Wertvoller Rohstoff Gülle

In der Schweine-, Geflügel- und Rinderhaltung fallen große Mengen Gülle an, die aufgrund ihres hohen Gehalts an Nährstoffen einen wichtigen Wirtschaftsdünger für die Landwirtschaft darstellt. Da die Nährstoffzusammensetzung der Gülle je nach Tierart, Futter und Lagerzeit variiert, ist eine exakt auf den Nährstoffbedarf angepasste Düngung allerdings nicht möglich.

Häufig wird daher mehr Gülle auf die Felder aufgebracht, als die Pflanzen eigentlich benötigen. Überschüssige, gelöste Nährstoffe werden ins Grundwasser und Oberflächengewässer ausgewaschen und tragen zur Eutrophierung von Gewässern bei. Auch die Tatsache, dass in der Nutztierhaltung verstärkt Antibiotika eingesetzt werden, spricht gegen das weitflächige Ausbringen der Gülle.

In dem von der EU geförderten Projekt BioEcoSIM nutzt ein Projektkonsortium mit 15 Partnern aus fünf Ländern Schweinegülle als wertvolle Rohstoffquelle. Koordiniert durch das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart wollen die Partner die Inhaltsstoffe der Gülle zu verschiedenen Düngemitteln aufarbeiten: Biokohle als phosphorreichen organischen Bodenverbesserer sowie mineralische Düngesalze wie Ammoniumsulfat, Calciumphosphat und Magnesium-Ammonium-Phosphat (Struvit).
»Die Produkte werden auf eine nach Pflanzenart und Bodenbeschaffenheit abgestimmte Nährstoffzusammensetzung vermischt und können als einfach zu dosierende Dünger in der Landwirtschaft eingesetzt werden«, erläutert Sukhanes Laopeamthong, der das Projekt am Fraunhofer IGB koordiniert. »Eine Überdüngung wird so vermieden. Zudem werden synthetische Stickstoffdünger eingespart, deren Herstellung sehr viel Energie benötigt.«

Ziel des Projekts ist eine Pilotanlage, in der alle Verfahrensschritte für die Verwertung von Schweinegülle integriert sind. Die wässrige Gülle wird zunächst in eine feste und eine flüssige Phase getrennt. »Die entwässerte, feste Phase wollen wir mit einem energieeffizienten Verfahren mittels überhitztem Wasserdampf, für das wir mit unserem Projektpartner Heckmann bereits verschiedene Anlagen realisiert haben, trocknen«, so Laopeamthong.
»Anschließend werden die getrockneten organischen Bestandteile bei über 300 °C mittels Pyrolyse – wie bei der Trocknung in einer Atmosphäre aus überhitztem Wasserdampf – zu phosphorhaltiger Biokohle als Bodenverbesserer umgesetzt«. Arzneiwirkstoffe und Keime werden hierbei zerstört. Bei der Pyrolyse entsteht zudem Synthesegas, ein Gemisch vor allem aus Methan, Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff. »Das Gas wird in einem Blockheizkraftwerk verbrannt und zur Energiegewinnung genutzt«, sagt Laopeamthong. Aus der flüssigen Güllefraktion, die noch anorganische Nährstoffe enthält, werden mit elektrochemischen Verfahren Magnesium-Ammonium-Phosphat und Calciumphosphat als direkt einsetzbare Düngesalze gefällt. Das übrig bleibende Wasser, das nur noch Spuren an Nährstoffen enthält, kann zur Bewässerung eingesetzt werden. Im Überschussdampf der Trocknung und im Gasstrom der elektrochemischen Fällung befindet sich schließlich noch Ammoniak. Es wird mittels einer gasdurchlässigen Membran selektiv abgetrennt und in Form von Ammoniumsulfat zurückgewonnen.

Nahezu alle Bestandteile der Gülle werden so verwertet. Der Energiebedarf für das Verfahren ist aufgrund der ausgewählten Technologien und der energetischen Nutzung des Synthesegases vergleichsweise gering. Die Nachhaltigkeit des Prozesses soll daher nach Standards der EU Environmental Technology Verification (ETV) evaluiert werden. »Unser Ziel ist es, dass eine nach ISO/IEC-Standard 17020 akkreditierte Organisation das Verfahren gemäß Überprüfungsprotokoll des EU General Verification Protocol (GVP) als bestverfügbare Technologie für die Gülleverwertung bewertet«, fasst Laopeamthong zusammen.

Das Projekt BioEcoSIM »An innovative bio-economy solution to valorise livestock manure into a range of stabilised soil improving materials for environmental sustainability and economic benefit for the European agriculture« wird seit Oktober 2012 für vier Jahre im 7. Forschungsrahmenprogramm der EU gefördert (Grant Agreement No. 308637). Projektpartner neben dem Fraunhofer IGB sind Stichting Dienst Landbouwkundig Onderzoek (Niederlande), Centre de Recerca i Innovació de Catalunya (Spanien), die Universität Hohenheim (Deutschland), Centro Technologico Agrario y Agroalimentario (Spanien), Acondicionamiento Tarrasense Associacion (Spanien), Gospodarstwo Rolne Jacek Śliwka (Polen), Biocompostajes Españoles S.L. (Spanien), Dofco BV (Niederlande), YFlow Sistemas y Desarrollos SL (Spanien), Initial Projects Limited (Großbritannien), Geltz Umwelttechnologie GmbH (Deutschland), Agroenergie Hohenlohe GmbH (Deutschland), ASB Grünland Helmut Aurenz GmbH (Deutschland) und Heckmann Maschinenbau und Verfahrenstechnik GmbH (Deutschland).

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Verfahrenstechnologie

Dieses Fachgebiet umfasst wissenschaftliche Verfahren zur Änderung von Stoffeigenschaften (Zerkleinern, Kühlen, etc.), Stoffzusammensetzungen (Filtration, Destillation, etc.) und Stoffarten (Oxidation, Hydrierung, etc.).

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Trenntechnologie, Lasertechnologie, Messtechnik, Robotertechnik, Prüftechnik, Beschichtungsverfahren und Analyseverfahren.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Bakterien für klimaneutrale Chemikalien der Zukunft

For­schen­de an der ETH Zü­rich ha­ben Bak­te­ri­en im La­bor so her­an­ge­züch­tet, dass sie Me­tha­nol ef­fi­zi­ent ver­wer­ten kön­nen. Jetzt lässt sich der Stoff­wech­sel die­ser Bak­te­ri­en an­zap­fen, um wert­vol­le Pro­duk­te her­zu­stel­len, die…

Batterien: Heute die Materialien von morgen modellieren

Welche Faktoren bestimmen, wie schnell sich eine Batterie laden lässt? Dieser und weiteren Fragen gehen Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit computergestützten Simulationen nach. Mikrostrukturmodelle tragen dazu bei,…

Porosität von Sedimentgestein mit Neutronen untersucht

Forschung am FRM II zu geologischen Lagerstätten. Dauerhafte unterirdische Lagerung von CO2 Poren so klein wie Bakterien Porenmessung mit Neutronen auf den Nanometer genau Ob Sedimentgesteine fossile Kohlenwasserstoffe speichern können…

Partner & Förderer