Zerstörungsfreie Qualitätsprüfung bei Kupplungsscheiben

Kontinuierlich steigende Anforderungen an technische Systeme fordern immer leichtere Bauteile bei zunehmenden Festigkeits- und Duktilitätsanforderungen. Die Lösung liegt nicht allein in der Entwicklung neuartiger Werkstoffe, sondern in der Kombination mehrerer Werkstoffe in der Form, dass die Eigenschaften dieses Verbundes die jeweiligen Eigenschaften der Einzelkomponenten übersteigen.

Dies führt zu den Werkstoffverbunden mit vielfältigen Schichtsystemen unterschiedlichster Werkstoffe. Eine zentrale Aufgabe für die sichere Funktion von Werkstoffverbunden kommt der Überprüfung des Fügebereichs zwischen den in der Regel verklebten Komponenten zu. Aber auch für die Systemsicherheit ist die Qualität der Fügung verschiedenster Werkstoffe von höchster Bedeutung. Luft-und Raumfahrt und Motorsport sind hier Beispiele für Anwendungsbereiche, die an die Zuverlässigkeit von Werkstoffen und Werkstoffverbunden hohe Ansprüche stellen.

Im Rahmen eines Industrieprojekts wurden am Fraunhofer IPA Untersuchungen durchgeführt, bei denen festgestellt werden sollte, ob es möglich ist, mittels zerstörungsfreier Prüfverfahren die Qualität einer Verklebung zu bestimmen. Gegenstand der Untersuchungen waren Kupplungsscheiben, an denen die Verklebung von Trägerscheiben untersucht wurde. Der Herstellungsprozess von Kupplungsscheiben läuft teilweise über einen langen Zeitraum stabil, um dann plötzlich instabil zu werden, d. h. einzelne Segmente des Kupplungsbelags lösen sich von der Trägerscheibe. Dieser Vorgang ist deshalb sehr kritisch, weil das gelöste Kupplungsträgermaterial fasrig ist. Fasern und „Belagsfetzen“ können beispielsweise Leitungen, Ventile und Steuerkanäle des Hydrauliksystems verstopfen und damit zum Ausfall der Hydraulik führen. Um diese Folgen und eine Beschädigung der Reibkupplung zu vermeiden sucht die Industrie nach zerstörungsfreien Prüfverfahren, mit denen mangelhafte Verklebungen erkannt und rechtzeitig aus dem Produktionsprozess ausgeschleust werden können.

In einer umfassenden Studie wurde untersucht, inwieweit die Fehler in der Klebeverbindung zwischen Reibbelag und Trägerscheibe mit zerstörungsfreien Prüfverfahren festgestellt werden können. Hierzu wurden fehlerbehaftete Musterkupplungsscheiben mittels Thermographie und Shearographie untersucht. Um eine optimale Fehlerdarstellung zu erhalten, wurden unterschiedliche Anregungsverfahren eingesetzt. Ziel hierbei war, festzustellen, welches Verfahren mit welcher Anregungsart für die jeweils untersuchte Kupplungsscheibe optimal geeignet ist. Hier haben sich im Wesentlichen drei Prüfmethoden als geeignet herauskristallisiert:

Wärmeangeregete Lock-in- Thermographie
Prinzip: Wärme wird in das Bauteil eingeleitet und wandert durch das Bauteil. Defekte reflektieren die Wärme, die IR Kamera detektiert am Ort des Defektes eine höhere Temperatur als am restlichen Bauteil. Im Falle einer Lock-in-Untersuchung werden nur Temperaturänderungen ausgewertet, die mit der Lock-in-Frequenz korrelieren.
Ultraschallangeregte Lock-in- Thermographie
Prinzip: Die ultraschallangeregte Lock-in- Thermographie nutzt den Effekt, dass eine in ein Bauteil eingeleitete und sich dort ausbreitende Ultraschallwelle zu Reibvorgängen an Grenzflächen führt. Diese Vorgänge sind Ursache für eine Wärmeentwicklung in diesen Bereichen, welche mit thermographischen Methoden detektiert werden kann. Auch bei dieser Methode kann das Lock-in-Verfahren verwendet werden.
Shearographie mit Wärmeanregung
Prinzip: Die Shearographie ist ein berührungsloses, interferometrisches Messverfahren, welches auf dem Prinzip der Speckleinterferometrie basiert. An optisch rauhen Oberflächen reflektierte Lichtwellen erzeugen eine charackteristische Intensitätsverteilung in der Bildebene, die man als Speckleinterferogramm bezeichnet. Shearographieuntersuchungen liefern Verformungsbilder in Form von Interferenzbildern.

Die Untersuchungen haben gezeigt, dass mittels Shearographie und Lock-in- Thermographie Fehler wie Delaminationen, Kissing Bonds oder falsche Press- und Aushärtungszeiten im Bereich der Klebeverbindung zwischen Stahlträger und Reibbelag zerstörungsfrei nachgewiesen werden können. Die Versuchsdurchführung wurde anschließend sukzessive optimiert und die Ergebnisse mit zerstörenden Tests verglichen. Hieraus ließen sich Grenzmuster definieren und die Nachweissicherheit der Prüfmethode ableiten.

Beide Methoden ermöglichen eine Qualitätskontrolle der Kupplungsscheiben in Sekundenschnelle, so dass beide Verfahren auch für eine Online-Prüfung geeignet sind. Die Untersuchungen haben außerdem gezeigt, dass die Auswahl des geeigneten Prüfverfahrens sehr stark von der konstruktiven Ausführung und den verwendeten Reibbelägen abhängig ist. Aufgrund der umfangreichen Untersuchungen an unterschiedlichen Kupplungsscheiben besitzt das Fraunhofer IPA gerade in der Auswahl der jeweils geeigneten Prüfmethode erhebliches Knowhow.

Im Rahmen der Optimierung wurde besonderes Augenmerk auf die Prüfzeit gelegt. Ein wesentliches Kriterium für die Eignung der Prüfverfahren sollte die Möglichkeit zur automatisierten Prüfung sein. Durch die Optimierung der Prüfparameter auf die typspezifischen Eigenschaften der unterschiedlichen Kupplungsscheiben konnten Prüfzeiten erreicht werden, mit denen bei einer Serienproduktion eine 100-Prozent-Prüfung möglich ist. Im Rahmen des Projekts wurden bereits die entsprechenden Konzepte für eine automatisierte Prüfanlage entwickelt.

Die Generierung automatisierter Auswertungsalgorithmen für die Fehlererkennung und die Anpassung der im Labor gewonnenen Erkenntnisse auf reale Produktionsbedingungen stehen im Mittelpunkt der nächsten Entwicklungsschritte.

Ihr Ansprechpartner für weitere Informationen:
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
Dipl.-Ing. Joachim Montnacher
Telefon: +49 711 970-3712 I montnacher@ipa.fraunhofer.de

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Hubert Grosser Fraunhofer Gesellschaft

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Dieses Fachgebiet umfasst wissenschaftliche Verfahren zur Änderung von Stoffeigenschaften (Zerkleinern, Kühlen, etc.), Stoffzusammensetzungen (Filtration, Destillation, etc.) und Stoffarten (Oxidation, Hydrierung, etc.).

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