Neues zur Chemie am Bau

Die Bauchemie hat sich zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor für das Baugewerbe entwickelt, das mit mehr als zwei Millionen Beschäftigten auch einer der wichtigsten Wirtschaftszweige in Deutschland ist. Die Anforderungen an Baustoffe nehmen stetig zu. Das betrifft beispielsweise die Qualität, die Verarbeitbarkeit, die Funktionalität, die Dauerhaftigkeit, das Recycling, den Ressourcenverbrauch und die Umwelteigenschaften.

Die Bauchemie besitzt eine Schlüsselrolle bei der Verwirklichung dieser Ziele. Durch ein sehr hohes Forschungsniveau ist es auf einigen Gebieten bereits gelungen, bauchemische Produkte und Werkstoffe anzubieten, die mit zur Weltspitze gehören. Allerdings gibt es für eine Reihe von Anforderungen noch keine ausreichenden wissenschaftlichen Grundlagen. An der Lösung dieser Fragestellungen wird sich die Fachgruppe Bauchemie verstärkt beteiligen.

Mit dem Schwerpunkt der diesjährigen Tagung, Nanotechnologien im Bauwesen, soll dazu beigetragen werden, über Grundlagen zur Entwicklung von Baustoffen für die Zukunft zu diskutieren. Nanotechnologien sind auch für die Baustoffindustrie und insbesondere für die bauchemische Industrie Schlüsseltechnologien mit einem erheblichen wirtschaftlichen Potenzial. Die Umsetzung von Nanotechnologien in vermarktungsfähige Baustoffe und bauchemische Produkte ist bisher nur ansatzweise erfolgt.

Beton, der wichtigste Massenbaustoff unserer Zeit, entwickelt sich immer mehr von einem Low-Tech- zu einem High-Tech-Produkt. Basis für diese Entwicklung sind neben optimierten Bindemitteln neue hochleistungsfähige organische Zusatzmittel und Zusatzstoffe im Mikro- und Nanobereich. Ein Beispiel ist der Ultra-Hochfeste Beton, bei dem durch Minimierung des Wasseranspruchs und eine maximale Packungsdichte Druckfestigkeiten erreicht werden, die denen von Stahl entsprechen. Bauten aus diesem Werkstoff können bei erheblicher Materialeinsparung und gleicher Tragfähigkeit wesentlich filigraner, leichter und dauerhafter hergestellt werden. Auch wenn bereits einige Objekte erfolgreich in der Praxis realisiert wurden, besteht auf diesem Gebiet noch ein erheblicher Forschungsbedarf. Ergebnisse eines vorgestellten Projektes zeigen, dass sich die mechanischen Eigenschaften dieses neuen Werkstoffs durch den Einsatz kohlenstoffbasierter Nanoröhren deutlich verbessern lassen, was ebenfalls für die Korrosionsbeständigkeit zu erwarten ist.

Die Bauwerkserhaltung und die Vermeidung von Bauschäden sind von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Deshalb wird in Siegen auch über verschiedene Möglichkeiten zur Erhöhung der Dauerhaftigkeit berichtet und diskutiert, wie den Einsatz von Paraffinen, Siliconen und Silanen. Höchst beanspruchte Ingenieurbauwerke, wie abwassertechnische Anlagen oder Kühlturmschalen, lassen sich durch ein neuartiges Oberflächenschutzsystem auf der Basis eines biegsamen Glases sanieren oder bei Neubau damit ausrüsten.

Dem Ziel der Reduktion der CO2-Emissionen und der Energieeinsparung dienen eine Reihe von Forschungsvorhaben, bei denen nach effektiven Wegen zur Nutzung von industriellen Reststoffen, wie Schlacken und Flugaschen für leistungsfähige Bindemittelsysteme gesucht wird, um so den Anteil an Zement zu reduzieren.

In Siegen werden erste Ergebnisse eines dreijährigen Forschungsvorhabens zu den Umwelteigenschaften, insbesondere zum Auslaugverhalten, mineralischer Werkmörtel vorgestellt. Hierbei geht es also vor allem um die Freisetzung von gefährlichen Substanzen durch Auslaugung in Boden und Grundwasser sowie Ausgasungen in die Innenraumluft. Besonders unter die Lupe genommen wurden hier in den letzten Jahren auch so genannte Injektionsmittel zur Abdichtung von Baugruben oder Trockenlegung von feuchten Mauern. Durch neue Produktentwicklungen beispielsweise auf Silikatbasis konnten die Umwelteigenschaften dieser Bauprodukte verbessert werden.

