Facettenreiche Brückendisziplin

Wer eine Fremdsprache wirklich beherrschen will, der muss mehr verinnerlicht haben, als deren Wortschatz und Grammatik. Wie Prof. Dr. Adrian P. Simpson, Sprechwissenschaftler der Universität Jena, insistiert, kommt es auch auf die Sprechmelodie an. Diese nämlich trage nicht nur Informationen, sondern sie sei nicht zuletzt ein Instrument zur Übertragung von Emotionen. Und das Wie, das sei in diesem Fall kulturell sehr unterschiedlich.

Der gebürtige Brite Simpson erklärt das am Beispiel einiger deutschsprachiger Englischlehrerinnen, die er zwar sprachlich als ansonsten sehr gut erlebt hatte, die sich aber offenbar schämten, die für das Englische typische Sprechmelodie zu verwenden. Und tatsächlich erweckt eine entsprechende Demonstration des Sprechwissenschaftlers beim Hörer unweigerlich Assoziationen mit ältlichen, etwas schrill „singenden“ Ladys beim Teekränzchen. Oft, erklärt Simpson wiederum am Beispiel des Schwedischen, erreichen Nicht-Muttersprachler die typische Sprechmelodie erst, wenn sie die entsprechende Fremdsprache parodieren wollen.

Die Sprechmelodie ist aber nur ein Teil der facettenreichen Wissenschaftsdisziplin, die jährlich ihre neuesten Ergebnisse auf einem Symposium an wechselnden Universitätsstandorten präsentiert. In diesem Jahr tagen die Phonetiker und Phonologen am 12. und 13. Oktober an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

„Phonetiker und Phonologen“, erklärt Prof. Simpson, „beschäftigen sich mit der gesprochenen Sprache, mit deren Lautsystem, damit, wie das Sprechen funktioniert, wie das Sprachsignal übertragen und wie die gesprochene Sprache wahrgenommen und interpretiert wird.“ An den Universitäten seien Phonetiker und Phonologen jeweils zahlenmäßig in recht kleiner Zahl vertreten. Wo genau die Disziplin angesiedelt sei, in Jena ist sie der Germanistik zugeordnet, das sei von Uni zu Uni verschieden. „Es handelt sich um ein Brückenfach zwischen Geistes- und Naturwissenschaft, das Wissensbestände aus unterschiedlichen Richtungen integriert – beispielsweise aus der Medizin“, erläutert Simpson. Entsprechend betreut Sprechwissenschaftler Simpson auch fächerübergreifend angesiedelte Arbeiten – etwa von Psychologen, Romanisten oder Anglisten.

Interdisziplinarität und Facettenreichtum der Sprechwissenschaft spiegeln sich auch in der Tagung wider. So ist beispielsweise ein Vortrag der Aussprache des Wortes „Cent“ bei Sprecherinnen und Sprechern von verschiedenen Altersgruppen gewidmet. Ein anderer ist beispielsweise der Verwendung des Wortes „so“ in spontanem Berliner Kiezdeutsch gewidmet. Simpson selbst wird über einen seiner Forschungsschwerpunkte, nämlich über die akustischen Korrelate von Gender und sexueller Orientierung sprechen. Gut die Hälfte der etwa vierzig Vorträge ist als Poster konzipiert.

„Die Tagung ist auch für Doktoranden eine wichtige Gelegenheit, ihre Arbeiten vor einem Fachforum zu präsentieren“, betont Adrian Simpson. Das genaue Programm finden Interessierte unter: www.sprechwissenschaft.uni-jena.de. Anmeldungen zur Tagung in den Rosensälen werden entgegengenommen unter: pundp8[at]googlemail.com.

Kontakt:
Prof. Dr. Adrian P. Simpson
Institut für Germanistische Sprachwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Fürstengraben 30, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 944330
E-Mail: Adrian.Simpson[at]uni-jena.de

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Constanze Alt idw

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