Chancen und Risiken der Xenotransplantation

Im vergangenen Jahr ist ein bemerkenswerter Zuwachs an Untersuchungen zur Xenotransplantation zu verzeichnen gewesen, allerdings können der Nutzen für die Patienten und die möglichen Risiken dieser Behandlungsform noch nicht vollständig abgeschätzt werden. Dieses Fazit zogen Transplantationsmediziner, Immunologen, Virologen, Ethiker, Juristen und Vertreter der zulassenden Behörden auf dem 4. Minisymposium der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Xenotransplantation (DAX) am 11. Mai 2001 im Robert Koch-Institut. In die Xenotransplantation, die Übertragung von Zellen, Geweben und Organen vom Tier auf den Menschen, setzen viele Mediziner und Patienten große Hoffnungen. Denn die Methode könnte die Probleme, die durch den Mangel an humanen Spenderorganen entstehen, beseitigen helfen und auch bei Krankheiten wie Diabetes oder Alzheimer, bei denen wichtige körpereigene Zellen zugrunde gehen, erstmals Heilungschancen eröffnen.

Schweine sind wegen ihres Stoffwechsels, der dem des Menschen ähnelt, wegen der vergleichsweise großen mikrobiologischen Sicherheit und aus Kostengründen die favorisierten Spendertiere. Nach wie vor ist jedoch eine große Hürde, dass ihre Organe im menschlichen Körper vehement abgestoßen würden. Zudem ist noch unklar, ob neue Krankheitserreger vom Tier auf den Menschen übertragen würden. „Vor einer klinischen Anwendung der Xenotransplantation müssen daher sorgfältige Forschungsarbeiten geleistet werden, um zu klaren Aussagen über den Nutzen für den Patienten und die möglichen Risiken zu kommen“, sagte der Präsident des Robert Koch-Instituts, Professor Reinhard Kurth, zur Eröffnung der Tagung.

Während die meisten Erreger durch Auswahl und geeignete Haltung der Schweine beseitigt werden können, ist das für die endogenen Retroviren des Schweins, die porcinen endogenen Retroviren (PERVs), nicht möglich. Diese Viren sind im Erbgut aller Schweine verankert und können im Experiment menschliche Zellen infizieren. Ob auch im Empfängerorganismus eine Infektion stattfinden kann und welche Folgen das haben würde, wird derzeit untersucht. Dr. Joachim Denner vom Robert Koch-Institut zeigte im vergangenen Jahr an Zellkulturen, dass sich PERVs an menschliche Zellen anpassen können und sich dadurch immer besser vermehren. Es gibt aber Hinweise, dass der Organismus das artfremde Virus trotz des unterdrückten Abwehrsystems in Schach halten kann. Dies zeigen Untersuchungen Denners bei Affen, die mit großen Mengen porciner Retroviren behandelt wurden, und deren Immunsystem (ähnlich wie nach einer Transplantation) unterdrückt wurde. Auch bei Affen, die Organe vom Schwein erhalten hatten, ließen sich die endogenen Retroviren vom Schwein nicht nachweisen.

Da erste klinisch-experimentelle Xenotransplantationen bereits durchgeführt werden, zum Beispiel die Übertragung von Schweinehaut auf Patienten mit gravierenden Brandverletzungen oder von verkapselten Inselzellen vom Schwein auf Diabeteskranke, gewinnt die Frage nach Kriterien für die klinische Anwendung an Bedeutung. Einerseits muss den Patienten Rechnung getragen werden, die ohne eine Transplantation häufig frühzeitig sterben, andererseits sollte vermieden werden, dass neuartige Krankheitserreger vom Tier in den Menschen gelangen und sich möglicherweise in der Bevölkerung ausbreiten. Professor Karl-Friedrich Sewing vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer, der derzeit eine Richtlinie zur Xenotransplantation erarbeitet, hält die Etablierung eines begleitenden Systems von Beratung, Zustimmung und Dokumentation für erforderlich. Diese Ansicht wird vom Robert Koch-Institut geteilt. Ebenso wie Dr. Elettra Ronchi von der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) sprach Karl-Friedrich Sewing sich auf dem Symposium auch dafür aus, für die klinische Xenotransplantation Überwachungs- und Vorsichtsmaßnahmen im übernationalen Rahmen zu erarbeiten.

Eine Studie der „Europäischen Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen“, die auf dem Symposium vorgestellt wurde, empfiehlt die Schaffung einer zentralen Kommission, die konkreten klinischen Anwendungen zustimmen muss, und sie empfiehlt vor allem eine verstärkte naturwissenschaftliche Forschungstätigkeit und eine sachliche, alle Chancen und Risiken abwägende Diskussion auch in der Öffentlichkeit. Insbesondere hierzu trägt die von Joachim Denner (Robert Koch-Institut) und Ralf Tönjes (Paul-Ehrlich-Institut) geleitete DAX, in der Transplantationschirurgen, Immunologen, Physiologen, Veterinärmediziner, Mikro-Biologen, Virologen, Ethiker, Industrie- und Behördenvertretern zusammenarbeiten, mit ihrem jährlichen Minisymposium Xenotransplantation nun bereits zum vierten Mal bei.

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Heidrun Wothe

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