Neuer "Stresstester" für Schweizer Strassen

Bevor der zwölf Meter lange und drei Meter hohe Koloss allerdings auf Schweizer Strassen eingesetzt wird, muss er in den nächsten drei Monaten unter den Augen der Empa-Experten beweisen, dass er kann, was er verspricht: Strassen starkem Stress aussetzen, so dass ihre Beläge in Windeseile altern und verschleissen.

„Diese Maschine ist weltweit ein Unikat – und wir haben ihren Bau initiiert, sagt Manfred Partl nicht ohne Stolz. Partl leitet die Empa-Abteilung Strassenbau/Abdichtungen, die unter anderem widerstandsfähige, dauerhafte und lärmarme Strassenbeläge erforscht, entwickelt und testet.

Schliesslich soll eine Strasse mindestens dreissig Jahre halten, ohne als Dauerbaustelle lästige Staus zu verursachen. Vor allem der Wechsel von Hitze und Frost setzt einer Strasse zu. Sind die Temperaturunterschiede extrem und fallen die Temperaturen weit unter den Gefrierpunkt, zieht sich der Asphalt zusammen und reisst. Auf viel befahrenen Strecken drohen zudem gefährliche Spurrinnen, die bei Regen zu Aquaplaning und Unfällen führen können.

Von der Idee zur mobilen Grossanlage

Die Idee, eine Grossversuchsanlage zur beschleunigten Verkehrslastsimulation zu beschaffen, entstand im Jahr 2004. Der neue Simulator sollte die alte Asphalt-Testanlage der ETH auf dem Empa-Gelände ersetzen. Ein wichtiger Anspruch an die neue Anlage: Sie sollte mobil sein und so den Strassencheck vor Ort ermöglichen. Waren bislang gewissermassen die Strassen zur Empa gekommen – die Empa-Fachleute untersuchten aus Strassen herausgeschnittene Stücke, um den Sanierungsbedarf zu ermitteln -, lassen sich nun mit dem neuen mobilen Simulator ganze Strassen im Schnellverfahren testen. Die Riesenmaschine namens „MLS10“ simuliert mit Hilfe von vier Lasträdern, die auf einer Schiene rund um die Uhr über den Asphalt rollen, 6000 Überfahrten pro Stunde. „Eine Strassenabnutzung, wie sie an einer stark befahrenen Strasse wie der Zürcher Rosengartenstrasse innerhalb eines Jahres passiert, schafft unsere Maschine in etwa zwei Wochen“, erklärt Partl. Das ist der ultimative Stresstest.

Gebaut wurde die Maschine von einer südafrikanischen Firma in Kapstadt nach Plänen der Universität von Stellenbosch, die ersten Tests liefen in Mozambique. Zusammen mit dem Institut für Geotechnik der ETH Zürich initiierte Partls Team ein Forschungsprojekt, das vorsieht, die Versuchsanlage zu evaluieren und bei guten Resultaten möglicherweise in der Schweiz zu etablieren. Partl und sein Kollege Markus Caprez von der ETH waren in Mozambique, als der Prototyp im Einsatz war, um ihn auf Herz und Nieren zu prüfen. Ihr Urteil: Exzellent im Strassenverschleiss, aber die Maschine machte einen Höllenlärm. „Die hätten wir so niemals in der Schweiz betreiben können“, sagt Partl. Nachdem die Südafrikaner ein Gehäuse aus Stahl und Lärmschutzmatten um das dröhnende Herz der Maschine gelegt hatten, durfte der Koloss in die Schweiz einreisen.

Praxistest auf Schweizer Autobahn

„Nun hoffen wir, dass er unsere guten Schweizer Strassen tüchtig martert“, sagt Partl. Der Strassenabschnitt, auf dem die Maschine ab September eine Dauerbefahrung simulieren wird, befindet sich auf einer Verlängerung der Oberlandautobahn in Höhe Hinwil. „Der Verkehr wird durch die Versuche nicht beeinträchtigt“, so Partl weiter. Nach zwei Wochen soll das Ausmass der Zerstörung erstmals ausgewertet werden. Wie lange der Simulator in Hinwil zu tun haben wird, hängt davon ab, wie lange er braucht, um das Stück Strasse zu zerstören. Maximal zwei Monate, glaubt Partl, wird es dauern.

Erfüllt der Riesensimulator in der Probephase die Anforderungen, ist er so gut wie gekauft und wird dann gemeinsam von der Empa und dem Institut für Geotechnik der ETH betrieben. Mit einem durchaus anspruchsvollen Aufgabenportfolio: Das Gerät soll zum einen bestehende Strassenbeläge überprüfen. Schliesslich sind die Strassen das längste Bauwerk der Schweiz. Allein für die 1600 Kilometer Nationalstrassen fallen jährlich etwa drei Milliarden Franken für Reparatur- und Erhaltungskosten an. „Der Simulator hilft uns, die Restlebensdauer des Asphalts zu ermitteln“, so Partl. Daraus lässt sich dann der optimale Zeitpunkt für eine Sanierung ableiten, so dass eine Strasse über mehrere Jahre weiterhin glatt und rissfrei bleibt. Ein enormes Sparpotenzial.

Ausserdem soll mit Hilfe des Simulators die Erforschung neuer Baustoffe und Beläge Aufschwung erhalten. Offenporiger Asphalt zum Beispiel, im Volksmund als Flüsterasphalt bekannt, besitzt viele Vorteile gegenüber herkömmlichem Asphalt. Er ist weniger lärmig beim Überfahren und Regen saugt er auf wie ein Löschblatt. Allerdings befürchten Experten, aufgrund bisheriger Erfahrungen, dass er mechanisch weniger widerstandsfähig und dauerhaft ist als klassischer Asphaltbeton. Mit Hilfe der Grossanlage lassen sich zudem weitere leistungsfähige Strassenbeläge – beispielsweise armierte oder wiederverwendete Altbeläge – unter realen Verkehrs- und Klimabedingungen entwickeln und evaluieren. Der Dino, wie ihn Partl nennt „schafft die Möglichkeit, rasch und kostengünstig mit neuen Strassenbelägen auf veränderte Verkehrs-, Klima- und Umweltanforderungen zu reagieren. Mit unserem bisherigen Minisimulator war das nur sehr beschränkt möglich.“

Fachliche Informationen:
Prof. Dr. Manfred Partl, Strassenbau/Abdichtungen, Tel. +41 44 823 41 13, manfred.partl@empa.ch
Redaktion:
Dr. Sabine Borngräber, Kommunikation, Tel. +41 44 823 4916, sabine.borngraeber@empa.ch

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Weitere Informationen:

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