Fakten und Prognosen: Mobilität von morgen

Parkplatzmangel und Staus kosten Zeit, Geld und Nerven und verschmutzen die Umwelt. Mehr als die Hälfte der Menschheit wohnt heute in Städten, ein zusätzliches Viertel pendelt von den Speckgürteln hinein ins Stadtzentrum. Ein Leben ohne Verkehrsinfrastrukturen ist nicht mehr vorstellbar.

6.400 Milliarden Euro – fast 1.000 Euro pro Erdbewohner – wurden 2010 weltweit für den Transport von Menschen und Waren ausgegeben, betont die jüngste Mobilitätsstudie von McKinsey. Das Beratungsunternehmen Frost & Sullivan errechnete allein für Deutschland die volkswirtschaftlichen Kosten der Staus jährlich auf 17 Milliarden Euro.

Droht uns der Verkehrsinfarkt? Denn die Entwicklung geht weiter: 2050 werden rund 9,5 Milliarden Menschen auf der Erde leben, davon gut 6,5 Milliarden in urbanen Zentren – heute sind es erst 3,5 Milliarden Städter.

Explosives Wachstum im Transportvolumen

Doch die Menschen tummeln sich nicht nur in den Städten, sie sind auch insgesamt mehr auf Achse. Sie reisen geschäftlich, vom Wohnort zur Arbeit oder in den Urlaub. So legten die Europäer in 2010 rund 5.600 Milliarden Kilometer mit dem Auto, Bus und Bahn oder mit Flugzeug und Schiff zurück. Der Personenverkehr hat in den EU-Ländern seit 1990 um ein Drittel zugelegt und wird laut Prognosen der Europäischen Kommission bis zum Jahr 2030 um weitere 29 Prozent ansteigen. In den USA ist die Reiserate am höchsten: Im Durchschnitt reist ein Amerikaner 25.000 Kilometer pro Jahr.

Das Mehr an Mobilität betrifft auch weltweite Warenströme: Kleidung aus Asien, Früchte aus Südamerika oder Autos aus Deutschland – der globale Handel kennt keine Grenzen. Allein der Güterverkehr in Deutschland soll bis 2050 um 116 Prozent gegenüber 2005 zunehmen, prognostiziert das Schweizer Beratungsunternehmen Progtrans. Entsprechend steigt der CO2-Ausstoß des schweren Straßengüterverkehrs, 2013 von 40 auf 100 Millionen Tonnen im Jahr 2050 – falls es keine deutlichen technischen Verbesserungen gibt.

Der Wechsel vom Auto zu öffentlichen Verkehrsmitteln

Der weltweite Güterverkehr wird bis 2030 laut World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) eine jährliche Zuwachsrate von 2,5 Prozent verzeichnen – der Personenverkehr von 1,6 Prozent. Dies gilt trotz des wachsenden Anteils älterer Menschen, denn erstens werden mehr davon berufstätig sein und zweitens sind ältere Menschen auch nach der Rente unternehmungslustiger und mobiler als noch vor ein paar Jahren, so die Studie des Instituts für Mobilitätsforschung in Berlin (IFMO).

Von den 95 Minuten, die ein Deutscher täglich aufbringt, um von A nach B zu gelangen, fährt er 50 Minuten mit dem Auto. Das Auto wird auch 2030 das dominierende Verkehrsmittel sein, meint die IFMO-Studie. Besonders groß wird der Nachholbedarf für China eingeschätzt: Kamen vor vier Jahren 47 Autos auf 1.000 Chinesen, werden es in 19 Jahren bereits 270 sein.

Doch zugleich sieht sich die Autoindustrie mit den größten Umwälzungen ihrer Geschichte konfrontiert: Steigende Ölpreise, strenge CO2-Richtlinien, Umweltzonen, emissionsbedingte Fahrverbote, die Citymaut und der Trend zum Carsharing verändern das traditionelle Verhältnis zum Auto. Das IFMO hat festgestellt, dass das Auto vor allem in der Generation der 18- bis 30-Jährigen seine Anziehungskraft verliert.

Viele Menschen steigen auf öffentliche Verkehrsmittel um. Nach Prognosen der Internationalen Gesellschaft für Öffentlichen Personenverkehr wird sich der Marktanteil des ÖPNV bis 2025 im Vergleich zu 2009 weltweit verdoppeln. Das Beratungsunternehmen Oliver Wyman befragte 3.000 Personen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Shanghai und Singapur, wie sich ihr Mobilitätsverhalten unter bestimmten Voraussetzungen ändern würde.

Bei einem Szenario mit einem Benzinpreis von 2,50 Euro pro Liter und einem besser ausgebauten ÖPNV lag die Umsteigerquote bei 40 Prozent. Bei vier Euro pro Liter Benzin und zusätzlicher Autobahn- und Citymaut würden sogar 77 Prozent der Befragten das Auto stehen lassen. Studenten sind mit 86 Prozent am ehesten zum Umstieg bereit.

