Renaissance eines Klassikers für die Sprit-Produktion

Max-Planck-Institut für Kohlenforschung würdigt 80 Jahre Fischer-Tropsch-Synthese zur Treibstoff-Produktion aus Kohle

Infolge des knapper werdenden Erdöls ist weltweit das Interesse an der Herstellung flüssiger Kohlenwasserstoffe aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff mit Hilfe von Metallkatalysatoren, der so genannten Fischer-Tropsch-Synthese, wieder erwacht. Wie bereits vor mehr als 90 Jahren steht auch heute im Max-Planck-Institut für Kohlenforschung die chemische Katalyse im Zentrum der wissenschaftlichen Forschung. Am 15. Dezember soll ein Kolloquium an die beiden weltberühmten Chemiker des Instituts, Franz Fischer und Hans Tropsch, und ihre bahnbrechende Erfindung in der chemischen Katalyse vor 80 Jahren erinnern. Im Großen Hörsaal des Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung, Lembkestraße 5, in Mülheim an der Ruhr spricht um 16:00 Uhr zunächst Prof. Dr. Manfred Rasch, Historiker und Leiter des Archivs der ThyssenKrupp AG, Duisburg, zum Thema „Entdeckung der Fischer-Tropsch-Synthese und die Folgen für das Kaiser-Wilhelm-Institut für Kohlenforschung“. Danach berichtet Dr. Matthijs Senden, Forschungsleiter bei Shell Global Solutions International BV, Amsterdam, Niederlande, in seinem Vortrag „Gas to Liquids: Fischer Tropsch at work for a New Industry“ über die heutige großtechnische Anwendung der einst in Mülheim gemachten Erfindung.

Im Jahre 1925 meldeten Professor Franz Fischer, Gründungsdirektor des Mülheimer Kaiser-Wilhelm-Instituts für Kohlenforschung, und sein Abteilungsleiter Dr. Hans Tropsch ein Verfahren zur Herstellung flüssiger Kohlenwasserstoffe aus den Gasen Kohlenmonoxid und Wasserstoff mit Hilfe von Metallkatalysatoren zum Patent an. Die hierbei synthetisierten Kohlenwasserstoffe bestehen hauptsächlich aus flüssigen Alkanen, auch Paraffinöle genannt. Als Nebenprodukte erhält man noch Olefine, Alkohole und feste Paraffine (Wachse).

Die benötigte Gasmischung aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff, das so genanntes Synthesegas, lässt sich aus Koks oder Kohle durch Umsetzung mit Wasserdampf und Sauerstoff bei Temperaturen oberhalb von 900 Grad Celsius in der Kohlevergasung erzeugen. Auch das Leucht- und Stadtgas bestand früher, bevor es seit den 1970-ziger Jahren durch importiertes Erdgas (Methan) ersetzt wurde, aus Kohlenmonoxid-Wasserstoff-Gemischen, die in den städtischen Gaswerken durch Vergasung von Koks hergestellt wurden. Kohlevergasung und die von Fischer und Tropsch vor 80 Jahren entdeckte Kohlenwasserstoffsynthese bilden zusammen eine zweistufige Reaktionsfolge, mit der man den festen Brennstoff Kohle in flüssige Treibstoffe wie Dieselkraftstoff und Benzin umwandeln kann.

Der zweite Weg zur Verflüssigung von Kohle ist die nur wenige Jahre zuvor von Friedrich Bergius 1913 in Hannover gefundene Kohlehydrierung, heute direkte Kohleverflüssigung genannt, bei der Kohle mit Wasserstoff zu einem Kohleöl umgesetzt wird, das anschließend ähnlich wie Erdöl in Raffinerien zu Benzin weiterverarbeitet werden kann. Allerdings lassen sich nach dem Bergius-Verfahren nur Braunkohlen und „geologisch junge“ Steinkohlen, sog. hochflüchtige Steinkohlen, direkt verflüssigen, während die indirekte Kohleverflüssigung über die Herstellung von Synthesegas und Fischer-Tropsch-Synthese allgemein auf alle Kohlen sowie auch auf andere kohlenstoffhaltige Rohstoffe anwendbar ist.

