Packender Zuschnitt

Dr. Ralf Heckmann, Onno Garms und Mike Schäfer (von links) entwickelten Computerprogramme, die zwei- und dreidimensionale Packungsprobleme aller Art optimieren und lösen <br>© Fraunhofer / Volker Steger

Ein Schneider, der einen Maßanzug nähen will, steht vor einem ähnlichen Problem wie der Keksbäcker zu Hause: Wie soll er die Einzelteile Ärmel, Kragen und Partien der Vorder- und Rückseite auf einer vorgegebenen Stoffbahn anordnen? Beim Stechen von Keksen können Reste des ausgerollten Teigs geknetet und erneut ausgerollt werden – für den Schneider sind Stoffreste Abfall. Die industrielle Textilfertigung kann sich dies noch weniger leisten und deshalb versucht man, für die Einzelteile möglichst schnell das optimale Schnittmuster zu finden. Ein weiteres Mal sind Schnittbildleger gegenüber Keksbäckern im Nachteil: Sie können ein Einzelteil nicht beliebig drehen, denn in Muster- und Fadenverlauf muss es meist mit dem Nachbarteil übereinstimmen. Automatische Lösungen solcher und vieler verwandter Optimierungsprobleme liefern Computerprogramme des Fraunhofer-Instituts für Algorithmen und Wissenschaftliches Rechnen SCAI. Für deren Entwicklung und industrietaugliche Umsetzung erhalten Dr. Ralf Heckmann, Leiter der Abteilung Optimierung, und seine Mitarbeiter Onno Garms und Mike Schäfer den Joseph-von-Fraunhofer-Preis.

Noch schwieriger wird das Problem bei Lederwaren, weiß Dr. Heckmann aus der Praxis zu berichten: »Dort heißt die Frage nicht einfach ’Geht der Sessel oder die Lederhose auf die Kuhhaut?’, denn als Naturprodukt weisen Leder und Felle qualitativ unterschiedliche Partien auf.« Mit der Software AutoNester-L kann der im angloamerikanischen Sprachraum Nester genannte Schnittbildleger bestimmen, dass die stärksten oder schönsten Stücke etwa für die strapazierte und sichtbare Sitzfläche verwendet werden sollen. Um Löcher in der Haut macht das Programm automatisch einen möglichst kleinen Bogen und spart sie aus. Die Preisträger sind nicht allein am Markt, doch konnten ihre Programme im Praxiseinsatz nachweisen, dass sie variabler sind, zu weniger Verschnitt führen und überdies schneller rechnen.

So auch in ganz anderen Branchen. Wenn etwa Autohersteller Metallteile aus Blechbahnen stanzen, sind die Probleme noch artverwandt zur Textil- und Lederverarbeitung. In die dritte Dimension geht es bei den Fragen: Wie lassen sich Motor- und periphere Teile im vorgegebenen Motorraum optimal und Platz sparend anordnen? Wie werden Platinen dichtest mit elektronischen Bauteilen bestückt? Oder ganz allgemein: Wie können mengenmäßig festgelegte Ressourcen – Fläche, Raum, Zeit, Personal oder Kapital – schnell, effizient und optimal verteilt werden?

Joseph-von-Fraunhofer-Preis – Forschen für die Praxis
Seit 1978 verleiht die Fraunhofer-Gesellschaft alljährlich Preise für herausragende wissenschaftliche Leistungen ihrer Mitarbeiter, die anwendungsnahe Probleme lösen. Mehr als 200 Forscherinnen und Forscher haben diesen Preis inzwischen gewonnen. In diesem Jahr werden drei reguläre Preise mit jeweils 10 000 Euro vergeben; der Sonderpreis über Radprüfung mit Ultraschall ist mit 20 000 Euro dotiert. Eine ebenfalls begehrte Trophäe ist die silberne Anstecknadel mit dem Profil des Namenspatrons wie es im Logo an den Beiträgen erscheint.

Ansprechpartner:
Dr. Ralf Heckmann
Telefon 0 22 41 / 14-28 10
Fax 0 22 41 / 14-26 56

Dipl.-Math. Onno Garms
Telefon 0 22 41 / 14-25 53

Fraunhofer-Institut für Algorithmen und Wissenschaftliches Rechnen SCAI
Schloss Birlinghoven
53754 Sankt Augustin

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Johannes Ehrlenspiel Fraunhofer Gesellschaft

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Dieses Fachgebiet umfasst wissenschaftliche Verfahren zur Änderung von Stoffeigenschaften (Zerkleinern, Kühlen, etc.), Stoffzusammensetzungen (Filtration, Destillation, etc.) und Stoffarten (Oxidation, Hydrierung, etc.).

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