Moderne Mörtel und Betone werden durch Polymerdispersionen modifiziert, also in ihren Eigenschaften verbessert. Noch werden diese Polymere überwiegend petrochemisch hergestellt. In Forschungsvorhaben wird der Einsatz von Polymerdispersionen auf Basis nachwachsender Rohstoffe geprüft, wobei Saccharid-Derivate im Mittelpunkt stehen. Die Forschungsergebnisse sind viel versprechend.

Neben der Entwicklung neuer Baustoffe für die Zukunft, hat die Bauchemie auch eine herausragende Bedeutung für den Erhalt unseres Kulturerbes. Diesem Thema ist ein weiterer Schwerpunkt der Tagung gewidmet. Auch auf diesem Gebiet sind neue Konzepte für einen dauerhafteren Schutz historischer Bauwerke zu entwickeln. Am Beispiel der im vergangenen Jahr abgeschlossen Restaurierung des Lübecker Holstentors zeigt ein Vortrag die Bedeutung der Bauchemie in der Denkmalpflege auf. So muss der Restaurierungsmörtel bestimmten chemisch-physikalischen Anforderungen genügen, die sich aus der Analyse der historischen Mörtelproben ergeben. Diese Analysen lieferten auch wichtige Erkenntnisse über die Bauphasen und die Bauhistorie des Holstentors. Hinsichtlich der Baustoffverträglichkeit mussten die früher benutzten Mörtel, Bindemittel, Natursteine und keramischen Baustoffe berücksichtigt werden. Dabei wurde gleichermaßen auf die Nachhaltigkeit der Restaurierungsmaßnahmen geachtet.

Die Siegener Tagung unter Leitung von Professor Dr. Reinhard Trettin bietet ca. 200 Wissenschaftlern aus Hochschulen, Forschungsinstituten und Unternehmen Deutschlands, der Schweiz und Österreich ein Forum für intensive Diskussionen. Mit einem Beitrag über die Perspektiven bei Lacken und Beschichtungen mit Blick auf Nachhaltigkeit und Funktionalität von Oberflächen wird ein Schwerpunkt für die nächste Bauchemietagung 2008 vorgestellt.

Die Gesellschaft Deutscher Chemiker gehört mit über 27.000 Mitgliedern zu den größten chemiewissenschaftlichen Gesellschaften weltweit. Sie hat 25 Fachgruppen und Sektionen, darunter die Fachgruppe Bauchemie mit ca. 300 Mitgliedern. Die Fachgruppe besteht seit 1997, also seit 10 Jahren. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, bauchemische Kenntnisse zu bündeln, zum Informationsaustausch beizutragen und neue Impulse für Forschung und Entwicklung zu geben.

Kontakt:
Dr. Renate Hoer
Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V. (GDCh) Öffentlichkeitsarbeit Postfach 900440
60444 Frankfurt
Tel.: 069/7917-493
Fax: 069/7917-307
E-Mail: r.hoer@gdch.de

Media Contact

Dr. Renate Hoer GDCh

Weitere Informationen:

http://www.gdch.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Veranstaltungsnachrichten

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Anlagenkonzepte für die Fertigung von Bipolarplatten, MEAs und Drucktanks

Grüner Wasserstoff zählt zu den Energieträgern der Zukunft. Um ihn in großen Mengen zu erzeugen, zu speichern und wieder in elektrische Energie zu wandeln, bedarf es effizienter und skalierbarer Fertigungsprozesse…

Ausfallsichere Dehnungssensoren ohne Stromverbrauch

Um die Sicherheit von Brücken, Kränen, Pipelines, Windrädern und vielem mehr zu überwachen, werden Dehnungssensoren benötigt. Eine grundlegend neue Technologie dafür haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bochum und Paderborn entwickelt….

Dauerlastfähige Wechselrichter

… ermöglichen deutliche Leistungssteigerung elektrischer Antriebe. Überhitzende Komponenten limitieren die Leistungsfähigkeit von Antriebssträngen bei Elektrofahrzeugen erheblich. Wechselrichtern fällt dabei eine große thermische Last zu, weshalb sie unter hohem Energieaufwand aktiv…

Partner & Förderer