Industrie 4.0: Intelligente Fördertechnik macht die Produktion flexibler

Flexibler als jedes Fließband: Eine solche Fördermatrix kann mehrere Produkte gleichzeitig in unterschiedliche Richtungen bewegen oder auch drehen. ITA<br>

An diesem Ziel arbeiten die Ingenieure des Instituts für Integrierte Produktion Hannover (IPH) in einem neuen Forschungsprojekt. Gemeinsam mit Projektpartnern aus Industrie und Wissenschaft wollen sie Produktionsprozesse flexibler machen und so an der vierten industriellen Revolution mitarbeiten, der Industrie 4.0. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Die starre Produktion am Fließband könnte bald der Vergangenheit angehören. Künftig könnte intelligente Fördertechnik darüber entscheiden, zu welcher Maschine ein Produkt gebracht wird. Förderbänder könnten mit der Maschine sprechen und ihr beispielsweise mitteilen, welches Bauteil als nächstes festgeschraubt werden muss. Und sie könnten flexibel auf Störungen reagieren.

Wenn heute eine einzige Maschine ausfällt, steht meist die ganze Produktion still. Schließlich ist genau festgelegt, auf welcher Route das Produkt die Fabrik durchläuft und in welcher Reihenfolge die einzelnen Produktionsschritte erledigt werden müssen. In der flexiblen Fabrik der Zukunft finden die Produkte wie von selbst den besten Weg.

Ist eine Maschine durch einen anderen Auftrag belegt oder wird gerade gewartet, so bestimmt ein Verbund aus intelligenter Fördertechnik situationsabhängig eine neue Route zu einer alternativen Maschine. Staus und Produktionsausfälle könnten dadurch vermieden werden.

Voraussetzung ist allerdings, dass alle Maschinen, Förderbänder und Flurförderzeuge miteinander vernetzt werden – und dass sie miteinander kommunizieren können. Wenn beispielsweise der Gabelstapler ein Produkt an einen Gurtförderer übergibt, soll er ihm mitteilen, um welches Produkt es sich handelt und zu welcher Maschine es gebracht werden soll. Das Förderband bringt das Produkt dann dorthin und gibt die Informationen wiederum an die Maschine weiter.

Technologien zur intelligenten Vernetzung gibt es bereits, bisher fehlt jedoch eine einheitliche Kommunikationsschnittstelle. Maschinen, Förderbänder und Fahrzeuge sind in ganz unterschiedlichen Sprachen programmiert und können sich nicht direkt miteinander verständigen. Hier setzt das Forschungsprojekt an: Die Ingenieure des IPH wollen eine einheitliche Sprache entwickeln, eine Art Esperanto für die Fabrik.

Die Gigatronik Technologies GmbH aus Ulm entwickelt parallel ein dezentrales Vernetzungsmodul, das in jede Maschine, jedes Flurförderzeug und jedes Förderband integriert werden kann und das die spezifische Maschinensprache in die Einheitssprache ProductionML übersetzt. So können alle Elemente des Produktionssystems miteinander kommunizieren und Informationen weitergeben.

Dass die Produkte am Ende wie von selbst die beste Route durch die Fabrik finden, daran arbeiten weitere Projektpartner unter Federführung der Lenze SE, einem Hersteller von Elektromotoren aus Aerzen. Ziel ist es, eine Fördermatrix zu entwickeln und zu konstruieren, die Produkte völlig flexibel verteilen kann (siehe Grafik). Möglich machen das zahlreiche Förderelemente, die sich unabhängig voneinander bewegen und dadurch mehrere Produkte gleichzeitig in unterschiedliche Richtungen verschieben oder auch drehen können.

Das Zusammenspiel mehrerer dieser Förderelemente in einem Matrixverbund ermöglicht neben dem Transport von Produkten zusätzlich auch die Funktionen Sortieren, Ausschleusen, Orientieren, Puffern und Vereinzeln. Zur Koordination des komplexen Zusammenspiels dieser Förderelemente wird keine zentrale Steuerung benötigt, sondern die einzelnen Rollen bestimmen untereinander die optimale Route. Damit ist die Fördermatrix deutlich flexibler als ein herkömmliches Fließband.

Die Antriebstechnik, um jedes dieser Förderelemente einzeln anzutreiben und zu steuern, entwickelt die Lenze SE. Das Institut für Transport- und Automatisierungstechnik (ITA) der Leibniz Universität Hannover schreibt die Algorithmen, die zur selbstständigen Routenführung nötig sind, und die Dream Chip Technologies GmbH implementiert diese in die Hardware.

Die Transnorm System GmbH baut schließlich einen Prototypen der Fördermatrix, der dann bei verschiedenen Anwendungspartnern getestet werden soll – unter anderem bei der Continental Automotive GmbH. Mit ihrer Praxiserfahrung aus der Produktion hilft sie von Anfang an dabei, die Anforderungen an das System zu definieren und später zu überprüfen.

Das Forschungsprojekt „Vernetzte, kognitive Produktionssysteme (netkoPs)“ ist am 1. November 2013 gestartet und läuft drei Jahre. Im Rahmen des Forschungsprogramms „Industrie 4.0“ wird es vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und vom Projektträger Karlsruhe betreut. Von den Forschungsergebnissen sollen produzierende Unternehmen aus allen Branchen profitieren: Mit dem Vernetzungsmodul und der Fördermatrix lassen sich nach dem Willen der Forscher sowohl bestehende Anlagen nachrüsten als auch neue Fabriken planen. Fabriken, die mitdenken.

Media Contact

Susann Reichert idw

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