Die Umsetzung der Fischer-Tropsch-Synthese im Industriemaßstab erfolgte ab 1935 bei der Ruhrchemie in Oberhausen, dem heutigen Werk Ruhrchemie der Celanese AG. Anfang der 1940-ziger Jahre wurden in neun deutschen Produktionsanlagen insgesamt etwa 600.000 Tonnen flüssige Kohlenwasserstoffe pro Jahr aus Kohle nach dem Mülheimer Verfahren hergestellt. In Lizenz der Ruhrchemie waren weitere vier Anlagen in Japan sowie je ein Werk in Frankreich und in der Mandschurei in Betrieb. Nach dem zweiten Weltkrieg hat die Konkurrenz des Erdöls das Synthesebenzin aus Kohle unrentabel werden lassen. Nur die Republik Südafrika hat aus politischen Gründen ab 1950 in Sasolburg neue Produktionsanlagen zur Fischer-Tropsch-Synthese errichtet. Gegenwärtig produzieren die zwei Anlagen von Sasol Synfuels aus 45 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr etwa 28 Prozent des südafrikanischen Bedarfs an Dieselkraftstoff und Benzin.

Synthesegas kann auch aus Erdgas – und zwar kostengünstiger als aus Kohle – erzeugt werden. Seit 1993 betreiben Shell in Malaysia (Bintulu) und PetroSA in Südafrika (Mossel Bay) industrielle Fischer-Tropsch-Synthesewerke, in denen aus Erdgas hergestelltes Synthesegas zur Produktion von flüssigen Kraftstoffen eingesetzt wird (Gas To Liquid = GTL). Ein drittes derartiges Produktionswerk für synthetische Kraftstoffe wird zurzeit in Katar am Persischen Golf von Sasol und Qatar Petroleum gebaut. 2004 wurde weltweit die Planung von insgesamt neun weiteren GTL-Anlagen angekündigt, bei denen in der Mehrzahl der Fischer-Tropsch-Prozess zur Anwendung kommen dürfte.

Seit einigen Jahren werden in Deutschland am Forschungszentrum Karlsruhe, an der Technischen Universität Clausthal sowie in Freiberg bei Choren Industries GmbH, Future Energy GmbH und an der dortigen Technischen Universität neue Prozesse zur Herstellung von flüssigen Kraftstoffen aus Biomasse (Biomass To Liquid = BTL) entwickelt. Bei allen diesen BTL-Technologien wird ebenfalls die Fischer-Tropsch-Synthese angewendet, für die das benötigte Synthesegas durch Vergasungsprozesse von Holz, Stroh und anderen Rohstoffen pflanzlichen Ursprungs hergestellt wird.

Angesichts des rasanten Preisanstiegs von Erdöl und der dramatischen Folgen, welche die diesjährige Hurrikansaison für die amerikanische Ölförderung und -verarbeitung im Golf von Mexiko hatte, besinnt man sich in den USA auf die riesigen Vorräte heimischer Kohle. 2006 will man in Gilberton, Pennsylvania, mit dem Bau der ersten amerikanischen Anlage zur Produktion von Dieselkraftstoff aus Kohle beginnen, bei der die indirekte Kohleverflüssigung (Coal To Liquid = CTL) mittels Kohlevergasung und nachfolgender Fischer-Tropsch-Synthese angewendet wird. Zwei weitere ähnliche amerikanische Projekte sind in der Diskussion und auch China, das schon 2002 mit der Planung einer kommerziellen Anlage zur direkten Kohlenverflüssigung (Kohlehydrierung) in der Provinz Innere Mongolei begonnen hat, investiert neuerdings ebenfalls in die auf der Fischer-Tropsch-Synthese beruhende indirekte CTL-Technologie.

Weitere Informationen erhalten Sie von:

Prof. Dr. Matthias W. Haenel (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit)
Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, Mülheim an der Ruhr
Tel.: 0208 306-2430
Fax: 0208 306-2980
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