Lkw-Simulator mit Geräuschkulisse reagiert in Echtzeit

RWTH-Institut verbindet erstmals eine Fahr- und eine Verkehrsfluss-Simulation


Bisher ist eine Fahrt mit einem Lkw-Fahrsimulator meist eine recht eintönige Angelegenheit: Die vorbeiziehende Verkehrsumgebung ist häufig starr, da ihr kein ausreichen-des mathematisches Modell zugrunde liegt. Besonders die häufigen und zufälligen Bewegungen anderer Verkehrsteilnehmer blieben dabei größtenteils auf der Strecke. Auch die Wechselwirkungen, etwa zwischen dem Fahrer, der Infrastruktur, dem Fahrzeug oder den Wetterbedingungen, konnten bisher oft nicht exakt nachgebildet werden. Auf der anderen Seite stehen so genannte Verkehrsfluss-Simulationen, die mit einer erstaunlichen Genauigkeit den realen Verkehr mit all seinen Bewegungen nachbilden können. Allerdings werden bei diesen Programmen die Ergebnisse meist in Tabellen oder Diagrammen ausgegeben. Und sie integrieren den Menschen als Fahrer und seine Interaktionen mit dem Verkehr nicht in ihre Berechnungen.

Das Zentrum für Lern- und Wissensmanagement und der Lehrstuhl für Informatik im Maschinenbau Aachen (ZLW/IMA) der RWTH hat nun, in Zusammenarbeit mit der For-schungsgesellschaft Kraftfahrwesen Aachen (fka), mit dem Interactive Driving Simulator (InDriveS) die beiden Ansätze verbunden. Hier werden die Auswirkungen des Fahrver-haltens auf den umgebenden Verkehr und umgekehrt in Echtzeit wiedergegeben. Sogar eine realistische Geräuschkulisse ist für die Insassen erfahrbar. Und der Blick in einen der beiden virtuellen Rückspiegel lässt auch den nachfolgenden Verkehr nahezu realistisch erscheinen. InDriveS ist modular anpassbar und kann sowohl mit einem Lkw wie in einem Pkw betrieben werden.

Als Grundlage für InDriveS diente die vom Institut für Kraftfahrwesen der RWTH Aa-chen (ika) entwickelte Verkehrsfluss-Simulation PELOPS. Sie kombiniert detailliert das Fahrzeugverhalten mit einer Analyse des Verkehrsablaufs. Den Kern des Programms bilden die drei wesentlichen Elemente des Verkehrs: Strecke/Umwelt, Fahrer und Fahr-zeug. Beim Element Strecke/Umwelt ist eine genaue Beschreibung der Straßentopologie dargestellt. Diese beinhaltet das Höhenprofil, Kurven sowie die Anzahl und Breite der Fahrspuren. Zusätzlich werden aber auch Beschilderung, Sichtweiten oder Fahrbahnreibewerte berechnet. Beim Fahrer besteht das Programm aus einem Entscheidungs- und einem Handlungsteil. Im ersten Modul werden mittels eines Verkehrsverhaltensmodells ein Beschleunigungs- und ein Spurwechselwunsch gebildet. Im Handlungsteil wird die Absicht des Fahrers dann in die entsprechenden Bedienelemente wie Gas-, Kupplungs- oder Bremspedal sowie die Lenkradstellung übertragen. Beim Element Fahrzeug wird die Antriebskraft des Motors über Kupplung, Getriebe und Differenzial zu den Rädern berechnet, dort mit den Fahrwiderständen bilanziert. Aus der dadurch verursachten Beschleunigung und Geschwindigkeit resultiert die Motordrehzahl – unter Berücksichtigung der Elemente des Antriebsstrangs und weiterer Fahrwiederstände. Bei InDriveS sind allen konventionellen Handschalt- und Automatikgetriebe integriert.

Da allerdings PELOPS – ebenso wie andere Verkehrfluss-Simulationen – den realen Fah-rer nicht mit in die Simulation einbezieht, wurde das Programm um diese Schnittstelle erweitert. Somit ist es erstmals möglich, dass der Fahrer in die Verkehrsfluss-Simulation interaktiv eingreifen kann. Alle Fahrzeiginformationen wie Lenkbewegung, Blinken oder Bremsen, werden direkt in die Verkehrssimulation eingespeist, dort neu berechnet und über die gleiche Datenleitung zurück auf das Armaturenbrett, etwa den Drehzahlmesser, übertragen. Die neu entwickelte Software NIOBE ist eigens für die Visualisierung geschrieben worden. Sie sorgt für eine sowohl ansprechende wie auch verzögerungs-freie dreidimensionale Visualisierung des Fahrgeschehens. Die Verzögerungszeit zwischen einer Lenkbewegung und dem sich verändernden Bild ist mit einem Bildaufbau von mehr als 30 Bildern pro Sekunde so gering, dass das Auge eine flüssige Simulation erlebt. Für die Projektion der Vorderansicht wird das Bild auf eine 7,30 Meter breite und 2,80 Meter hohe Leinwand übertragen. Als Rückspiegel dienen zwei 17 Zoll-Flachbildschirme.

Aber InDriveS ist keineswegs nur als Ausbildungsmodul für zukünftige Verkehrsteilnehmer gedacht. Auch eine Anwendung in der Forschung und Automobil- oder Zulieferindustrie ist denkbar. Hier könnten neue Fahrzeugkomponenten realistisch getestet werden. Nicht zuletzt ist InDriveS auch für die Versicherungsbranche interessant: So können hier strittige Unfallsituationen nachgestellt werden. i.A. Björn Gürtler

Weitere Informationen:
Dipl.-Ing. Andreas Friedrichs
Zentrum für Lern- und Wissensmanagement und
Lehrstuhl für Informatik im Maschinenbau Aachen (ZLW/IMA)
Tel.: 0241/8091153
Email: friedrichs@zlw-ima.rwth-aachen.de

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