Von den Zeichen unserer Wirklichkeit

Mit dem Thema „Repräsentation – Virtualität – Praxis“ beschäftigt sich die 13. Internationale Tagung der Deutschen Gesellschaft für Semiotik, die vom 13. bis 15. Oktober 2011 an der Universität Potsdam stattfindet.

Über einhundert Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen stellen neueste Untersuchungen über Zeichen, Formen der Zeichensetzung und ihre Bedeutung für unsere alltägliche Wirklichkeit vor. Das Spektrum reicht von der Architektur über die Macht der Werbung bis hin zur Jugendkultur. Die Forscher diskutieren dabei vor allem, wie sich die Repräsentation von Wirklichkeit durch Zeichen verändert, wenn diese zunehmend virtuell werden.

Im Rahmen der Tagung, die sich mit ihrer Orientierung auf die Zeichen des Alltags gezielt an die Öffentlichkeit wendet, wird die von Studierenden erarbeitete Ausstellung „Stadt und Zeichen“ gezeigt, in der Sticker, Graffiti, Flashmob, Guerilla Gardening und Guerilla Knitting eine Rolle spielen.

Wirklichkeit wird nie direkt erfahren, sondern einer Gesellschaft immer durch symbolische Kategorien zur Verfügung gestellt: Sprache, Schrift, Symbole. Wir sind umgeben von Zeichen – vom Verkehrsschild bis zum Graffiti, vom Liebesbrief bis zur Hochglanzwerbung, vom Gebet bis zum Musikvideo. All diese Zeichen sind materielle Artefakte unserer Kommunikation. Zugleich repräsentieren sie den Vorgang des Bedeutens von Welt durch Sprache und Symbole, zeigen also, dass wir uns mithilfe der Zeichen nicht nur eine Vorstellung von Wirklichkeit schaffen, sondern sie dabei auch gestalten und verändern.

Dass unser Alltag von unzähligen Zeichen erfüllt ist und bestimmt wird, dem trägt die Deutsche Gesellschaft für Semiotik (DGS) Rechnung: Auf ihrem 13. Kongress kommen in Potsdam über einhundert Wissenschaftler, die in ihren Forschungsgebieten semiotische Fragestellungen bearbeiten, zu einem interdisziplinären Forum zusammen. Unter dem Thema „Repräsentation – Virtualität – Praxis“ diskutieren sie, wie sich symbolische Zeichensysteme wandeln – gerade auch mit Blick auf die Möglichkeiten neuer Medientechnologien. Für Eva Kimminich, Professorin für Kulturen romanischer Länder an der Universität Potsdam und Präsidentin der DGS, verändern diese Systeme nachhaltig das „Zusammenspiel von Wirklichkeit und Imagination, von Vor- und Darstellung, aber auch die Praxis unserer Weltgestaltung“.

In zehn interdisziplinären Sektionen stellen die Forscher auf dem Kongress ihre Arbeitsergebnisse vor. Sie zeigen unter anderem, wie Imagination zum virtuellen Erleben wird, wie im kulinarischen Diskurs die Küche zum Ort der Selbsterfahrung avanciert oder wie das Verhältnis von Virtualität und Praxis im Computerspiel die Grenzen zur Realität verwischt. Aber auch die Zeichen-Revolutionen literarischer Avantgarden, das „Als-Ob“ einer bildlichen Repräsentation als virtuelle Praxis und die Bedeutung des Virtuellen für städtische Architektur, Design, Film und natürlich die semiotische Theorie werden in einzelnen Sektionen behandelt.

Ein zentrales Anliegen des Kongresses ist es, „die Semiotik auch einem Laienpublikum zugänglich“ zu machen, betont Prof. Kimminich. Daher gibt es neben den Sektionen vier öffentliche Podiumsdiskussionen, in denen versucht wird, die Begriffe Repräsentation, Virtualität und Praxis von verschiedenen Perspektiven aus zu beleuchten. Es sollen alltägliche Beispiele der Konstruktion und Verschiebung von Zeichen diskutiert werden, wie etwa im Podium „Gott dichten und denken?“, das ästhetische mit religiösen Erfahrungen vergleicht. Auch die Podien zum „Recycling“ tradierter Symbole im neuen Gewand heutiger Medienkultur oder zur Macht von Marken zeigen, „wie umfassend Zeichen unsere Lebenswelt bestimmen und wie die Semiotik dabei helfen kann, ihre Wirkungspotenziale sichtbar zu machen“, so Prof. Kimminich.

Einblick in den materiellen Aspekt der Zeichenpraxis bietet die Ausstellung „Stadt und Zeichen“, die während der Tagung im Foyer des Hauptgebäudes auf dem Campus Griebnitzsee zu sehen sein wird. Die von Studierenden unter Anleitung von Prof. Kimminich entstandene Schau widmet sich den vielfältigen Formen des Zeichensetzens im städtischen Raum, die man „nicht immer gleich im hektischen Alltag wahrnimmt oder nicht versteht: Sticker, Parolengraffiti oder Tattoos, aber auch Aktionen von Strickern, Flashmobbern, Clown-Rebellen und Guerilla-Gärtnern sowie die ungewöhnliche Fortbewegung von Skatern und Traceuren“. Im Herbst wird die Ausstellung vom Archiv der Jugendkulturen in Berlin übernommen. Begleitend erscheint ein Katalog, in dem die urbane Zeichenwelt nicht nur dokumentiert, sondern von den Studierenden auch wissenschaftlich beleuchtet wird.

Die Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Semiotik findet alle drei Jahre an wechselnden Orten im deutschsprachigen Raum statt. Sie wird in diesem Jahr von der DGS-Präsidentin Prof. Dr. Eva Kimminich vom Institut für Romanistik der Universität Potsdam organisiert. Die DGS hat derzeit 16 Sektionen, in denen die Beiräte aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen mit semiotischen Fragestellungen arbeiten: Architektur, Bild, Design, Esskultur, Historische Semiotik, Jugend- und Subkulturen, Kulturwissenschaft, Körper, Literatur, Mathematik, Medien, Ökosemiotik, Soziale Psychiatrie, Soziale Systeme, Sprachwissenschaft, Theologie und Wirtschaft (Marketing).

Hinweis an die Redaktionen:

Zeit: Tagung und Ausstellung: 13. bis 15.10.2011, 09:00 bis 20:00 Uhr
Ort: Universität Potsdam, Campus Griebnitzsee, August-Bebel-Straße 89, 14482 Potsdam, Haus 6
Kontakt: Prof. Dr. Eva Kimminich, Universität Potsdam, Institut für Romanistik,
Tel.: 0331/977-4144, E-Mail: eva.kimminich@uni-potsdam.de
Internet: http://semiose.de/

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Sylvia Prietz Universität Potsdam

Weitere Informationen:

http://semiose.de/

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