oder rangiert nur auf einem mittleren Platz. So besitzen etwa die in der Schweiz ansässigen 130 Unternehmen deutlich mehr Wirkstoffe für neue Medikamente in den wichtigen klinischen Phasen. In Großbritannien erwirtschaften weniger Firmen den vierfachen Umsatz. Stadler stuft die Situation der deutschen Biotech-Branche im entscheidenden Segment Gesundheit daher als „kritisch“ ein. Zwar steigen Umsätze und Marktanteile gentechnisch hergestellter Medikamente auf dem heimischen Pharmamarkt, davon kommt aber nur ein kleiner Teil aus inländischer Produktion. „Ein echter Durchbruch bei der Entwicklung von marktreifen Wirkstoffen aus Deutschland lässt weiter auf sich warten“, stellte der DIB-Vorsitzende fest.

Trotz der durchgehend negativen Werte für die Branche in 2002 – der Umsatz schrumpfte um 3 Prozent auf gut 1 Milliarde Euro, die Forschungsaufwendungen verringerten sich um 11 Prozent auf rund 1,1 Milliarden Euro – bleibt Stadler optimistisch: „Ich bin sicher, dass die deutschen Biotech-Unternehmen aus dieser Konsolidierungsphase gestärkt hervorgehen werden.“

Große Schwierigkeiten hat die Branche in Deutschland, mit der Grünen Gentechnik Fuß zu fassen. Unternehmen und Fachkräfte wandern ins Ausland ab, Existenzgründer können kaum noch Finanzmittel einwerben. Während nach einem fünfjährigen Zulassungsstopp auf EU-Ebene nun alle rechtlichen Rahmenbedingungen für einen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in Europa sowie einenem Import entsprechender Produkte etabliert sind, sieht sich die Branche im eigenen Land vom Bundesministerium für Verbraucherschutz und Landwirtschaft aus rein ideologischen Gründen blockiert. „Frau Künast sucht immer wieder neue Ansätze, um die Nutzung der Grünen Gentechnik zu erschweren oder völlig zu verhindern“, betont Dr. Harald Seulberger, Mitglied im Vorstand der DIB. In den Bundesministerien für Bildung und Forschung sowie für Wirtschaft und Arbeit werde die Gentechnik dagegen als Schlüsseltechnologie für Medizin, Landwirtschaft und Umwelt eingestuft.

Die Blockadepolitik aus dem Landwirtschaftsministerium sieht Seulberger auch bestätigt bei der überfälligen Umsetzung der EU- Freisetzungsrichtlinie in deutsches Recht. So werde etwa von Künast geplant, im Internet in einem Ortsregister die genaue Lage der Felder mit gentechnisch veränderten Pflanzen und den Namen des anbauenden Landwirts zu veröffentlichen. „Diese Maßnahme“, so Seulberger, „kommt einem staatlich sanktionierten Service für militante Gentechnikgegner gleich, der zu entsprechenden Aktionen einlädt.“ Landwirte, die gentechnisch veränderte Pflanzen zu Versuchszwecken anbauten, hätten schon in der Vergangenheit entsprechende Erfahrungen machen müssen, die von Besetzung der Felder, über Zerstörung der Kulturen bis hin zum Vergiften des Bodens reichten.

Weltweit werden zurzeit auf knapp 60 Millionen Hektar gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut. Seit 1996 wächst die Anbaufläche jährlich um etwa 10 Prozent. Knapp 6 Millionen Landwirte in 16 Ländern bauen gentechnisch verbesserte Pflanzen an. Die Ergebnisse waren durchweg positiv und haben immer wieder gezeigt: Gentechnisch veränderte Pflanzen und ihre Produkte sind mindestens genauso sicher wie konventionell gezüchtete. Dreiviertel dieser Landwirte sind Kleinbauern in Schwellen- und Entwicklungsländern. Dagegen gibt es in Europa lediglich in Spanien einen nennenswerten Anbau von gentechnisch verändertem Mais auf einer Fläche von etwa 25.000 Hektar.

In Spanien und in anderen Teilen der Welt hat sich gezeigt, dass die Koexistenz der verschiedenen Anbauformen machbar ist. Dabei ist entscheidend, dass der Landwirt die Möglichkeit haben muss, für seinen Betrieb und seine Produktionsbedingungen selber zu entscheiden, welche Anbaumaßnahmen effizient, kostenwirksam und praktikabel sind, um die gewünschten Produktqualitäten zu erzielen.

Nach Ansicht von Seulberger besteht trotz aller Schwierigkeiten immer noch eine Chance, das Label „Green Biotechnology made in Germany“ zu einem Gütezeichen für Wissenschaft, Wirtschaft und Landwirtschaft zu machen. „Aber dafür brauchen wir jetzt eindeutige politische Signale und politisches Leadership – hier blicke ich auch auf den Bundeskanzler. Der Zug fährt sonst in der Grünen Biotechnologie endgültig ohne uns ab.“

Media Contact

Manfred Ritz VCI

Weitere Informationen:

http://www.vci.de

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