Deutsche Urologen im Ausland: Als Experten weltweit gefragt

Made in Germany. Drei Worte, die jahrzehntelang als Gütesiegel galten. Im Bereich der Urologie sind sie es immer noch. Deutsche Ärzte sind begehrt im Ausland, und Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. praktizieren auf allen Kontinenten. Die Gründe sind verschieden – Lust auf Abwechslung, Karrierechancen, neue Herausforderungen, bessere Arbeitsbedingungen.

„Die Aufnahme als deutscher Arzt ist exzellent; für gewöhnlich geht man nach Amerika als Spezialist mit besonderen Fähigkeiten, und diese Tatsache wird sehr respektiert“, sagt Dr. Ingolf Tuerk, Professor für Urologie und Chef der minimalinvasiven-laparoskopischen Urologie an der Uniklinik in Boston, Massachusetts. Seine Bilanz nach fünf Jahren in den USA ist ausgesprochen positiv. Ein wesentlicher Beweggrund für ihn, sich aus Deutschland abwerben zu lassen, war der viel einfachere Zugang zu neuen Techniken und Instrumenten, wie er sagt. „Die finanzielle Ausstattung der Krankenhäuser hier in Amerika ist deutlich besser.“

Das spiegelt sich in seinem Arbeitsalltag wieder, der in mancher Weise dem deutschen sehr ähnelt und doch in wesentlichen Dingen ganz anders ist. „Der wichtigste Unterschied ist, dass man in jedem Fall unabhängig und selbstständig arbeitet“, sagt Professor Tuerk. „Man sieht, diagnostiziert und operiert seine eigenen Patienten völlig unabhängig vom Chefarzt, der eigentlich nur administrativ fungiert und sich nicht in die Behandlung einmischt. Außerdem habe ich sehr gute Unterstützung, so dass mir eine Menge Routineaufgaben abgenommen werden und ich mich auf das Wesentliche konzentrieren kann.“ Ihm steht eine eigene Sekretärin zur Seite, ein Arzt als Assistenz, der sich um die ambulanten Patienten kümmert und Patienten zur OP vorbereitet, und zudem ein weiterer Arzt als „Chief resident“, der „sich vor, während und nach der OP um alles Notwendige hinsichtlich der Patienten kümmert“.

Zwei bis drei Operationen erledigt Professor Dr. Tuerk pro Arbeitstag, viermal in der Woche. Außerdem überwacht er als Chef der minimalinvasiven-laparoskopischen Urologie drei weitere Ärzte, denen er in erster Linie als Ratgeber zur Verfügung steht. An seinem Kliniktag sieht er neue Patienten. Etwa eine dreiviertel Stunde veranschlagt er pro Patient, um sie über Behandlungsmöglichkeiten und mögliche Komplikationen aufzuklären. Erschwert wird seine Arbeit zwar durch hohen bürokratischen Aufwand bei der Behandlung, der jedoch wegen der in den USA relativ weit verbreiteten Arzthaftungsprozesse unvermeidbar ist.

Bereut hat Professor Tuerk den Wechsel nach Boston nicht für eine Minute. „Ich habe mich ausgezeichnet etabliert, habe einen größeren Patientenandrang als ich bewältigen kann, und privat bin ich sehr glücklich. Wobei ich zugeben muss, dass meine Heirat mit einer Amerikanerin meine Integration sicher dramatisch erleichtert hat.“

USA: Optimale Arbeitsbedingungen

Auch der ebenfalls mit einer Amerikanerin verheiratete Professor Dr. Dominic Frimberger ist in den Staaten glücklich geworden als Mediziner und als Privatmann. Ihn reizte nach dem Studium in Deutschland die Möglichkeit, sich in den USA als Kinderurologe weiterzubilden, vor allem, da er während des Studiums einen Monat lang in einem Krankenhaus im kalifornischen Fresno in der Chirurgie gearbeitet hatte und beeindruckt von den dortigen Verhältnissen war. „Bereits als Student wurde man vollständig in die tägliche Arbeitsroutine aufgenommen“, sagt er. „Man durfte sehr viel aktiv mitarbeiten.“

