Der klügere Roboter gibt nach

Deutschland ist der weltweit zweitgrößte Produzent und Nutzer von Industrierobotern – und könnte diese Position in Zukunft noch weiter ausbauen.

Da Roboter schnelle und präzise Bewegungen auch dann ausführen müssen, wenn sie große Lasten tragen, werden sie massiv ausgelegt, mit starren Gliedern und Gelenken. Die Bauteile mit ihren unnachgiebigen Bewegungen stellen bei einer Kollision mit den Mitarbeitern im Betrieb eine Gefahr dar, weshalb sie abgeschirmt werden müssen. Informatiker der TU Darmstadt entwickeln in einem Verbundprojekt neuartige Roboterarme, die in ihrer Funktionsweise dem Muskel-Sehnen-Apparat des Menschen abgeschaut sind.

Der neuartige Antrieb erhöht die passive Sicherheit der Konstruktionen, so dass sie im direkten Umfeld des Menschen auch ohne Abschirmung eingesetzt werden können. „Damit eröffnen sich für die Industrie ganz neue Möglichkeiten, und auch für mittelständische Unternehmen wird ein solcher bionischer Roboter interessant“, fasst Professor Oskar von Stryk zusammen.

Die TU Darmstadt koordiniert das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt. Mit beteiligt sind die Universität des Saarlandes, die Ilmenauer TETRA, Gesellschaft für Sensorik, Robotik und Automation mbH sowie das Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik.

„Wir entwickeln erstmals einen so genannten bionischen Manipulator, der in drei Hauptachsen elastisch angetrieben wird“, erzählt von Stryk. Die elastische Funktion von Sehnen und Muskeln übernehmen dabei beidseitig verspannte Federn. Der Antrieb funktioniert mit Hilfe von Elektromotoren, die die Gelenke über die Federn bewegen. „Das Ergebnis ist ein radikaler Paradigmenwechsel in der Robotik“, betont von Stryk.

„Bei konventionellen Robotern wurde Elastizität jahrzehntelang als nachteilig bewertet und möglichst vermieden. Denn bei den herkömmlichen, starren Industrierobotern wirken hohe Kräfte und Momente auf die Armglieder und Gelenkantriebe, so dass die Gefahr besteht, dass diese sich unter der Belastung verformen.“ Deshalb wurden die einzelnen Glieder bislang massiv verstärkt, was zu schweren Konstruktion mit unnachgiebigen Bewegungen führte.

„Bei unseren bionischen Roboterarmen wird gezielt Elastizität in die Konstruktion eingebracht, denn durch die elastische Verspannung der Glieder werden diese entlastet und verbiegen sich weniger schnell“, meint von Stryk. Dadurch wiederum können die Darmstädter Wissenschaftler die Konstruktion in Leichtbauweise ausführen. Zudem macht die Verwendung von Standardkomponenten die neue Robotergeneration bei entsprechend großer Stückzahl in Fertigung und Wartung kostengünstiger. Auch die teure, zusätzliche Sensorik, die drohende Kollisionen verhindern soll, ist überflüssig geworden.

Die von den Darmstädtern geschaffenen Prototypen verrichten Arbeiten: Einer setzt Pflanzenstecklinge, ein zweiter entnimmt und lagert biologische Proben bei Tiefsttemperaturen ein und ein dritter wird in der Produktion im niedrigen Traglastbereich eingesetzt. „Gerade an diesen so genannten Handlingrobotern sind kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sehr interessiert. Wir haben bereits mit mehreren KMU-Vertretern gesprochen, die einen sehr großen Bedarf an solchen Robotern haben“, sagt von Stryk.

Die leichte und elastische Bauweise senkt nicht nur die Kosten, sondern macht auch ein Nebeneinander von Mensch und Roboter in der Produktionshalle möglich. Bei Kollisionen besteht aufgrund der Elastizität der Maschinen keine größere Gefahr für die Mitarbeiter. In dieser Mensch-Roboter-Kooperation sehen die Darmstädter ein sehr großes Marktpotenzial, denn mobile Manipulatoren könnten in der produzierenden Industrie als „dritter Arm“ eines Arbeiters breite Anwendung finden.

Allein in der Europäischen Union werden innerhalb von drei Jahren voraussichtlich rund 350.000 neue Industrieroboter installiert werden, weltweit könnten laut der Studie „World Robotics“ im selben Zeitraum mindestens 35.000 neue Serviceroboter mit mobilen Manipulatoren im direkten Umfeld des Menschen agieren.

Sogar neue Arbeitplätze könnten im Zuge der Einführung von Robotern entstehen, wie etwa bei den Pflanzrobotern. Wegen der hohen Löhne hierzulande haben Gärtnereien das Setzen von Buchsbaumstecklingen weitgehend ins Ausland verlagert. Mit den bionischen Robotern könnten sie diesen Arbeitsschritt nach Deutschland zurückholen, „zumal sie die Kosten für den Transport der Pflanzen sparen und keine Probleme mehr mit der Einschleppung von Erregern und Schädlingen haben“, resümiert von Stryk.

Bereits Ende des kommenden Jahres könnten die ersten Bionik-Roboter auf den Markt kommen. Erste Interessenten gibt es schon jetzt.

Kontakt: Prof. Oskar von Stryk, Tel. 06151/16-2513, stryk@sim.tu-darmstadt.de

gek 07.03.2007, PM 10-2007

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Jörg Feuck idw

Weitere Informationen:

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