Überwachung von Beizbädern in der Stahlindustrie

Erst nach dem Beizen kann Stahl weiter umgeformt oder oberflächenveredelt und zum Beispiel für die Herstellung von Erzeugnissen aus dem Karosserie- oder Metallbau verwendet werden. Die zum Einsatz kommenden Beizbäder bestehen aus verdünnten Säuren, zum Beispiel Salzsäure oder Schwefelsäure, oder aus Säuregemischen wie HNO3/HF oder H2SO4/H3PO4/HF. Oft werden diesen Mischungen noch Beschleuniger und weitere Hilfsstoffe zugesetzt, welche den Vorgang optimieren und deutlich beschleunigen.

Durch das Beizen werden zwar Verunreinigungen von der Stahloberfläche entfernt, die dazu notwendigen Säuren greifen jedoch auch die Metalloberfläche an und lösen einen Teil davon auf. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die prozessrelevanten Parameter wie Verweildauer, Badtemperatur und Badzusammensetzung möglichst genau kontrolliert und eingehalten werden. Nur so kann ein Beizbad wirtschaftlich und vor allem umwelt- und ressourcenschonend betrieben werden. Physikalische Parameter wie Verweildauer und Badtemperatur lassen sich leicht überwachen, wohingegen die Analyse der Badinhaltsstoffe meist aufwendiger ist und in einem analytischen Labor durchgeführt werden muss.

Die Stahlproduktion ist ein kontinuierlicher Prozess, der auch nachts und an Wochenenden abläuft. Qualifiziertes Laborpersonal steht jedoch oft nicht rund um die Uhr zur Verfügung, was die begleitende analytische Prozesskontrolle schwierig gestalten kann. Der Einsatz von Metrohm ProcessLab zur Badanalytik eröffnet an dieser Stelle neue Möglichkeiten. Denn dieses Analysensystem ist einfach zu bedienen und wird direkt im Prozessbereich aufgestellt. Alles, was der Mitarbeiter im Prozess zu tun hat, ist eine Badprobe zum ProcessLab zu bringen und das System mit einem einzigen Knopfdruck zu starten. ProcessLab analysiert die Probe vollständig automatisiert. Bereits wenige Minuten später stehen wichtige Prozessinformationen zur Verfügung. Dies bedeutet Prozessanalytik rund um die Uhr an Ort und Stelle und damit deutlich direktere und präzisere Prozesskontrolle.

Zu analysierende Prozessparameter

Jedes Beizbad besteht aus zahlreichen Inhaltsstoffen und Zusätzen, die jedoch nicht alle in gleichem Maße prozessrelevant sind. Vier dieser analytischen Parameter haben einen wesentlichen Einfluss auf den Stahlbeizprozess: die Menge an freier Säure und Gesamtsäure sowie die Eisen(II)- und Eisen(III)-Konzentrationen. Die Analyse dieser Parameter wird nachfolgend beschrieben:

Die freie Säure (FS) ist ein Maß für die zum Beizen noch zur Verfügung stehende Säure. Bestimmt wird sie durch potentiometrische Titration mit einer NaOH-Lösung bis zum Erreichen eines pH-Wertes von 4,2. Sie wird angegeben als das Äquivalent einer im Bad vorhandenen Säure; bei einem Salzsäure-Beizbad entspricht der Verbrauch an NaOH-Lösung dann einer bestimmten Menge freier Säure in g/l HCl. Da die freie Säure im Salzsäure-Beizbad mit den Metallen zu Metallchloriden reagiert und die Säurekonzentration somit während des Beizprozesses abnimmt, muss sie dem Bad wieder in Form von konzentrierter Salzsäure zudosiert werden.

Die Gesamtsäure (GS) entspricht der Gesamtmenge aus freier Säure und der Menge an bereits umgesetzter Säure. Zur Gesamtsäurebestimmung wird mit NaOH bis zum Erreichen eines pH-Wertes von 8,6 titriert. Der Gesamtverbrauch an NaOH entspricht dann dem Äquivalent an Gesamtsäure.

Die Gehalte an Fe(II) und Fe(III) in einem Beizbad sind wichtige Kenngrößen für die Prozessführung. Sie sind ein Maß für die Oxidationskraft des Beizbades und beeinflussen somit Beizdauer und Qualität des Prozesses wesentlich. Außerdem werden bei zu niedrigen oder zu hohen Eisen-Gehalten die Beizen unwirksam. Häufig wird Fe(II) durch eine Titration mit Kaliumpermanganat bestimmt. KMnO4 hat allerdings den Nachteil, dass sich beispielsweise in Gegenwart von Salzsäure störendes Chlor und Chlordioxid bildet. Außerdem ist der Titer einer Kaliumpermanganatlösung nicht langzeitstabil. KMnO4 ist somit für die Routineanalytik im Prozess wenig geeignet. Dagegen eignet sich Cer(IV) sehr gut; es ist ebenfalls ein starkes Oxidationsmittel und reagiert mit Fe(II) nach folgender Gleichung:

Fe2+ + Ce4+ -> Fe3+ + Ce3+

Bei dieser Reaktion bilden sich auch in Gegenwart größerer Chloridmengen keine störenden Zwischenprodukte und die Bestimmung läuft quantitativ ab. Da Cer(IV) auch noch ausgesprochen titerstabil ist, eignet es sich hervorragend für die Fe(II)-Bestimmung in Beizbädern. Die Endpunkterkennung bei der Redoxtitration erfolgt dabei mit einer gewöhnlichen Platin-Redoxelektrode.

