Den Weltwandel begreifen: Ergebnisse des SFB "Reflexive Modernisierung" liegen vor

1999 hatte die Deutsche Forschungsgemeinschaft den Sonderforschungsbereich (SFB) 536 „Reflexive Modernisierung“ eingerichtet. Neben der LMU als Sprecheruniversität waren auch die TU München, die Universität Augsburg, die Bundeswehruniversität München sowie weitere Forschungsinstitute beteiligt.

Die Forscher ließen sich leiten von der Frage, ob die Gesellschaften des 21. Jahrhunderts noch mit den Konzepten des 19. und 20. Jahrhunderts begriffen werden können. Die wissenschaftliche Arbeit im SFB umfasste daher nicht nur eine umfangreiche empirische Erforschung gesellschaftlicher Strukturveränderungen, sondern auch die Entwicklung neuartiger Beobachtungskategorien und Bezugsrahmen.

Die Wissenschaftler interpretieren die Wandlungsprozesse in Politik, Ökonomie, Gesellschaft und Wissenschaft als „Strukturbruch“ innerhalb der Moderne, der sich als Übergang von der „Ersten“ zur „Zweiten“ Moderne oder von der „einfachen“ zur „reflexiven“ Modernisierung begreifen lässt. „Nachdem die großen Herausforderungen der entstehenden modernen Gesellschaft wie die Entfaltung des Industrialismus und die Entwicklung des Nationalstaates weitgehend gemeistert schienen, stellen sich neuartige Probleme“, erläutert Ulrich Beck, Sprecher des SFB und Professor für Soziologie an der LMU. „Kennzeichnend für sie ist durchgängig, dass es sich um unintendierte Folgeprobleme des Sieges der industriegesellschaftlichen nationalstaatlichen Moderne handelt.“

Ein Beispiel dafür ist der Klimawandel: Wenn jeder Weltbürger das tut, was in westlichen Ländern selbstverständlich ist, nämlich ein Auto fahren, dann hat dieser Siegeszug des Industrialismus ökologische „Nebenfolgen“ für alle, die die Grundlagen des Lebens in Frage stellen. Die reflexive oder Zweite Moderne wird von den Forschern entsprechend auch als das „Zeitalter der Nebenfolgen“ bezeichnet.

Diese unintendierten Nebenfolgen der Ersten Moderne führen zu gesellschaftlichen Verunsicherungen und Problemen, denen nationalstaatlich verfasste Industriegesellschaften nicht mehr gerecht werden können, so die Forscher. In insgesamt 15 Teilprojekten des SFB erforschten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus soziologischer, sozialpsychologischer, politikwissenschaftlicher, historischer und philosophischer Sicht diese neuen Ungewissheiten und Uneindeutigkeiten in drei übergreifenden Projektbereichen. So wurde die „Entzauberung“ der Gewissheitsansprüche der modernen Wissenschaft ebenso untersucht wie die neuen sozialen Lagen, Identitäten und deren Gestaltung. Der dritte Projektbereich widmete sich dem Wandel in den institutionellen und organisatorischen Arrangements von politischer Herrschaft und kapitalistischem Arbeitsmarkt.

„Was unsere Forschung aufgedeckt, gesammelt, sortiert, begrifflich benannt und theoretisch-kausal zu erklären versucht hat, ist ein diskontinuierlicher Bezugsrahmenwandel der Moderne“, sagt Ulrich Beck. „Dieser Wandel lässt sich – und darin liegt die überraschende Pointe – gleichermaßen in ganz heterogenen Bereichen von Wissenschaft und Technik über Formen des Zusammenlebens, der Erwerbsarbeit, der Wirtschaft bis hin zu Staat und Politik identifizieren.“

Detailliert werden die Forschungsergebnisse des Sonder-forschungsbereichs „Reflexive Modernisierung“ am 28. und 29. Mai auf einer Abschlusstagung in der Evangelischen Akademie in Tutzing vorgestellt und diskutiert. Vertreter der Medien sind herzlich dazu eingeladen. Eine Anmeldung ist erforderlich.

Nähere Informationen und Anmeldung bei:
Susanne Kappler
Tel.: 089 / 2180 – 4455 oder mobil 0179 / 678 54 40
E-Mail: sfb536@soziologie.uni-muenchen.de

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Luise Dirscherl idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-muenchen.de

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