Lebensmittelchemiker tagen in Jena – Medien, Tattoofarben und Proteinanalytik zum Auftakt

Die 20 Vorträge greifen aktuelle Probleme auf, mit denen sich Lebensmittelchemiker befassen. Im ersten Programmpunkt nach der Eröffnung soll ein Dialog zu „Medien und Wissenschaft“, den drei Journalisten aus Jena und Erfurt mit den rund 100 Teilnehmern führen wollen, klären, wie sich zwischen den Medien und der Lebensmittelchemie ein besseres gegenseitiges Verständnis erzielen lässt. Beispielhaft für das wissenschaftliche Programm sind die anschließenden Vorträge über Tattoofarben und Verfahren zur Analyse von Proteinen.

Die rechtliche Regelung von Tätowiermitteln ist in Deutschland, vor allem aber in der EU, noch sehr unbefriedigend. Europaweit gibt es lediglich eine Empfehlung des Council of Europe, die jedoch rechtlich nicht bindend ist. Nur Deutschland, Österreich und die Niederlande haben einzelstaatliche Regelungen eingeführt, die aber nach Meinung vieler Fachleute bei Weitem nicht ausreichend sind.

Sandra Leonhardt, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Landesuntersuchungsanstalt (LUA) für das Gesundheits- und Veterinärwesen Sachsen in Dresden, berichtet in ihrem Vortrag „Das geht unter die Haut – Aktuelles zu Tätowiermitteln“ über Ergebnisse von Untersuchungen, die 2011 an der LUA Sachsen zu Tattoofarben durchgeführt wurden.

So wurden 13 schwarze Tattoofarben, die aus Tattoostudios stammten, auf polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) untersucht. Acht Proben wiesen hohe Gehalte an PAK auf. In ihnen lag die Konzentration der kanzerogenen PAK zwischen 0,2 und 5,2 mg/kg. Die Leitsubstanz Benzo[a]pyren wurde in vier Proben mit Gehalten von 0,2 bis 0,6 mg/kg bestimmt. Da hinsichtlich der gesundheitlichen Relevanz von PAK in Tätowiermitteln noch keine toxikologische Bewertung vorlag, hat die LUA Sachsen das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) um eine Stellungnahme gebeten.

Das BfR vertritt danach die Auffassung, dass PAK nicht in Tätowiermitteln enthalten sein dürfen. Überschreiten Tätowiermittel die technisch unvermeidbaren Gehalte von PAK – das sind beispielsweise 0,5 mg/kg für die Summe von 16 PAK – stellen sie aus Sicht des BfR eine ernste Gefahr dar. Da acht der 13 untersuchten schwarzen Tattoofarben diese Werte deutlich, z.T. um den Faktor 100, überschritten, hat die LUA Sachsen als erstes Labor der amtlichen Lebensmittelüberwachung in Deutschland diese Proben als „geeignet, die Gesundheit zu schädigen“ beurteilt.

Bei der Untersuchung 13 bunter Tattoofarben (vor allem rote, orangefarbene und gelbe) lag der Schwerpunkt der Analytik auf primären aromatischen Aminen. Erfreulicherweise wurden lediglich Spuren dieser Stoffe nachgewiesen; eine Gesundheitsbeeinträchtigung geht von ihnen nicht aus. Von den 13 bunten Tätowierfarben enthielten acht Pigmente, die zwar für kosmetische Mittel nicht zugelassen sind, deren Einsatz in Tätowierfarben aber ebenfalls nicht geregelt ist. Weitere zwei Proben trugen keinerlei Angaben zu den eingesetzten Pigmenten. Verbotene Farbstoffe konnten nicht festgestellt werden.

Zu weiteren Untersuchungskandidaten zählten Konservierungsstoffe und Schwermetalle. In der Regel wurden für 13 Schwermetalle (u.a. Blei, Cadmium, Quecksilber und Arsen) die technisch unvermeidbaren Gehalte eingehalten; lediglich in vier von 16 untersuchten Proben wurden erhöhte Konzentrationen an Barium ermittelt. Bei 22 von 26 Proben war die Kennzeichnung unvollständig, d.h. es waren nicht alle erforderlichen Kennzeichnungselemente auf dem Etikett angegeben.

Anders als bei kosmetischen Mitteln gibt es für Tätowiermittel keine Positivliste für Konservierungsstoffe, d.h. hier dürfen auch Stoffe verwendet werden, die für kosmetische Mittel nicht zugelassen sind. In sechs von 16 untersuchten Proben wurde der in Kosmetika nicht erlaubte technische Konservierungsstoff Benzisothiazolinon in wirksamen Gehalten bestimmt. Bei der derzeitigen Rechtslage besteht nur die Möglichkeit, den Hersteller bzw. Importeur auf den Untersuchungsbefund aufmerksam zu machen und auf das Einsatzverbot von Benzisothiazolinon in der Schweiz und Österreich hinzuweisen. In den Niederlanden ist eine Konservierung von Tätowiermitteln prinzipiell nicht möglich.

Nahrungsproteine können sich bei der Be- und Verarbeitung von Lebensmitteln verändern. Daher ist die Analyse von Proteinen nicht nur bei biochemischen Fragestellungen zu Aminosäuresequenz oder Proteinstruktur vonnöten, sondern auch bei der Herstellung von Lebensmitteln, bei denen sogenannte posttranslationale Modifikationen auftreten können. Diese entstehen durch Reaktionen der Proteine mit anderen Lebensmittelinhaltsstoffen, beispielsweise Vitaminen oder sekundären Pflanzenstoffen, die ernährungsphysiologisch von Bedeutung sind. Die Analytik hilft, den Einfluss auf die funktionellen Eigenschaften der Substanzen zu verstehen. In seinem Vortrag „Proteomics revisited“ stellt Professor Dr. Sascha Rohn, Universität Hamburg, ein leistungsfähiges Analysenverfahren für diese Problemstellung vor. In seinem Arbeitskreis werden zunächst die Proteinmoleküle in Peptide gespalten, hydrolisiert und dünnschichtchromatographisch getrennt. Dieses Trennverfahren ist für die geschilderte Anwendung neu; denn bislang wurden klassische chromatographische und elektrophoretische Trennmethoden angewandt, um die Peptide anschließend im Massenspektrometer eindeutig zu identifizieren. „Das neue Verfahren eröffnet ein breites Feld an neuen Peptidinformationen“, sagt Rohn, der des Weiteren hochauflösendere Massenspektrometer einsetzen will.

Die Tagungen der Regionalverbände der Lebensmittelchemischen Gesellschaft, der größten Fachgruppe in der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), sollen Lebensmittelchemiker auf den neuesten Stand des Wissens bringen und den Gedankenaustausch fördern. Die GDCh gehört mit rund 30.000 Mitgliedern zu den größten chemiewissenschaftlichen Gesellschaften weltweit. Sie hat 27 Fachgruppen und Sektionen, darunter die Lebensmittelchemische Gesellschaft mit annähernd 2.800 Mitgliedern. Diese veranstaltet alljährlich den Deutschen Lebensmittelchemikertag – in diesem Jahr vom 10. bis 12. September in Münster.

Media Contact

Dr. Renate Hoer GDCh

Weitere Informationen:

http://www.gdch.de

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