Die ganze Welt ist Bühne: Download-Drama in vier Akten

Die ganze Welt ist eine Bühne. Das wusste schon William Shakespeare in „Wie es euch gefällt“. Es gibt die Guten und die Bösen – oder zumindest die, die sich dafür halten oder gehalten werden. Und es gibt einen zentralen Konflikt, der häufig unaufhaltsam seinem Höhepunkt entgegenstrebt.

Am Ende stehen Sieg, Niederlage und manchmal auch Versöhnung. Gleich die ganze Welt hat Dr. Markus Giesler, Wirtschaftsabsolvent der Universität Witten/Herdecke und Marketingprofessor in Kanada, nicht untersucht – wohl aber den sieben Jahre währenden Downloadstreit zwischen Musikfans und Tonträgerindustrie. Sein Fazit: Das Drama auf der Musikmarkt-Bühne dauerte vier Akte, und das grundlegende Muster lässt sich auch auf andere Wirtschaftsbereiche übertragen. Publiziert ist die Studie „Conflict and Compromise: Drama in Marketplace Evolution“ in der Aprilausgabe des Journal of Consumer Research.

Markus Giesler lehrt und forscht seit rund vier Jahren an der renommierten Schulich School of Business in Toronto. Der 31-Jährige berät Weltunternehmen wie Apple, Sony und Bertelsmann. Mit den Recherchen zu seiner jetzt veröffentlichten Studie begann er im Rahmen seiner Diplomarbeit an der Wittener Wirtschaftsfakultät. Der gesamte Untersuchungszeitraum erstreckt sich von 1999 bis 2006. Die Ereignisse dieser sieben Jahre lassen sich, so Giesler, ihrer Struktur nach als Theaterstück deuten, als „Download-Drama“ mit dem Musikmarkt als Bühne und den Konsumenten und Produzenten als handelnden Figuren, die wegen gegensätzlicher Ziele miteinander in Konflikt geraten. „Die Hauptkonfliktlinie läuft entlang der Frage, inwieweit das Kulturgut Musik eher Eigentum ist oder eher Allgemeinbesitz“, erläutert Markus Giesler. Die unterschiedlichen Anschauungen beeinflussen das Verhalten und die Argumentation der Antagonisten.

Laut Giesler gliedert sich die, auch als „war of music downloading“ bezeichnete Auseinandersetzung zwischen den Nutzern von Online-Tauschbörsen und der Industrie in vier zeitlich aufeinanderfolgende Akte: Im ersten Akt kommt es zum Bruch mit dem Status quo. Die bestehenden Normen werden verletzt, weil die Musiktauschbörse Napster kostenlose Downloads möglich macht. Im zweiten Akt erweitert sich der Bruch zur Krise, in der sich die Gegenspieler unversöhnlich gegenüberstehen und gleichzeitig die Gratisdownloads immer populärer werden. Kennzeichnend für den dritten Akt sind die Versuche der Industrie, den Status quo wieder herzustellen – mit Anti-Downloading-Kampagnen und Strafandrohungen gegen Nutzer der Tauschbörsen. Es folgt die – vorläufig – letzte Episode: Im vierten Akt entsteht eine Art Kompromiss. Apple und andere bieten Downloads zwar legal, dafür aber kostenpflichtig an.

Markus Giesler sieht in der Abfolge von Normverletzung, Krise, Wiederherstellungsversuch und abschließendem Kompromiss ein Muster, das auch zur Beschreibung und Erklärung anderer Branchen verwendet werden kann. Dies gelte vor allem für Märkte der Medien- und Kreativwirtschaft mit Produkten wie Musik, Filmen, Software und schriftlichen Informationen. „Besonders hier weist der Wandel der Märkte die Form eines Dramas auf“, so Giesler. „Der Markt wird dabei zur Bühne, auf der die Akteure, Konsumenten und Produzenten, nach immer gleicher Dramaturgie um die ökonomische und kulturelle Struktur des Marktes ringen und ihre Ziele verfolgen. Manche werden dabei zu Helden, und andere bleiben auf der Strecke.“

Markus Gieslers Studie wurde mit dem „Schulich Fellowship in Research Achievement“ ausgezeichnet. Seine These der „marketplace dramas“ findet in Nordamerika große Resonanz. Als „herausragender Marketingexperte“ (New York Times) und gefragter Interviewpartner stand Giesler auch dem Fernsehsender CNN Rede und Antwort. Die Musikbranche kennt Giesler aus eigener Erfahrung. Bevor er sich ganz der Wissenschaft zuwandte, war er als Komponist und Musikproduzent erfolgreich. „Vor rund zehn Jahren entdeckte ich meine Musik auf Napster. Ich war kurz davor, rechtliche Schritte einzuleiten, entschied mich dann aber für die Erforschung dieser Tauschbörsen und der Beziehung zwischen Konsum, Kultur und Technologie.“

Nach seinem Wittener Abschluss als Diplom Ökonom promovierte der gebürtige Iserlohner in Witten und Chicago. Bei seinem Wechsel an die Schulich School of Business der York University in Toronto war der damals 27-Jährige der jüngste Marketingprofessor Nordamerikas.

Referenz: Markus Giesler: Conflict and Compromise: Drama in Marketplace Evolution, Journal of Consumer Research, Vol. 34, April 2008, S. 739 – 753

Die Studie im Internet: http://www.marketplacedrama.com

Kontakt: Markus Giesler (zurzeit in Europa),
0151-18488855, myself@markus-giesler.com

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