Spielend die Produktion verschlanken

Lässt sich die Liefertreue innerhalb von eineinhalb Tagen von desaströsen zwei Prozent auf fast 95 Prozent steigern? Ja – zumindest im Planspiel des IFA Production Trainings. In diesem Spiel immerhin sind diese Angaben keine Extreme, sondern Durchschnittswerte. Aber warum wird im Produktionstechnischen Zentrum, am Institut für Fabrikanlagen und Logistik (IFA), überhaupt gespielt?

„Bei vielen größeren Unternehmen stehen die Methoden der Lean Production – also der schlanken Produktion oder auch der „Produktion nach dem Toyota-Prinzip“ – hoch im Kurs“, erklärt Thomas Frädrich, Schulungsleiter und Ingenieur am IFA, „aber eine Umstellung ist zum Scheitern verurteilt, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Produktion und Montage nicht mitziehen. Für diese Firmen haben wir das Production Training entwickelt, bei dem idealerweise zwölf Mitarbeiter in vier Spielrunden selbst erleben, wie sich Arbeit und Abläufe in einer kleinen, realitätsnahen Montagestrecke mit Lager, Rechnungswesen und allem, was dazu gehört, durch Lean Production verändern – und natürlich verbessern.“

Seit gut zehn Jahren ist diese schlanke Produktion hierzulande auf Erfolgskurs. Die eigentlich sehr einfachen Ideen, die im Mittelpunkt stehen, werden mit ihren japanischen Originalbezeichnungen benannt: „Muda“ bezeichnet Arten der Verschwendung, „Kaizen“ ist der Prozess der ständigen Verbesserung, der dazu führen soll, Verschwendung zu vermeiden. Zur Verschwendung zählen hohe Lagerbestände, lange Wege, Überproduktion, Wartezeiten und auch Produktionsfehler. Der Materialfluss läuft über ein sogenanntes „Kanban“-System: Nachgelagerte Arbeitsgänge entnehmen bei einem vorgelagerten nur das gerade benötigte Teil in der benötigten Menge zum benötigten Zeitpunkt.

Was man in der Lean Production deshalb nicht findet, sind „Kisten mit einem Laufzettel und zehn bearbeiteten Teilen darin und jemand, der mit einem Inventarzettel herumläuft und guckt, wo Schrauben fehlen“, sagt Frädrich. Die Alternative? Spätestens in der vierten Spielrunde, der letzten eines Production Trainings, wissen die Mitspieler, wie es mit einfachen Mitteln besser geht: Jeder, der Schrauben verbraucht, hat zwei Behälter mit anfangs gleicher Anzahl Schrauben am Arbeitsplatz stehen und leert nur einen Behälter. Steht schließlich ein leerer Behälter am Arbeitsplatz, signalisiert er: Hier wird Nachschub gebraucht. Und ein bearbeitetes Teil steht im sogenannten One-Piece-Flow der nächsten Bearbeitungsstation sofort zur Verfügung. So kann außerdem schneller auf Kundenbedarf reagiert werden.

Natürlich ist es nicht einfach, eine ganze Produktion auf solche Prinzipien umzustellen. Aber es funktioniert. Toyota hat es bewiesen, und in Deutschland steht der Name „Festool“ für den Erfolg – und übrigens auch auf den Akkuladegeräten, die in der Montageeinheit des Production Trainings zusammengebaut werden: Festool, das schwäbische Unternehmen für Elektrowerkzeuge, hat mit dem IFA zusammen die „Spielstation“ entwickelt. In seiner Fabrik setzt es die Methoden seit zehn Jahren selbst konsequent in die Praxis um und ist bereits für seine Produktion, seine Montage und zuletzt 2008 in der Gesamtwertung als Fabrik des Jahres vom Fachmagazin „Produktion“ ausgezeichnet worden.

Mit den beiden nächsten Production-Training-Terminen betritt das IFA jetzt Neuland. Bislang haben Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum die Trainings exklusiv für eigene Mitarbeiter gebucht. Institutsleiter Prof. Peter Nyhuis erklärt das neue Angebot: „Wir gehen davon aus, dass auch die Geschäftsführerin oder der Produktionsleiter kleinerer Unternehmen Interesse an den Methoden und Potenzialen der Toyota-Produktion haben. Wir bieten ihnen an, erste Erfahrungen in einer praxisnahen Umgebung zu machen- ganz ohne unternehmerisches Risiko.“

Die beiden ersten offenen Trainings kosten pro Person jeweils 540 Euro und finden am 27./28. August und 26./27. November 2009 statt; Anmeldeschluss ist jeweils einen Monat vorher. (Für weitere Informationen und Anmeldungen siehe Kontakt unten sowie die Website http://www.ifa.uni-hannover.de/fileadmin/IFA/Industrieprojekte/Flyer_IFA_Production_Training.pdf

Zum Produktionstechnischen Zentrum Hannover (PZH):
Das PZH ist 2004 aus der Idee der Leibniz Universität Hannover entstanden, Hochschulforschung, Industrie und Unternehmen der Produktionstechnik zusammenzusammenzubringen. So haben sich jene sechs Institute der Fakultät für Maschinenbau, die sich mit Produktionstechnik und Logistik beschäftigen, gemeinsam mit der PZH GmbH und zahlreichen Unternehmen zum Produktionstechnischen Zentrum Hannover zusammengeschlossen. Die GmbH als Universitätstochter übernimmt neben der Verwaltung des neuen Zentrums in Garbsen zahlreiche Aufgaben im Bereich Technologietransfer und Gründerberatung. Zurzeit arbeiten im PZH etwa 450 (Ingenieur-)Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen und Angestellte in Technik und Verwaltung; außerdem rund 400 studentische Hilfskräfte. Das PZH ist eine Lehr- und Forschungsstätte, in der Grundlagen- und industrielle Auftragsforschung gleichermaßen auf höchstem, internationalem Niveau betrieben werden. Seit 2004 hat das PZH mehr als 85 Millionen Euro Drittmittel eingeworben.

Media Contact

Dr. Stefanie Beier idw

Weitere Informationen:

http://www.ifa.uni-hannover.de

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