Vitamin-B- und Folsäure-Mangel im Visier

Vom 5. bis 9. Juni 2007 treffen sich auf Einladung von Professor Dr. Wolfgang Herrmann, Direktor der Klinischen Chemie und Laboratoriumsmedizin des Universitätsklinikums des Saarlandes, rund 400 Experten aus über 40 Ländern – darunter die USA, nahezu alle Europäischen Länder, Australien, Neuseeland, Arabische Länder, Türkei, China, Korea, Japan, Taiwan, Russland – zu einem Weltkongress in Saarbrücken, um sich über neue Erkenntnisse von Stoffwechselstörungen, der so genannten Hyperhomocysteinämie, auszutauschen.

Die Folge von Vitamin-B- und Folsäure-Mangel sind erhöhte Homocystein-Werte. Homocystein gilt in Fachkreisen als das neue Cholesterin und wird als Risikofaktor für eine Reihe von Erkrankungen, darunter neurodegenerative, Gefäß- und Herz-Kreislauferkrankungen angesehen.

Ist der Homocystein-Wert im Blut erhöht, steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Thrombosen, Schlaganfall, für atherosklerotische Gefäß- und neurodegenerative Erkrankungen, wie kognitive Störungen, Depressionen oder Alzheimer Demenz, aber auch für osteoprotische Knochenbrüche oder für Komplikationen in der Schwangerschaft. Hyperhomocysteinämie kann darüber hinaus auch mit einem erhöhten Tumorrisiko assoziiert sein.

Beim Homocystein handelt es sich um eine schwefelhaltige, nicht in der Nahrung vorkommende Aminosäure. Sie entsteht als Zwischenprodukt des Zellstoffwechsels beim Abbau von Methionin zu Cystein. Ist der Methionin-Stoffwechsel aufgrund eines Enzym- und/oder Vitaminmangels (Folsäure, Vitamin B12, B6) gestört, reichert sich Homocystein verstärkt im Blutplasma an (Hyperhomocysteinämie) und auch im Urin ist eine erhöhte Ausscheidung des Oxidationsproduktes Homocystin feststellbar (als Homocystinurie bezeichnet).

Auf dem Gebiet der Erforschung der Hyperhomocysteinämie ist die Abteilung für Klinische Chemie uns Laboratoriumsmedizin des Universitätskliniums des Saarlandes weltweit anerkannt. Neben den Aufgaben eines Zentrallabors bezüglich Routinediagnostik für die Patientenversorgung aller Kliniken des Campus ist die Forschungsgruppe um Prof. Dr. Wolfgang Herrmann auf die Erforschung der Zusammenhänge zwischen hohem Homocystein im Blutplasma und dem Auftreten von degenerativen Erkrankungen spezialisiert, wie Herzinsuffizienz, koronarer Herzkrankheit, neurodegenerative Erkrankungen, kognitive Störungen, Osteoporose, oder Schwangerschaftskomplikationen. Die Ergebnisse der Forschungen zum Thema Hyperhomocysteinämie wurden bislang in über 100 medline gelisteten Publikationen mitgeteilt. „Die Ergebnisse unserer Homocystein-Forschungen sind für immer mehr Menschen, vor allem ältere Menschen, von außerordentlicher Bedeutung“, betont Professor Dr. Wolfgang Herrmann, der sich auch als Mitbegründer und stellvertretender Vorsitzender in der DACH-Liga-Homocystein e.V. für die Erstellung von Richtlinien im Bereich Diagnostik, Therapie und Prävention der Stoffwechselstörung und deren Folgeerkrankungen einsetzt.

Erhöhte Konzentrationen von Homocystein werden bei 5 bis 10 Prozent der Allgemeinbevölkerung und bei bis zu 40 Prozent der Patienten mit Gefäßerkrankungen gemessen. Eine Konzentration von bis zu 10 µmol/l (mikro-Mol pro Liter) gilt als unbedenklich, bis zu 12 µmol/l sind bei ansonsten gesunden Menschen noch tolerierbar. Steigt der Wert aber über 12 µmol/l, sollte eine Therapie erfolgen.

