In 18 von 27 EU-Ländern drohen 2011 Reallohnverluste

Im Durchschnitt der Europäischen Union dürften die Löhne pro Arbeitnhemer daher 2011 nach Abzug der Teuerung um 0,8 Prozent sinken. In Deutschland dürfte die Entwicklung 2011 zwar positiver ausfallen als bei den meisten Nachbarn.

Allerdings ist auch hier nach Abzug der in diesem Jahr relativ hohen Preissteigerung lediglich eine Stagnation der Löhne absehbar. Das zeigt der neue Europäische Tarifbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung. In Europa gingen daher von der Lohnentwicklung „derzeit kaum positive Impulse aus, um die strukturellen ökonomischen Probleme zu überwinden und eine nachhaltige Wachstumsstrategie einzuleiten“, schreibt WSI-Tarifexperte Dr. Thorsten Schulten in der neuen Ausgabe der WSI Mitteilungen.

Angesichts von Reallohnverlusten und Sparprogrammen in vielen Ländern warnt der Wissenschaftler vor einer „europaweiten Lohnsenkungsspirale“. Die Entwicklung könnte sich noch verschärfen, weil sich die europäischen Regierungen im so genannten „Euro-Plus-Pakt“ auf eine hoch problematische restriktive Lohnpolitik festgelegt hätten, so Schulten. In dem früher „Pakt für den Euro“ genannten Übereinkommen haben die europäischen Staats- und Regierungschefs Ende März unter anderem moderate Lohnsteigerungen und eine Verlagerung der Lohnbildung in die Betriebe als Wege zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit formuliert. Zudem solle durch Arbeitsmarktreformen mehr „Flexibilität“ erreicht werden. Kritiker warnen vor Eingriffen in die Tarifautonomie.

Bereits 2010 sind die realen Löhne pro Kopf in 13 EU-Staaten gesunken, macht der WSI-Experte deutlich. Am höchsten waren die Verluste in Griechenland mit 8,2 Prozent. Für dieses Jahr rechnet die EU-Kommission in ihrer Wirtschaftsprognose, die Schulten ausgewertet hat, sogar in 18 der 27 Mitgliedsländer mit Reallohnverlusten (siehe Grafik; Link unten). Hauptgründe für die verbreiteten Reallohnverluste sind die Preissteigerung von drei Prozent im EU-Durchschnitt und vergleichsweise schwache Lohnzuwächse, insbsondere in den südeuropäischen Staaten.

Für Deutschland prognostiziert die EU-Kommission für 2011 ein minimales reales Lohnwachstum von 0,1 Prozent. Die im mehrjährigen Vergleich relativ kräftige Entwicklung der nominalen Bruttolöhne von 2,7 Prozent würde danach von der Inflation weitgehend aufgezehrt. 2010 waren die Löhne in Deutschland zum ersten Mal seit 2003 real gewachsen – um ein Prozent. Die deutschen Tariflöhne haben nach den Daten des WSI, die aufgrund unterschiedlicher Methodik etwas höher ausfallen als die Tarifzahlen der Bundesbank, 2010 real um 0,6 Prozent und 2009 um 2,4 Prozent zugelegt.

„Deutschland konnte seine langjährige lohnpolitische Schlusslichtposition zwar einstweilen abgeben. Dies lag jedoch weniger an einer besonders expansiven Lohnpolitik als vielmehr daran, dass in den meisten übrigen EU-Staaten die gesamtwirtschaftliche Lohnentwicklung noch schwächer ausfiel“, resümiert WSI-Forscher Schulten den aktuellen Trend. Der Wissenschaftler hält es für sinnvoll, weitere Lohnkürzungen in den Krisenstaaten zu stoppen. Sonst sei die binnenwirtschaftliche Stagnation in diesen Ländern nicht zu überwinden, schreibt Schulten. In den wirtschaftlich starken EU-Staaten und insbesondere in Deutschland könne eine deutlich stärkere Lohnentwicklung in den nächsten Jahren dazu beitragen, die wirtschaftliche Dynamik in Europa zu erhöhen.

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Wirtschaft Finanzen

Aktuelle und interessante Meldungen und Entwicklungen aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften finden Sie hier zusammengefasst.

Unter anderem bietet Ihnen der innovations-report Berichte aus den Teilbereichen: Aktienmärkte, Konsumklima, Arbeitsmarktpolitik, Rentenmarkt, Außenhandel, Zinstrends, Börsenberichte und Konjunkturaussichten.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer