Störungen sind wie Herzattacken

Gemeinsam mit der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V. und der Bundesvereinigung Logistik (BVL), Regionalgruppe Rhein, veranstaltete der Fachbereich Logistikmanagement der Europäischen Fachhochschule (EUFH) ein spannendes Unternehmergespräch zum Thema Fehlfunktionen und Risikomanagement in Lieferketten. Mehr als fünfzig Vertreter von namhaften Unternehmen aus der Industrie und dem Dienstleistungssektor, aber auch interessierte Gäste von anderen Hochschulen waren nach Brühl zur EUFH gekommen, um sich über Ansätze zur Identifizierung oder Instrumente zur Bewertung von Lieferkettenstörungen auszutauschen und Strategien zur Absicherung gegen sie zu diskutieren.

Die Schmalenbach-Gesellschaft hat sich die Pflege von Beziehungen und den intensiven Erfahrungsaustausch zwischen Wirtschaftswissenschaftlern und Führungskräften aus der Wirtschaft auf die Fahnen geschrieben. Diesem Zweck dienen auch die in verschiedenen Regionen und zu bestimmten Themen stattfindenden Unternehmergespräche. Diesmal hatte die Veranstaltungsreihe mit der Europäischen Fachhochschule einen Partner, der mit seinem dualen Studienkonzept ebenso auf die enge Verzahnung von Theorie und Praxis setzt.

Dr. Christian Femerling, Sprecher der BVL Regionalgruppe Rhein und zugleich externer Dozent an der EUFH, führte die Gäste durch einen hoch interessanten Nachmittag, der das Thema aus ganz unterschiedlichen Perspektiven beleuchtete. Einen theoretischen Überblick gab zunächst Prof. Dr. Johannes Wolf, Dekan für Logistikmanagement an der EUFH, bevor Dr. Harald Gerking, Geschäftsführer von Woolworth Logistics in Frankfurt, Bernd Suedel, Manager Supply Chain Management bei den Ford-Werken in Köln und Dr. Stephan Freichel vom Vorstand der Kölner Microlog Logistics AG ihre aktuellen praktischen Erfahrungen vorstellten.

Durch die Globalisierung von Produktion und Beschaffung sind Lieferketten nicht nur effizienter, sondern auch verletzlicher geworden. Unterschiedliche Störungen können jederzeit auftreten, angefangen von Naturkatastrophen und politischen Risiken wie Putschen oder übererfüllten Importquoten über verspätete Rohstofflieferungen und Insolvenzen bis hin zu veränderten Kundenwünschen. Eine US-Studie ergab, dass Lieferkettenfehlfunktionen gravierende negative Auswirkungen auf Aktienkurse, aber auch auf Umsatzwachstum, Gewinnentwicklung und Gesamtkosten haben. Kleine Unternehmen sind davon in der Regel noch stärker betroffen als große. Für alle besteht aber die Gefahr der Abwanderung von Kunden, deren Wünsche nicht adäquat bedient werden können. „Lieferkettenstörungen sind wie Herzattacken – sie kommen plötzlich und es dauert meist lange, sich von ihnen zu erholen“, so Prof. Dr. Wolf während der Veranstaltung.

Ganz ähnlich wie bei Herzattacken ist es aber möglich, die Risiken durch vorbeugende Maßnahmen in Grenzen zu halten. Dabei seien Kommunikation und Kooperation zwischen den beteiligten Unternehmen eine wichtige Voraussetzung. Lieferketten, in denen die Zusammenarbeit beim Risikomanagement gelingt, werden, so Prof. Wolf, ihre Stellung im Wettbewerb stärken können. Aber wo kann man bei der Vielfalt der drohenden Gefahren ansetzen? Prof. Wolf stellte beispielhaft eine Methode zur Risikoanalyse vor, bei der das geringe bis existenzgefährdende Gefahrenpotenzial für das Unternehmen und die geringe bis sehr hohe Beeinflussbarkeit die Kriterien sind. Bei dieser Variante der Portfolioanalyse geht es darum, sich auf die wirklich wesentlichen Risiken zu konzentrieren, die durch entsprechende Maßnahmen gut beeinflussbar sind. „Dabei gibt es auch die Möglichkeit der kalkulierten Inkaufnahme von Risiken, auf die man keinen Einfluss hat. Das hat nichts mit Fatalismus zu tun, sondern es ist eine ganz bewusste Entscheidung.“

Verspätungen sind die bei Woolworth am häufigsten auftretenden Lieferkettenstörungen. Das Gefahrenpotenzial ist nicht existenzbedrohend, denn durch eine Reihe von gezielten Gegenmaßnahmen hält das Unternehmen die Kosten in Grenzen. Um Pünktlichkeit zu gewährleisten, benutzt Woolworth dann schnellere Schiffe für Importe aus Fernost oder LKWs statt Binnenschiffe für Inlandswaren. Der Einsatz von kostspieligen Paketdiensten oder Luftfracht ist eher die Ausnahme. „Es ist vorteilhafter für uns, einfache Artikel bei Verspätung aus der Werbung zu nehmen“, erklärte Dr. Harald Gerking.

So einfach lassen sich Lieferprobleme bei Ford nicht aus der Welt schaffen. „Verspätungen sind schon am ersten Tag richtig teuer, wenn unter Umständen Tausende von Mitarbeitern Däumchen drehen“, berichtete Bernd Suedel aus der Praxis. „In meinem Job kann ich morgens noch nicht vorhersehen, mit welchen Risiken ich es am Nachmittag zu tun haben werde.“ Der Supply Chain Manager setzt im Risikomanagement deshalb in erster Linie auf den Teamgeist der Ford-Mitarbeiter in aller Welt und auf Datentransparenz innerhalb des Unternehmens. „Ein gutes Team mit seinen Ideen und seiner Tatkraft kann bei plötzlich auftretenden Problemen wahre Wunder bewirken. Eine Portion Glück muss allerdings immer dabei sein.“

Bevor die Teilnehmer des Unternehmergesprächs in eine lebhafte Diskussion einstiegen, sorgte Dr. Stephan Freichel vom Logistikdienstleister Microlog noch für weiteren fachlichen Input, insbesondere zur Rolle von Logistikdienstleistern in komplexen Logistikketten im Hinblick auf entsprechendes Steuerungs- und Risikomanagement. Für den einen oder anderen Gast waren an diesem Tag sicherlich neue Ideen und Werkzeuge zum Risikomanagement dabei, die zur Vermeidung zukünftiger „Herzattacken“ beitragen können.

Media Contact

Renate Kraft Europäische Fachhochschule

Weitere Informationen:

http://www.eufh.de

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