Besonders ältere Menschen leiden häufig an Hyperhomocysteinämie, die durch einen Mangel an B-Vitaminen (Folsäure, B-12, B-6) wie auch gestörter Nierenfunktion verursacht wird. In Therapiestudien konnte Prof. Dr. Wolfgang Herrmann bei Nierenpatienten durch die Gabe pharmakologischer Dosen von B-Vitaminen das Homocystein im Blutplasma normalisieren.

Hyperhomocysteinämie und Vitamin B-12-Mangel stehen bei älteren Menschen mit verminderter kognitiver Leistung im Zusammenhang. „Es steht heute außer Zweifel, dass Hyperhomocysteinämie ein wichtiger Risikofaktor für die Minderung kognitiver Leistungen im Alter wie auch für die Entwicklung von Altersdemenz ist. In eigenen Studien in Zusammenarbeit mit der Reha-Klinik St. Ingbert, Saarland, konnten wir demonstrieren, dass mit intensivierter B-Vitaminbehandlung Leistungsverbesserungen in verschiedenen kognitiven Scores möglich sind“, betont Prof. Dr. Wolfgang Herrmann.

Hyperhomocysteinämie ist aber auch Risikofaktor für die Entwicklung osteoporotischer Frakturen und Vitamin B12-Mangel für die Entwicklung von Osteopenie. In Zellkulturexperimenten mit Osteoklasten und Osteoblasten untersucht die Forschergruppe um Prof. Dr. Wolfgang Herrmann die molekularen Mechanismen der zellschädigenden Wirkungen einer Hyperhomocysteinämie. In klinischen Studien wird untersucht, inwieweit sich mit sog. Knochenmarkern ein vermehrter Knochenabbau bei Hyperhomocysteinämie nachweisen lässt und ob Vitaminbehandlung ein signifikanten Einfluss auf den Knochenstoffwechsel hat.

„Der genügenden Aufnahme von Vitamin B-12 ist gerade im Alter besondere Beachtung zu schenken, denn es sind häufig ältere Menschen oder Vegetarier, die leicht einen Vitamin B-12 Mangel entwickeln“, betont Professor Herrmann. Tierische Nahrungsmittel (Fleisch, Eier, Milchprodukte) oder Fisch sind die Vitamin B12-Quellen unserer Ernährung. Vitamin B6 und B9 (Folat) sind besonders in Getreide, Kartoffeln, Obst und Gemüse, Fleisch, Leber oder Milch vorhanden.

Besonders auch Schwangere und Stillende, Personen mit Magen-Darm-Erkrankungen und Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes sowie Raucher und Alkohol-Konsumenten müssen auf ausreichende B-Vitamin-Zufuhr achten, so die Empfehlung von Experten. Zur Vorbeugung eines Folatmangels sollte man fünf Portionen frisches Obst und Gemüse am Tag zu sich zu nehmen und die Nahrung schonend zuzubereiten (nicht zu stark erhitzen, nicht wässern, da sonst ein großer Teil des Folats verloren geht). Jedoch reicht die gemüse- wie obstreiche Kost sehr häufig nicht aus, um die Versorgung mit B-Vitaminen und hier allem Folat zu decken, so dass eine Supplementation mit B-Vitaminen wichtig ist. Aufgrund unseres Lebensstils haben wir beispielsweise eine Unterversorgung mit Folat, die über eine Vitaminsupplementation vermeidbar ist.

In weiteren Projekten hat die Homburger Forschergruppe auch die Bedeutung des Vitamin B-12-Status der Mutter für die Entwicklung des heranwachsenden Föten untersucht. In den USA und in Kanada ist beispielsweise ein Folsäurezusatz (Vitamin B9) zu Getreideprodukten gesetzlich vorgeschrieben. Dadurch hat sich in diesen Ländern die Versorgung mit dem Vitamin enorm verbessert. Messbar ist das an der abnehmenden Zahl von Kindern mit einem Neuralrohrdefekt, wie beispielsweise einer Form von Spina bifida, einer Anenzephalie oder einer Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte. Seit man dem Mehl obligatorisch Folsäure zusetzt, werden in diesen Ländern nur noch etwa halb so viele Kinder mit derartigen Fehlbildungen geboren.

Für Fragen steht Ihnen gerne zur Verfügung:

Prof. Dr. Wolfgang Herrmann, Tel. (06841) 16 30700, Fax (06841) 16-30703,
E-Mail: prof.wolfgang.herrmann@uniklinikum-saarland.de
contact@homocystein-conference.org

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