Herz aus dem Rhythmus – was tun bei Vorhofflimmern?

Erasmo Zano war gerade auf einer Feier, als es zum ersten Mal passierte. „Mein Herz raste und stolperte, ich bekam Atemnot, musste mich hinsetzen und konnte nichts mehr machen.“ Wenige Minuten später ist der Spuk vorüber, das Herz des 53jährigen schlägt wieder normal. In den folgenden Wochen kommen die Anfälle mehrmals wieder, meist nur für ein paar Minuten. Endlich gelingt es dem Hausarzt, die Rhythmusstörung im EKG festzuhalten: Vorhofflimmern. Rund zwei Millionen Menschen in Deutschland, hauptsächlich im höheren Alter, leiden daran.

Vorhofflimmern ist zwar nicht unmittelbar lebensbedrohlich, kann aber zu schweren Komplikationen führen. Denn während des Flimmerns wird das Blut im linken Herzvorhof nicht richtig durchmischt, so dass Gerinnsel entstehen können. Wird ein solches Gerinnsel mit dem Blutstrom ins Gehirn gespült, so kann es dort eine Ader verstopfen – Schlaganfall. Bei den meisten Patienten schlägt das Herz während des Vorhofflimmerns viel zu schnell. Das schädigt über längere Zeit den Herzmuskel und kann so zu Herzschwäche führen. Aus diesen Gründen muss Vorhofflimmern in der Regel mit Medikamenten behandelt werden.

Der Kardiologe, zu dem der Hausarzt seinen Patienten inzwischen überwiesen hat, untersucht den Mann gründlich und verschreibt ihm ein Medikament zur Blutgerinnungshemmung, um das Schlaganfallrisiko zu senken, und außerdem einen Betablocker, um die Pulsfrequenz zu regulieren, damit das Herz während des Flimmerns keinen Schaden nimmt. Zusätzlich soll ein Rhythmusmedikament die Vorhofflimmeranfälle möglichst unterbinden – mit mäßigem Erfolg. Die Anfälle kommen zwar seltener, doch ganz verhindern lassen sie sich nicht. Und die Wirkung lässt mit der Zeit nach. Im Jahr 2011 kommt Zano zweimal ins Krankenhaus, weil sein Herz während des Flimmerns mit über 200 Schlägen pro Minute rast. „Ich hatte ja keine Lebensqualität mehr. Ich konnte nicht mehr Fußball spielen und mein Krafttraining nicht mehr machen. Und Alkohol konnte ich gar nicht mehr trinken, denn jedes kleine Schlückchen hat sofort Vorhofflimmern ausgelöst.“, beschreibt der 53jährige seinen damaligen Zustand. Er beginnt nach weiteren Behandlungsmöglichkeiten zu suchen und wird schließlich fündig.

Der Patient aus dem sauerländischen Altena wendet sich an die Abteilung für Rhythmologie des Universitätsklinikums Münster. Dort unterzieht er sich im Juni 2013 einer Katheterablation. Dabei wird Gewebe im Herzen verödet, um die Ursprungsorte, von denen die Rhythmusstörung ausgeht, unschädlich zu machen. Im Idealfall wird das Vorhofflimmern dadurch dauerhaft beseitigt. „Dieser Eingriff hat die größten Erfolgschancen bei Patienten wie Herrn Zano, das heißt bei relativ jungen Menschen unter 60 Jahren, bei denen das Vorhofflimmern anfallsweise kommt, also nicht dauerhaft vorliegt, und insgesamt noch nicht allzu lange besteht.“, erklärt Prof. Lars Eckardt, Leiter der Rhythmologie im UKM.

In den ersten Wochen nach der Ablation muss der Patient sich noch schonen, damit es nicht zu Komplikationen kommt. Den Gerinnungshemmer wird er vorerst weiter nehmen müssen – wie lange, hängt vom Erfolg der Ablation und von weiteren Risikofaktoren ab. Erst in den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob das Vorhofflimmern dauerhaft beseitigt wurde oder ob es irgendwann zurückkehrt. Der Patient ist optimistisch, denn seit der Ablation ist das Flimmern bis jetzt nicht wieder aufgetreten. Er freut sich schon darauf, bald mit seinem Kraftsport wieder anzufangen.

Eine Ablation ist allerdings nicht für jeden Vorhofflimmerpatienten geeignet. In den meisten Fällen ist eine rein medikamentöse Behandlung angeraten. Das Spektrum an Rhythmusmedikamenten und Gerinnungshemmern ist vielfältig, und in den vergangen Jahren sind zahlreiche neue Wirkstoffe auf den Markt gekommen. Mit einer Informationsveranstaltung am 9. Juli, die das Kompetenznetz Vorhofflimmern (AFNET) und das Universitätsklinikum Münster gemeinsam durchführen, wollen Prof. Eckardt und sein Team Betroffenen die Möglichkeit geben, sich einen Überblick über die neuen Medikamente bei Vorhofflimmern zu verschaffen. Im Anschluss an die Vorträge von PD Dr. Christian Pott und PD Dr. Gerold Mönnig gibt es reichlich Zeit für Fragen.
Das Kompetenznetz Vorhofflimmern
Das Kompetenznetz Vorhofflimmern (AFNET) ist ein interdisziplinäres bundesweites Forschungsnetz, in dem Wissenschaftler und Ärzte aus Kliniken und Praxen zusammenarbeiten. Ziel der Forschungsprojekte, klinischen Studien und Register, die im Kompetenznetz Vorhofflimmern durchgeführt werden, ist es, die Behandlung und Versorgung von Vorhofflimmerpatienten zu verbessern. Das Netzwerk besteht seit 2003 und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Die Netzwerkzentrale befindet sich am Universitätsklinikum Münster.
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