Elektrochemische Messung: Korrosivität von Kunststoffschmelzen schnell bestimmen

Schema der elektrochemischen Korrosionsmessung in der Kunststoffschmelze. Grfik: Fraunhofer LBF

Am Fraunhofer LBF stehen nun zwei Methoden zur Prüfung der Korrosivität von Kunststoffformmassen oder der Korrosionsbeständigkeit von Stählen zur Verfügung: Neben dem neuen Verfahren der bereits etablierte Plättchentest. Den Einsatz beider Verfahren bietet das Institut als Dienstleistung an. Darüber hinaus können Kunden für die Nutzung des elektrochemischen Verfahrens eine Lizenz erhalten.

Abhängig von ihrer Zusammensetzung sind manche Polymerformulierungen extrem korrosiv gegenüber den Werkstoffen, aus denen beispielsweise Extrudergehäuse oder Schnecken gefertigt sind. Typisch hierfür sind beispielsweise bestimmte in den letzten Jahren entwickelte halogenfreie Flammschutzmittel auf Diethylphosphinatbasis. Die betreffenden Additive können dabei in der Schmelze direkt mit den Werkstoffen reagieren oder sie bilden durch thermische Zersetzung aggressive Chemikalien, wie anorganische Säuren. Auf der anderen Seite verhalten sich bestimmte Zusatzstoffe als Korrosionsschutzmittel. Allerdings können sie sich nachteilig auf die Zieleigenschaften auswirken.

Traditionelle Prüfung mit Nachteilen

Zur Bewertung von Verschleiß beziehungsweise Korrosion ist die DKI-Plättchenapparatur (Deutsches Kunststoff-Institut, jetziger Bereich Kunststoffe des Fraunhofer LBF) sehr gut etabliert. Nachteil dieser Methode ist der hohe handwerkliche Aufwand und der Materialbedarf: Pro Formulierung und Plättchenpaar werden meistens 5-30 Kilogramm Granulat benötigt. Formulierungen, die neue Chemikalien – typischerweise in Anteilen von einigen Prozenten – beinhalten, lassen sich mit der Plättchenapparatur kaum testen, wenn die neuen Substanzen zunächst nur in Gramm-Mengen zur Verfügung stehen.

Neue Screening-Methode entwickelt

Vor dem Hintergrund des hohen Materialbedarfs des Plättchentests haben Wissenschaftler des Fraunhofer LBF eine Screening-Methode entwickelt. Dieses patentierte Verfahren ermöglicht eine schnelle Aussage über die Korrosivität einer Formulierung beziehungsweise über die Beständigkeit von unterschiedlichen Legierungen gegenüber einer korrosiven Schmelze. Es sind nur rund 0,5 bis 1 Kilogramm an Formmasse erforderlich. Auf diese Weise können auch neue Rohstoffe oder Additive, die zunächst nur in geringen Mengen zur Verfügung stehen, getestet werden.

Die Methode beruht im Kern auf einer elektrochemischen Messung in der Kunststoffschmelze. Dazu stehen sich in einem Messwerkzeug mit rechteckigem Schmelzekanal zwei Elektroden gegenüber, von denen eine die Prüfelektrode darstellt, die andere die Gegenelektrode (Schema in Abb. 1). Die Prüfelektrode besteht aus einem Werkzeugstahl, die Gegenelektrode zum Beispiel aus einem Edelmetall. Beide Elektroden sind über ein Elektrometer verbunden. Der sich einstellende Kurzschlussstrom zwischen den Elektroden stellt ein Maß für die Korrosivität der Schmelze dar.

Für vergleichende Untersuchungen nimmt man bei der Plättchenapparatur häufig stellvertretend für verschiedene Werkzeugstähle einen wenig abrasions- und korrosionsbeständigen Stahl. Auch bei der neuen elektrochemischen Korrosionsmessung eignet sich so ein Stahl sehr gut als Sonde zur vergleichenden Ermittlung der Korrosivität von Compounds.

In Abb. 2 ist als Beispiel der Screening-Parameter „Korrosivität“ für unterschiedliche Polyamid/Glasfaser-Typen als Funktion der Abtragrate im Plättchenversuch aufgetragen. Es handelt sich dabei sowohl um am LBF hergestellte experimentelle Compounds von PA66/GF mit halogenfreien Flammschutzformulierungen als auch um typische flammgeschützte kommerzielle Polyamid/Glasfaser-Formmassen namhafter Hersteller. Vertreten sind neben PA66 auch Hochtemperaturpolyamide und ein PA6-Typ. Neben einem mit bromhaltigem Flammschutzmittel ausgerüsteten Hochtemperaturpolyamid sind alle übrigen Typen halogenfrei flammgeschützt. Die Korrelation ist sehr gut.

Um mehrere unterschiedliche Werkzeugstähle simultan mit derselben Schmelze testen zu können, wurde ein Messwerkzeug entwickelt, in dem entlang des Schmelzekanals fünf Elektrodenpaare angeordnet sind.

Über den Bereich Kunststoffe des Fraunhofer LBF

Mit dem Forschungsbereich Kunststoffe, hervorgegangen aus dem Deutschen Kunststoff-Institut DKI, begleitet und unterstützt das Fraunhofer LBF seine Kunden entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der Polymersynthese über den Werkstoff, seine Verarbeitung und das Produktdesign bis hin zur Qualifizierung und Nachweisführung von komplexen sicherheitsrelevanten Leichtbausystemen. Der Forschungsbereich ist spezialisiert auf das Management kompletter Entwicklungsprozesse und berät seine Kunden in allen Entwicklungsstufen. Hochleistungsthermoplaste und Verbunde, Duromere, Duromer-Composites und Duromer-Verbunde sowie Thermoplastische Elastomere spielen eine zentrale Rolle. Der Bereich Kunststoffe ist ein ausgewiesenes Kompetenzzentrum für Additivierungs-, Formulierungs- und Hybrid-Fragestellungen. Umfassendes Know-how besteht in der Analyse und Charakterisierung von Kunststoffen und deren Veränderung während der Verarbeitung sowie in der Methodenentwicklung zeitaufgelöster Vorgänge bei Kunststoffen.

Auf der Messe K 2016 in Düsseldorf, 19.-26.10.2016, beteiligt sich das Fraunhofer LBF in Halle 7 am Fraunhofer-Stand SC01.

http://www.lbf.fraunhofer.de/kunststoffe

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Anke Zeidler-Finsel Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF

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