Neben den absoluten Konzentrationen von Fe(II) und Fe(III) ist für einen effektiven Beizprozess auch das Verhältnis der Konzentrationen Fe(II) zu Fe(III) wichtig. Es sollte immer innerhalb gewisser Toleranzgrenzen liegen. Hilfsstoffe wie zum Beispiel Wasserstoffperoxid beziehungsweise Nitrite oxidieren Fe(II) zu Fe(III) und beeinflussen somit das Verhältnis der beiden Komponenten zueinander. Nur bei einem optimalen Verhältnis von Fe(II) zu Fe(III) besitzt das Beizbad eine hohe Oxidationskraft und es lassen sich optimale Beizergebnisse erzielen.

ProcessLab im Überblick

Das hier vorgestellte ProcessLab-System bestimmt vollautomatisch die für einen reibungslosen Betrieb eines Beizbades wichtigen Parameter freie Säure und Gesamtsäure sowie die Fe(II)- und Fe(III)-Konzentrationen. Dabei wird das System in der Nähe des zu überwachenden Prozesses aufgestellt und ermöglicht eine schnelle Analyse der verschiedenen Beizbäder vor Ort. Ein ProcessLab-Analysensystem besteht immer aus einem oder mehreren für die jeweilige Applikation angepassten Analysenmodul/en und aus einer TFT-Bedieneinheit. Mit dem integrierten Touch-Screen (Option) gestaltet sich die Bedienung noch komfortabler und einfacher.

Sowohl die Bedieneinheit wie auch das Analysenmodul sind mit einem robusten, spritzwassergeschützten Gehäuse ausgestattet und somit bestens für den Einsatz im rauen Produktionsumfeld gerüstet.

Das Analysenmodul des beschriebenen Systems ist ebenfalls modular aufgebaut. Ein Titriergefäß mit Magnetrührer, eine variable und automatische Probenabmessung mittels Probenschleife und 800 Dosino sowie zwei 800 Dosino für die exakte Zudosierung der beiden Titranten Ce(SO4)2 und NaOH sind in einem Gehäuse untergebracht. Die ebenfalls vorhandenen peristaltischen Pumpen dienen zum automatischen Dosieren von Reagenzien und Hilfskomponenten und zum Spülen des Titriergefäßes. Der Anwender muss lediglich eine Badprobe nehmen und diese dem System zur Verfügung stellen. Mit einem einzigen Knopfdruck startet er dann eine Analysensequenz zur vollautomatischen Bestimmung aller vier Analysenparameter. Dazu wird die Probe automatisch abgemessen, in das Messgefäß überführt und die Konzentration des Analyten durch Titration bestimmt. Innerhalb weniger Minuten stehen alle benötigten Prozessinformationen zur Verfügung, ohne dass die Badproben zur Analyse ins Labor gebracht werden müssen.

Bestimmung der freien Säure und GesamtsäureVollautomatisch werden 2 ml Probe abgemessen, zur Maskierung des Eisens mit 20 ml Kaliumfluoridlösung (c(KF) = 3 mol/l) versetzt, demineralisiertes Wasser zudosiert und dann mit NaOH-Lösung bis zum Erreichen des pH-Wertes von 4,2 titriert. Der NaOH-Verbrauch entspricht der Menge an freier Säure im Bad. Mit einem weiteren Probenaliquot wird mit NaOH-Lösung bis zum Erreichen eines pH-Wertes von 8,6 titriert; die insgesamt verbrauchte Menge an NaOH entspricht in diesem Fall der Gesamtsäure-Konzentration im Bad.Bestimmung von Fe(II) und Fe(III)Demineralisiertes Wasser wird im Titriergefäß vorgelegt und automatisch ein Probenaliquot von 2 ml hinzudosiert. Mit einer Cer(IV)-sulfat-Lösung von c[Ce(SO4)2] = 0,1 mol/l wird gegen eine Pt-Elektrode bis zum ersten Endpunkt titriert. Der Verbrauch an Ce(IV) entspricht der Menge an Fe(II) im Beizbad.

Die Fe(III)-Konzentration wird anschließend aus der freien und Gesamtsäurebestimmung unter Berücksichtigung der cerimetrisch bestimmten Fe(II)-Konzentration ermittelt.

