Kasseler Forscher entwickeln Kühlung auf Basis von Abwärme

Dieser und andere Lösungsansätze zur umweltgerechten Produktion werden am 12. und 13. September bei den „Innovationstagen EnergieEffizienz“ vorgestellt, die von der Universität Kassel zum zweiten Mal ausgerichtet werden. Im Mittelpunkt des Kongresses steht ein effektiverer Umgang mit dem Energieverbrauch in der industriellen Produktion.

Die 2011 ausgerufene Energiewende wird derzeit rege diskutiert. Zu den wichtigsten Schlagwörtern der öffentlichen und politischen Debatte um die zügige Umsetzung der ambitionierten Ziele zählen neben dem Atomausstieg und den erneuerbaren Energiequellen ebenfalls das Energiesparen und die Energieeffizienz. Besonders in der Industrie ist die Verbesserung der letzteren von zentraler Bedeutung.

„Der Druck zur Energieeinsparung hat in den letzten Jahren weiter zugenommen, nicht zuletzt aus Kostengründen,“ sagt Prof. Dr.-Ing. Jens Hesselbach, Leiter des Fachgebiets Umweltgerechte Produkte und Prozesse (upp) an der Universität Kassel: „Allerdings fehlen in vielen Bereichen innovative Lösungen, die auch wirtschaftlich umsetzbar sind.“

Die von Kasseler Wissenschaftlern, von der Industrie-Agentur PICS aus München sowie der der LIMÓN GmbH veranstalteten „Innovationstage EnergieEffizienz“ sollen hierzu praxisnahe und wirtschaftlich tragbare Umsetzungsbeispiele für Unternehmen präsentieren. Über die politischen Rahmenbedingungen und die Bedeutung der Energieeffizienz im hessischen Energiekonzept wird Hessens Umweltministerin Lucia Puttrich (CDU) im Eröffnungsvortrag sprechen. Der Fokus des zweitägigen Kongresses liegt auf zwei thematischen Blöcken, auf der Abwärmenutzung und der Druckluftarmen Fabrik. Aus der Praxis berichten unter anderem Unternehmen wie Audi, Viessmann, Ferrero und das VW Werk Kassel.

In Vorträgen werden neben neuen Lösungen auch die bereits vorhandenen Technologien auf den Prüfstand gestellt, wie zum Beispiel im Fall der Sorptionskältetechnik bei der Abwärmenutzung. Bereits heute wird in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK), die bei der Stromerzeugung entstehende, Abwärme zum Heizen von Gebäuden verwendet.

„Der Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen ergibt aus energetischer Sicht Sinn“, sagt Dipl.-Ing. Ottmar Pfaffenbach, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Umweltgerechte Produkte und Prozesse der Uni Kassel: „Im Vergleich zur getrennten Erzeugung von Strom und Wärme werden für die kombinierte Herstellung rund 66 Prozent weniger Primärenergie benötigt.“

Die Verwendung der bei KWK-Prozessen entstehenden Abwärme außerhalb der Heizperiode sei heute jedoch nur in Einzelfällen umgesetzt. Dabei kann die Abwärme im Sommerhalbjahr zur Kälteerzeugung dienen.

In seinem Vortrag über die „Nutzung von KWK-Abwärme für die Gebäudeklimatisierung“ möchte Pfaffenbach, der zugleich Geschäftsführer eines Unternehmen für Biogasanlagen ist, aufzeigen, dass man mithilfe der Sorptionskältetechnik dieses Defizit beseitigen kann.

„Nehmen wir ein Beispiel“, erläutert er: „Uni Kassel würde um ihr Rechenzentrum und Büros mit Strom zu versorgen einen Blockheizkraftwerk (BHKW) nutzen. Im Winter wird die durch Stromerzeugung produzierte Abwärme zum Heizen der Büroräume gebraucht, im Sommer dagegen dank einer zwischengeschalteten Sorptionskälteanlage, die thermische Energie in Kälte umwandelt, dient sie zur Klimatisierung der Räume.“

Angesichts der Tatsache, dass der Bedarf an Raumklimatisierung und Prozesskühlung deutschlandweit steigt – Studien zufolge ist bis 2020 im Bereich der Gebäudeklimatisierung eine Verdreifachung der gekühlten Fläche auf 3,8 Quadratmeter pro Bewohner zu erwarten – und dass derzeit über zehn Prozent des nationalen Stromverbrauches für die Bereitstellung von Kälte aufgewendet werden, ein wichtiger Lösungsweg.

Die Sorptionskälteanlagen seien jedoch nicht ohne Einschränkungen einzusetzen, wendet der Forscher ein und kommt zum Kernpunkt seines Ansatzes: „Im Normalfall muss für eine Klimaanlage eine Kaltwassertemperatur von 6 Grad Celsius erreicht werden.“ Dieser Standardwert sei jedoch nur mit einer Anlage auf Basis des Stoffpaares Ammoniak und Wasser zu erzielen. Bei dieser Variante ist nicht nur die Verwendung des Ammoniaks bedenklich, sondern auch der hohe Investitionsaufwand.

Alternativ dazu können Anlagen auf Basis des Stoffpaares Lithiumbromid und Wasser eingesetzt werden. Diese jedoch erreichen nicht den vorgegebenen Kältestandard. Pfaffenbachs Lösung: eine Kältemaschinen-Kaskade, die eine Sorptionskälteanlage und Kompressionskälteanlage verbindet. Diese innovative Anlagenkombination, die im Labormaßstab am Fachgebiet bereits erprobt wurde, soll exemplarisch eine technische Lösung zeigen, welche unter den genannten Bedingungen in Zukunft wirtschaftlich einsetzbar sein könnte. Hierbei werden die Investitionskosten für die Kälteanlage im Vergleich zu heute üblichen technischen Lösungen annähernd halbiert und trotzdem der deutlich überwiegende Teil der benötigten Kältemenge direkt durch die Sorptionskälteanlage bereitgestellt.

Der Projektpartner der Innovationstage Energieeffizienz ist das Darmstädter Institut für Klima- und Umweltschutz NATURpur. Die Tagung ist ein Teil des Programms HIER! Hessen – Innovationen für Energie- und Ressourceneffizienz, das vom Hessischen Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz unter anderem mit Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung gefördert wird.

Der Eröffnungsvortrag der hessischen Umweltministerin findet am 12. September um 18 Uhr in der Brüderkirche am Steinweg in Kassel statt. Am 13. September wird die Tagung im Gießhaus an der Universität Kassel von 8:30 Uhr bis 17 Uhr fortgesetzt.

Weitere Informationen und Programm finden Sie unter
http://www.pi-academy.net/pi/index.php?StoryID=1632
Info
Prof. Dr.-Ing. Jens Hesselbach
Universität Kassel
FB 15 – Maschinenbau
Fachgebiet Umweltgerechte Produkte und Prozesse
Tel.: 0561/804-3179
E-Mail: hesselbach@uni-kassel.de

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Prof. Dr.-Ing. Jens Hesselbach Universität Kassel

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Dieses Fachgebiet umfasst wissenschaftliche Verfahren zur Änderung von Stoffeigenschaften (Zerkleinern, Kühlen, etc.), Stoffzusammensetzungen (Filtration, Destillation, etc.) und Stoffarten (Oxidation, Hydrierung, etc.).

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