Virtuelles Abgaslabor

Zwei Dinge erwartet der Kunde von einem Auspuff: gute Abgaswerte und eine lange Lebenszeit. Doch beides zu erreichen, ist technisch schwierig. Bisher waren die Automobilbauer angewiesen auf aufwändige Prüfstandstests. Jetzt hilft ein virtuelles Abgaslabor Zeit und Kosten zu sparen. Auf der Hannover-Messe (7. bis 12. April) zeigen Ingenieure vom Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM das neue Verfahren in Halle 6, Stand G28.

Motoren und Abgasanlagen beweisen ihre Belastbarkeit auf Prüfständen: Ingenieure blasen tausendmal hintereinander achthundert Grad heiße Gase durch die kalte Abgasanlage. Anschließend werden die Daten im Labor überprüft. Treten Defekte auf, muss das Design des Abgassystems noch einmal verändert werden und die ganze Prozedur beginnt von vorne.
„Mit der Einführung der neuen Schadstoffnormen ist die Situation der Autobauer noch schwieriger geworden“, erklärt Winfried Schmitt aus dem vom BMBF geförderten Kompetenzzentrum für Bauteilsimulation am Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM. „Katalysatoren können ihre Leistung erst bei höheren Temperaturen voll entfalten. Damit sie auch gleich nach dem Start, wenn die Betriebstemperaturen noch niedrig sind, wirken, müssen sie möglichst nah an den Motor herangeführt werden.“ Doch die Verlegung des Katalysators erfordert die Neugestaltung des gesamten Abgassystems. Das ist eine schwierige Aufgabe. Denn die Entwicklung einer Abgasanlage mit niedrigen Schadstoffwerten und gleichzeitig langer Lebensdauer ist eine Gratwanderung, die Jahr für Jahr Millionen verschlingt.

Das virtuelle Abgaslabor, das Hermann Riedel und sein Team am IWM derzeit erarbeiten, soll die Entwicklungskosten in Zukunft senken: Das Computermodell kann potenzielle Schwachstellen bereits in der Designphase aufspüren. Die Berechnungen basieren auf der Finite-Elemente-Methode, bei der Bauteile mathematisch in winzige Volumenelemente zerlegt werden. Die notwendigen Eckdaten werden experimentell ermittelt: Die Fraunhofer-Forscher führen bei unterschiedlichen Temperaturen Druck- sowie Zugtests durch und berechnen daraus einen „Schädigungsparameter“.

Das fertige Modell durchläuft dann den kompletten Belastungs-Zyklus des „Thermoschockversuchs“: Im virtuellen Abgaslabor werden die Bauteile rechnerisch aufgeheizt und wieder abgekühlt. Tausend, zweitausend, dreitausend Mal hintereinander. „Nach einigen Stunden Rechenzeit erkennt man exakt die Schwachstellen, die die Lebenszeit der Abgasanlage begrenzen. Zug, Druck, Temperatur und die daraus resultierenden mechanischen Spannungen werden für jedes Strukturelement sichtbar“, erklärt Dr. Dietsche, der bei BMW für Entwicklung und Einführung des neuen Simulationstools verantwortlich ist. Die für einen Abgaskrümmer des BMW 3.0 Liter Reihen-Sechszylindermotor errechneten Werte verglich der Ingenieur mit den Messdaten aus werkseigenen Prüfstand- und Bauteilversuchen: „Unsere Prognosen stimmen geradezu erstaunlich gut mit der Praxis überein: Die Zahl der errechneten Zyklen, die die Lebenszeit begrenzen, und die Zahl der auf dem Prüfstand erreichten Zyklen unterscheiden sich um weniger als zehn Prozent.“

Insgesamt sei es bei BMW bereits gelungen, einen der wichtigsten Faktoren für die Begrenzung der Lebensdauer von Abgasanlagen durch die Simulation in den Griff zu bekommen, erklärt Dietsche. „Damit können wir in Zukunft neue Komponenten schneller und kostengünstiger entwickeln. Langfristig werden wir viele der heute noch nötigen Bauteilversuche einsparen können.“

Ansprechpartner:
Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM
Wöhlerstraße 11, 79108 Freiburg
Hermann Riedel
Telefon 0761 – 5142-103
Fax 0761 – 514-110
E-mail: riedel@iwm.fraunhofer.de

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Isolde Rötzer idw

Weitere Informationen:

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