Feinstaubforscher aus Polen, Tschechien und Deutschland wollen enger kooperieren

In Leipzig vertreten waren Wissenschaftler aus Polen vom Institut für Umweltingenieurwesen der polnischen Akademie der Wissenschaften (IPIŒ PAN Zabrze), dem Institut für Ökologie in Industrieregionen (IETU Katowice), aus Tschechien vom Tschechischen Hydrometeorologischen Institut (CHMU Prag), dem Institut für Grundlagen chemischer Prozesse (ICPF Prag), dem Institut für Computerwissenschaften der tschechischen Akademie der Wissenschaften sowie aus Deutschland vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG), dem Helmholtz Zentrum München (HMGU) und dem Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (IfT).

Während die Industrie seit Ende der 90er Jahre ihre führende Rolle als Luftverschmutzer verloren hat, sind mittlerweile die zahlreichen kleinen, aber schwerer kontrollierbaren Emissionsquellen zum Feinstaubproblem geworden. Die Forscher waren sich einig, dass die gewachsenen Emissionen aus Verkehr und Hausbrand derzeit die größten Hindernisse für die Einhaltung der Feinstaubgrenzwerte darstellen. Aus Sparzwängen heraus steigen in allen drei Ländern wieder mehr Haushalte auf die Verfeuerung von Holz oder minderwertiger Kohle um. Hierbei kämen vermehrt auch veraltete Kleinfeueranlagen mit geringem Wirkungsgrad bei Energieumwandlung und Abgasreinigung zum Einsatz. In Polen und Tschechien sehen die Forscher mit Sorge, dass sich die Gesetzgeber kaum in der Lage sehen, Umweltstandards bei häuslichen Kleinfeuerungsanlagen durchzusetzen.

Meteorologisch gesehen sind während der Inversionswetterlagen vor allem der letzten Winter die Feinstaubkonzentrationen immer wieder auf Werte gestiegen, die gesundheitlich als bedenklich einzustufen sind. Besonders betroffen sind Bewohner von Tälern und Senken, in denen im Herbst und Winter kalte Luft zu liegen kommt und einen wirksamen Luftaustausch verhindert. So wurden beispielsweise im November 2011 im mährisch-schlesischen Becken um Ostrava (Mährisch-Ostrau) Rekordwerte von über 500 Mikrogramm pro Kubikmeter Feinstaub PM10 (d.h. alle Partikel kleiner 10 Mikrometer Durchmesser) registriert, also das Zehnfache des von der EU vorgesehenen Grenzwertes für das Tagesmittel. In der Problemregion an der tschechisch-polnischen Grenze kombinieren sich in ungünstiger Weise die vielfältigen Feinstaubemissionen aus Industrie, Kraftwerken, Verkehr und Kohleheizungen mit der Tallage des Ballungsraumes. Generell muss man jedoch auch feststellen, dass im Falle großräumiger Inversionswetterlagen wie im November 2011 und auch den vergangenen Wintern die Feinstaubprobleme vor kaum einer Region halt machen.

Zur genauen Aufschlüsselung der Verursacher des Feinstaubs betreiben die Forschungsinstitute in allen drei Ländern sogenannte „Supersites“ – dies sind Forschungsstationen, an denen detailliert die chemische Zusammensetzung, Größe, Anzahl und Masse der atmosphärischen Feinstaubpartikel gemessen werden. Die Aussagekraft dieser Daten geht somit deutlich über die Möglichkeiten der staatlichen Luftgütemessnetze hinaus. Zu diesen Supersites gehören in Deutschland Melpitz bei Leipzig (IfT) und Augsburg (Helmholz-Zentrum München), in Polen Racibórz (IPIS PAN) und in Tschechien Kosetice (CHMU). Die Forscher wollen künftig die Daten dieser Messstationen für gemeinsame Untersuchungen nutzen und die chemische Analyse auf Inhaltsstoffe des Feinstaubes durch gemeinsame Nutzung von Analysekapazitäten verbessern. Gleichzeitig sollen die in jedem Land existierenden Vorhersagemodelle für den Feinstaub verglichen und durch Erfahrungsaustausch verbessert werden. Im Fokus der Untersuchungen könnten dabei in Zukunft besonders die Region um Ostrava an der Grenze von Tschechien zu Polen und die deutsch-tschechische Grenzregion um das Erzgebirge stehen. „Wir wollen die in den drei Ländern vorhandene Expertise konsequent zusammenführen, auch um gemeinsam der Politik mögliche Lösungen aufzuzeigen. Es hat sich herausgestellt, dass uns alle ähnliche Probleme beschäftigen“, erklärt Dr. Wolfram Birmili vom IfT, der das erste Treffen organisiert hat. In einem ersten Schritt analysieren die Wissenschaftler nun gemeinsam die Ursachen und Abläufe der Feinstaubepisoden der beiden letzten Winter.

Tilo Arnhold

Weitere Infos:
Dr. Wolfram Birmili
Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (IfT)
Tel. 0341-235-2467
http://www.tropos.de/ift_personal.html
http://www.tropos.de/info/birmili_w.pdf
Links:
PL:
Institut für Umweltingenieurwesen der polnischen Akademie der Wissenschaften IPIS PAN
http://www.ipis.zabrze.pl/
Institut für Ökologie in Industrieregionen IETU
http://www.ietu.katowice.pl/
Institut für Meteorologie und Wasserwirtschaft IMGW
http://www.imgw.pl
CZ:
Tschechisches Hydrometeorologisches Institut
http://www.chmi.cz
Institut für Grundlagen chemischer Prozesse
http://www.icpf.cas.cz
D:
Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG)
http://www.smul.sachsen.de/lfulg/
Helmholtz Zentrum München (HMGU)
http://www.helmholtz-muenchen.de/
Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (IfT)
http://www.tropos.de/
Das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Ihr gehören zurzeit 87 Forschungsinstitute und Serviceeinrichtungen für die Forschung sowie zwei assoziierte Mitglieder an. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute bearbeiten gesamtgesellschaftlich relevante Fragestellungen strategisch und themenorientiert. Dabei bedienen sie sich verschiedener Forschungstypen wie Grundlagen-, Groß- und anwendungsorientierter Forschung. Sie legen neben der Forschung großen Wert auf wissenschaftliche Dienstleistungen sowie Wissenstransfer in Richtung Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Sie pflegen intensive Kooperationen mit Hochschulen, Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland.

Das externe Begutachtungsverfahren der Leibniz-Gemeinschaft setzt Maßstäbe. Jedes Leibniz-Institut hat eine Aufgabe von gesamtstaatlicher Bedeutung. Bund und Länder fördern die Institute der Leibniz-Gemeinschaft daher gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen etwa 16.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon sind ca. 7.100 Wissenschaftler, davon wiederum 2.800 Nachwuchswissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,3 Mrd. Euro, die Drittmittel betragen etwa 280 Mio. Euro pro Jahr.

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Dr. Wolfram Birmili IfT-News

Weitere Informationen:

http://www.leibniz-gemeinschaft.de

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