Kritik an Werbekampagne für "Hörpille"

Ein breites Themenspektrum diskutieren rund 2000 Wissenschaftler und Ärzte auf der 72. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie, die am 27. Mai in Hamburg zu Ende geht. Auf der Tagung äußerten sich Experten kritisch zu Aussagen, eine Schwerhörigkeit könne pharmakologisch gebessert werden: Die Wirkung einer vom Hersteller heftig beworbenen „Pille gegen Hörstörungen“ sei bisher in keiner veröffentlichten Studie belegt.

(Hamburg) Rund 2000 Ärzte treffen sich vom 23. bis 27. Mai zur 72. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie im Congress Centrum Hamburg. Erkrankungen der Speicheldrüsen – Entzündungen, gut- und bösartige Erkrankungen – gehören zu den Hauptthemen.

Bei Operationen an den Ohrspeicheldrüsen etwa, können HNO-Ärzte inzwischen während dieses komplizierten Eingriffes durch eine gezielte Überwachung des Facialis-Nervs („Neuromonitoring“) dessen Beschädigung und damit Gesichtslähmungen vermeiden. Hoffnung setzen die HNO-Ärzte auch auf die Gewebezüchtung: Ist die Speichelproduktion der Drüsen verringert, beispielsweise nach einer Strahlentherapie im Kopf-Hals-Bereich, kann in Zukunft körpereigenes Drüsengewebe des Patienten vor der Behandlung entnommen, vermehrt und nach Abschluss der Strahlentherapie implantiert werden. Ebenso können Spezialisten die Drüsen vor der Bestrahlung operativ verlagern und so ebenfalls schützen.

„Erstmals auf diesem Kongress wird durch Life-Operationen aus den OPs der Hamburger HNO-Universitätsklinik der aktuelle Stand operativer Techniken bei verschiedenen HNO-Erkrankungen durch erfahrene Operateure demonstriert“, erklärt Professor Ulrich Koch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde.

Wirkung der „Hörpille“ nicht in veröffentlichten Studien belegt

Kritisch äußerte sich Koch zu der Werbekampagne eines Unternehmens, das seit einiger Zeit mit der Aussage „Pille gegen Hörschwäche ist da!“ die Möglichkeit einer pharmakologischen Behandlung der Schwerhörigkeit suggeriert. „Leider“, so Koch, „ist eine Schädigung der Sinneszellen im Innenohr pharmakologisch nicht reparabel.“

Die bislang in keiner wissenschaftlichen Fachzeitschrift veröffentlichte Studie, mit der das Unternehmen Apotheker und Medien gleichwohl von der Wirksamkeit des frei verkäuflichen Altpräparates zu überzeugen versucht, hätte nach Meinung der Experten auch kaum Chancen von einer seriösen Fachzeitschrift veröffentlicht zu werden. „Es fehlen darin etwa entscheidende Informationen über die Patienten-Auswahl, die Messergebnisse des Hörvermögens, (Audiogramme) sowie vor allem statistische Analysen, die zum kleinen Einmaleins aller Arzneimittelstudien gehören.“

Die Pille enthält eine bunte Mixtur von Vitaminen und andere Wirkstoffen wie getrockneter Hefe in geringer Dosierung. Damit ist zwar ziemlich sicher, dass sie Patienten nicht schadet. Doch einen bislang nachweisbaren Nutzen hat nur der Hersteller: 100 Kapseln kosten 130 Mark.

Pressekonferenz
Freitag, 25. Mai 2001, 13.00 Uhr
Raum „Planten und Blomen“, CCH, Am Dammtor, Hamburg

Pressestelle: Barbara Ritzert, ProScientia GmbH
Andecheser Weg 17; 82343 Pöcking; Tel.: 08157/93 97-0; Fax: 08157/93 97-97;
e-mail: ritzert@proscientia.de

Rückfragen an:
Prof. Dr. med. Ulrich Koch
Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde,
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Martinistraße 52
20246 Hamburg
Tel.: 040-42803-2360; Fax: 040-42803-6319
e-mail: u.koch@uke-uni-hamburg.de

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Dipl. Biol. Barbara Ritzert idw

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