Mieten statt Kaufen

Für die junge Generation ist das Smartphone wichtiger als das eigene Auto. Ein Auto auf Abruf und „mobility on demand“-Angebote, die flexible Nutzung verschiedenster Verkehrsmittel, entspricht ihren Wünschen mehr. Carsharing-Mietflotten gibt es heute in über 1.100 Städten weltweit, in 26 Ländern und auf fünf Kontinenten. Nach Frost & Sullivan gab es in 2013 weltweit rund drei Millionen Carsharing-Mitglieder und 70 000 Fahrzeuge. Bis 2020 wird die Zahl der Mitglieder weltweit voraussichtlich auf 26,2 Millionen Mitglieder ansteigen.

In Deutschland nutzen immerhin schon über 2,5 Prozent der Städter das Angebot – und nach der McKinsey-Studie könnte es in neun Jahren bereits ein Drittel sein. BMW und Mercedes vermelden mit ihren Mietflotten „drive now“ und „car2go“ ebenfalls stetig wachsende Nutzerzahlen.

2013 gab es weltweit rund drei Millionen Carsharing-Mitglieder und 70 000 Fahrzeuge. Bis 2020 wird die Zahl der Mitglieder weltweit voraussichtlich auf 26,2 Millionen Mitglieder ansteigen.

Bis 2020: Vier Milliarden Passagiere mit dem Flugzeug unterwegs

Mit der künftigen Integration von Elektrofahrzeugen könnten sich die Fahrgemeinschaftsdienste zu einer der wichtigsten nachhaltigen Mobilitätslösungen entwickeln.

Auch Straßen-, U- und Eisenbahnnetze werden weltweit weiter ausgebaut. China möchte etwa sein Eisenbahnnetz von derzeit 86.000 auf 120.000 Kilometer im Jahr 2020 erweitern. Am stärksten wachsen die Märkte im Güter- wie im städtischen Schienenverkehr im Nahen Osten, Lateinamerika sowie Russland und anderen GUS-Staaten.

Mit den aufstrebenden Regionen Asiens und Südamerikas wird auch der Seehandel anwachsen – mit großen Auswirkungen auf Schadstoff- und Treibhausgas-Emissionen. Laut der Studie Green Shipping der HypoVereinsbank liegt der Anteil der Handelsseeschifffahrt am weltweiten CO2-Aufkommen bereits zwischen vier und fünf Prozent.

Bis 2020 wird der Schiffsverkehr um 60 Prozent und der CO2-Ausstoß um bis zu 72 Prozent zunehmen, schätzt die Internationale Maritime Organisation. In der Luft ist Ähnliches zu erwarten: Jede Sekunde landet irgendwo auf der Welt ein Flugzeug, und in den nächsten 19 Jahren könnte sich die Anzahl der Maschinen laut einer Marktprognose von Airbus nochmals verdoppeln.

Vier Milliarden Passagiere werden 2020 mit dem Flugzeug auf Reisen gehen, schätzt die deutsche Luftfahrtbranche. Ein einziger Langstreckenflug kann schon so viel CO2 verursachen, wie ein Jahr lang Auto fahren. Deswegen müssen in Zukunft die Flugzeuge, die Antriebe und der gesamte Flugbetrieb verbessert werden.

Ziel der International Air Transport Association ist es, ab 2020 ein CO2-neutrales Verkehrswachstum zu ermöglichen und die Emissionen im Jahr 2050 gegenüber 2005 zu halbieren. Schon heute verursacht der Verkehr mit 22 Prozent fast ein Viertel des CO2-Ausstoßes und ist damit global der zweitgrößte Emissionstreiber. Acht Gigatonnen CO2 pusten Autos, Lastwagen, Schiffe und Flugzeuge weltweit in die Luft – die USA sind mit zwei Gigatonnen der größte Verschmutzer. Fast drei Viertel davon stammen aus dem Straßenverkehr, das restliche Viertel verteilt sich auf Bahn, Flugzeuge und Schiffe.

In der Europäischen Union entfallen etwa ein Fünftel der gesamten CO2-Emissionen auf den Straßenverkehr – mit einem Wachstum von fast 23 Prozent zwischen 1990 und 2010. Und bis 2050 könnte sich die Zahl der Autobesitzer weltweit fast verdreifachen, der Lkw-Transport verdoppeln und der Flugverkehr vervierfachen. Damit könnten die CO2-Emissionen laut den Berechnungen der Internationalen Energieagentur bis 2050 um fast 90 Prozent auf 14,9 Gigatonnen steigen. Emissionsarme Motoren sowie hocheffiziente und stark vernetzte Verkehrslösungen sind daher das Gebot der Stunde.

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Silke Weber Siemens Research News

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