Fazit

Mit nur einem Analysensystem lassen sich alle relevanten Badparameter bestimmen und wichtige Prozessinformationen sammeln, die jederzeit für eine spätere Rückverfolgbarkeit des Prozesses zur Verfügung stehen und Audits erleichtern. Des Weiteren kann das System Statussignale weitergeben, beispielsweise bei der Überschreitung eines vorher definierten Grenzwerts oder einer möglichen Störung des Systems. Ohne weiteres kann aber auch die Gehaltsinformation des Bades als analoges 4…20-mA-Signal weitergeleitet werden. Durch die einfache Prozesseinbindung stehen diese Informationen dem Bedienpersonal in der Leitwarte oder dem System zur Prozessüberwachung sofort zur Verfügung. Auf Abweichungen kann unmittelbar reagiert werden und gegebenenfalls lassen sich Gegenmaßnahmen einleiten.

Mit Hilfe der integrierten Software „tiamo for ProcessLab“ kann im Falle einer Abweichung die richtige Menge fehlender Frischsäure oder Hilfsreagenz zur Nachdosierung berechnet und, wenn gewünscht, auch automatisch zudosiert werden. Dank der schnellen Verfügbarkeit der analytischen Messwerte lässt sich der Beizprozess unter optimalen Bedingungen fahren. Zum einen führt das zu einer Qualitätssteigerung beim Endprodukt, zum anderen aber auch zu einer längeren Standzeit des Beizbades unter gleichzeitiger Verringerung der laufenden Betriebskosten (geringerer Chemikalieneinsatz notwendig). Auf Grund der Kosteneinsparungen durch die effizientere Badführung und qualitativ hochwertigere Endprodukte liegen die Amortisationszeiten für ein ProcessLab-System in der Regel unterhalb von drei Jahren.

Die Qualität des Endprodukts wird wesentlich davon beeinflusst, wie gut und reproduzierbar einzelne Prozessschritte durchgeführt wurden. Das vorgestellte ProcessLab-System von Metrohm misst vor Ort vollautomatisch alle relevanten Prozessparameter eines Stahlbeizbades. Alle analytischen Daten stehen somit unmittelbar nach der Probennahme zur Verfügung. Die Menge an fehlenden Badzusätzen kann automatisch berechnet und auf Wunsch zudosiert werden. Das System bietet zahlreiche Möglichkeiten der Prozesseinbindung, so dass alle relevanten Informationen schnell an Ort und Stelle zur Verfügung stehen.

Durch den Einsatz von ProcessLab können Beizbäder wirtschaftlicher und ökologischer eingesetzt und Betriebs- und Entsorgungskosten deutlich gesenkt werden. In besonderem Maße trägt dies auch zum schonenden Umgang mit Ressourcen und der Umwelt bei.

Nachdruck aus Metrohm-Information, 37, Heft 2/2008)
Literatur
International Iron and Steel Institute (IISI), Daten für 2007, www.worldsteel.org.Metrohm Application Bulletin AB 295: Determination of Fe2+, Fe3+, total and free acid in an etching bath (steel industry), Metrohm AG, Schweiz.Weiterführende Literatur:Metrohm-Monografie: Praktikum der Titration, 2005, 164 Seiten, Metrohm AG, Schweiz.

Prozessbegleitende Analytik in der Galvanotechnik, T. W. Jelinek, 1999, 440 Seiten, Eugen G. Leuze Verlag, Saulgau.

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Verfahrenstechnologie

Dieses Fachgebiet umfasst wissenschaftliche Verfahren zur Änderung von Stoffeigenschaften (Zerkleinern, Kühlen, etc.), Stoffzusammensetzungen (Filtration, Destillation, etc.) und Stoffarten (Oxidation, Hydrierung, etc.).

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Trenntechnologie, Lasertechnologie, Messtechnik, Robotertechnik, Prüftechnik, Beschichtungsverfahren und Analyseverfahren.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Sicherheitslücke in Browser-Schnittstelle erlaubt Rechnerzugriff über Grafikkarte

Forschende der TU Graz waren über die Browser-Schnittstelle WebGPU mit drei verschiedenen Seitenkanal-Angriffen auf Grafikkarten erfolgreich. Die Angriffe gingen schnell genug, um bei normalem Surfverhalten zu gelingen. Moderne Websites stellen…

Bormangel: Raps reagiert wie bei Infektionen und Schädlingsbefall

Genetische Mechanismen aufgedeckt… Bormangel wirkt sich verheerend auf Raps und verwandte Pflanzen aus. Dennoch ist bisher wenig über die zugrundeliegenden genetischen Mechanismen bekannt. Eine Studie zeigt, dass die Reaktion auf…

Wie beeinflussen urbane Strukturen die Ausbreitung von Erdbebenwellen?

Experimente in einem Windpark in Nauen bei Berlin zeigen, dass menschengemachte Bauwerke ähnlich wie ein Metamaterial wirken und seismische Wellen modifizieren. Die neue Studie im Fachmagazin Frontiers in Earth Science…

Partner & Förderer