Bauchemie und Lackchemie mit Synergieeffekten

Warum? Das machen bereits die vier Plenarvorträge, mit denen die dreitägige Veranstaltung am 22. September in Koblenz beginnt, deutlich: Es geht um die Faszination, die Farben auf Architekten und Designer ausüben, um die Verarbeitbarkeit von Bautenfarben, um nanostrukturierte Calciumcarbonat-Partikel für Lacke und Baustoffe und um Materialien und Methoden zur Sanierung des Kölner Doms.

Für Angelika Rösner, die eine Professur für Produktdesign an der Hochschule Niederrhein innehat, stehen Farben, Oberflächen und Materialien als sinnliche Vermittler im Industrie- (inkl. Handwerk, Haushalt, Wohnen), Grafik- und Textildesign sehr stark im Vordergrund. In ihrem Vortrag über Farbgestaltung an Oberflächen macht sie deutlich, dass über die Farbe ein besonderer Einfluss auf den Lebensraum des Menschen ausgeübt werden kann. Farben sorgen für das Ambiente in Räumen und geben der Architektur Charakter, bei Automobilen und anderen Konsumgütern sind sie ein wichtiges Marketinginstrument.

In ganz anderem Sinne praxisbezogen geht es im Vortrag von Dr. Engin Bagda zu, Leiter des Dr. Robert-Murjahn-Instituts, einem Forschungsinstitut für Beschichtungsstoffe, Fassadensysteme und gesundes Wohnen in Ober-Ramstadt. Unter dem Titel „Malerkraft gegen Farbenstärke“ macht er darauf aufmerksam, dass die Kraft, mit der die Dispersionsfarbe (in der Regel mit der Rolle) verarbeitet wird, wichtig für die Qualität des Anstrichs und die Beurteilung der Farbe ist.

Am Institut wurde ein Malerergometer entwickelt, mit dem es dem Verarbeiter gelingt, mit minimalem Kraftaufwand möglichst viel Fläche zu beschichten und so eine maximale Leistung zu erbringen. Was das mit Chemie zu tun hat? Der Kraftaufwand ist abhängig von der Viskosität der Dispersionsfarbe, und die Viskosität zu optimieren, ist ein physikalisch-chemisches Problem, das mit rheologischen Additiven gelöst werden kann.

Detlef Gysau, Experte für Calciumcarbonat-Füllstoffe und Bautenfarben, leitet die Applied Technology Services for Paints, Coatings & Adhesives bei Omya International in der Schweiz. Calciumcarbonat in Form von Kreide wurde schon bei den ältesten Höhlenmalereien und im Altertum zur Verbesserung von Deckvermögen und Helligkeit verwendet.

Farben und Lacke können heute bis zu 42 Prozent aus Füllstoffen bestehen, und der Marktanteil der natürlichen Calciumcarbonate liegt bei etwa 75 Prozent. Nimmt man synthetisches (gefälltes) Calciumcarbonat hinzu, wird ein Marktanteil von 85 Prozent erreicht. Gysau stellt in seinem Vortrag nanostrukturierte Calciumcarbonat-Partikel vor, wie man sie herstellen kann – was z.T. auch der Natur abgeschaut wird – und wie sie als Füllstoffe die Eigenschaften von Baustoffen und Lacken verbessern können.

In die Bauchemie musste sich die studierte Architektin und Kunsthistorikerin Professor Dr. Barbara Schock-Werner spätestens intensiv einarbeiten, als sie 1999 ihre Stelle als Dombaumeisterin an der Dombauhütte zu Köln – die erste Frau in 750 Jahren Dombau – antrat. Ein Bauwerk dieses Alters, dieser Größe, mit einer enorm großen Oberfläche und teilweise wenig beständigen Steinmaterialien ist Anlass und Ziel ständiger denkmalpflegerischer Arbeit.

Man darf gespannt sein, was sie über Materialien und Methoden zur Sanierung des Kölner Doms zu berichten weiß. Sicher wird sie auch viel neues Wissen über moderne Baustoffe und Lacksysteme von der Koblenzer Tagung mitnehmen, beispielsweise über Mikroverkapselung von Baustoffen, über Kieselsole im Bautenschutz, über photokatalytisch aktive Gipsputze und Baufarben, über hydrophobierende Imprägnierungen oder über Biotechnologie in der Lackentwicklung.

Drei Preise werden während der Tagung verliehen. Die Hans-Kühl-Medaille der Fachgruppe Bauchemie, der Lackchemie-Preis und der Farbe&Lack-Preis, den die Zeitschrift „Farbe und Lack“ in diesem Jahr zum 20. Mal verleiht. Vincentz Network und die Fachgruppe Lackchemie werden wie üblich ihre Preisträger erst bei der Verleihung am 23. bzw. 24. September bekannt geben. Der Bauchemie-Preisträger hingegen steht fest: Professor Dr. Wolfgang Wieker aus Berlin, der für sein wissenschaftliches Lebenswerk auf dem Gebiet der Bauchemie, seine hervorragenden Leistungen auf dem Gebiet der Zementchemie und insbesondere für die Entwicklung der Festkörper-NMR-Spektroskopie für anorganische Bindemittel ausgezeichnet wird.

Die Gesellschaft Deutscher Chemiker gehört mit über 28.000 Mitgliedern zu den größten chemiewissenschaftlichen Gesellschaften weltweit. Sie hat 25 Fachgruppen und Sektionen, darunter die Fachgruppe Bauchemie mit ca. 300 Mitgliedern. Die Fachgruppe besteht seit 1997. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, bauchemische Kenntnisse zu bündeln, zum Informationsaustausch beizutragen und neue Impulse für Forschung und Entwicklung zu geben. Die Fachgruppe Lackchemie mit 420 Mitgliedern besteht seit 61 Jahren. Sie sieht ihre Aufgaben u.a. in der aktiven Förderung der Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet der Beschichtungsstoffe und Pigmente und damit verbundener Rohstoffe, Produkte und Technologien sowie in der Mitarbeit bei technischen und politischen Fragestellungen der europäischen und deutschen Gesetzgebung.

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