Außerdem sei es in Amerika einfacher, sich zu spezialisieren, und es gebe im Gegensatz zur deutschen Hierarchie keine Konkurrenz um die Operationen. „Der Chef der Abteilung hat Interesse daran, möglichst viele Spezialisten anzustellen, um ein möglichst breites Spektrum in der Urologie abzudecken. Dabei wird sogar die Weiterentwicklung des einzelnen unterstützt und Werbung für diese Spezialisten gemacht“, lobt Professor Dr. Frimberger, der nach seiner Zusatzausbildung am Johns Hopkins Hospital in Baltimore seit 2004 als klinischer Kinderurologe an der Universität von Oklahoma angestellt ist. Zwei bis drei Tage für Operationen und ein bis zwei Tage Klinik lassen ihm nebenbei noch genügend Zeit für klinische und Laborforschung. „Akzeptanz ist kein Problem. In der Regel ist es hier egal, woher man kommt, solange man gute Arbeit macht. Und Deutsche werden im Allgemeinen gut aufgenommen.“

Spontan nach Palma de Mallorca

Für Dr. Markus Künkel war der Weg in die Integration weiter, obwohl er geographisch deutlich näher an der alten Heimat ist. Sein Umzug nach nur wenigen „Testwochenenden“ von Freiburg nach Palma de Mallorca 1997 war „eine nicht ganz risikolose Spontanentscheidung“, sagt er. „Mir war angeboten worden, in einer Praxisgemeinschaft mitzumachen. Spanien war damals ein boomendes Land mit völliger unternehmerischer Freiheit, und es bestand eine Versorgungslücke, wie geschaffen für einen operativ versierten Urologen. Ich konnte an allen Privatkliniken Palmas operieren und war ein gern gesehener Gast dort, weil die Kliniken natürlich auch Geld verdienten, wenn ich Patienten privat aufnahm.“

Ein großer Nachteil allerdings war die Sprachbarriere, die auch die berufliche Integration erschwerte. „Ich mischte zunächst gar nicht im spanischen Markt mit, sondern versorgte, wie alle deutschen Ärzte, die Ausländer, damals zu 90 Prozent deutsche Patienten, die dort einen Zweitwohnsitz hatten, oder Touristen.“

Doch der Urologe hielt durch. Er nahm jahrelang privaten Sprachunterricht, „und nach zwei auf spanisch gehaltenen Vorträgen auf der Regional-Tagung der hiesigen Urologen wurde ich nach fünf Jahren auf der Insel gebeten, am renommiertesten Urologieinstitut in Palma mitzuarbeiten, was ich auf freier Basis dann auch tat. Das war der integrative Durchbruch.“

Ohne den und perfekte Spanischkenntnisse hätte Dr. Künkel nie das erreicht, was ihm seitdem gelungen ist, obwohl sich die Verhältnisse seit 1997 drastisch verändert haben. „Inzwischen haben wir trotz wirtschaftlicher Krise eine Ärzteschwemme“, sagt er. Doch er hat sich inzwischen einer auf ausländische Patienten spezialisierten Privatklinik angeschlossen und zugleich seine Belegarztpraxis beibehalten. „Ich bin Teil des spanischen Marktes geworden“, sagt er. „Aber ich habe immer noch viel Zeit für meine Patienten, ich kenne sie alle, und ich kann in drei Sprachen fließend mit ihnen sprechen. Es macht mich zufrieden.“

Seine Unabhängigkeit aufgeben und in den öffentlichen Dienst wechseln möchte er nicht, obwohl er zwischendurch befristet der Versuchung nachgegeben und gemeinsam mit einem spanischen Kollegen eine urologische Abteilung im neu gebauten Krankenhaus von Inca aufgebaut hat. Er sagt: „Nachdem die Abteilung stand, habe ich den öffentlichen Dienst mit einem lachenden und einem weinenden Auge wieder aufgegeben. Aber in meiner Praxis habe ich einfach mehr Lebensqualität.“ Nicht alle ausländischen Ärzte haben auf den Balearen soviel Durchhaltevermögen bewiesen. „Viele von denen, die vor elf Jahren auf den Zug aufgesprungen sind, sind wieder gegangen. Oft waren es diejenigen, bei denen die Auswanderung nur halbherzig vollzogen wurde. Wenn mich jemand fragt, stelle ich fest, dass ich beruflich integrierter Ausländer bin, aber nicht auch unbedingt privat von den Spaniern aufgenommen werde. Das mag sich traurig anhören, aber warum sollte es mir anders ergehen als anderen Immigranten?“

Trotzdem bereut er den Wechsel nicht. „Das Schönste für mich ist, dass ich morgens erst um zehn Uhr mit der Sprechstunde anfangen kann, nach einem ausgiebigen Frühstück. Liegen Patienten stationär, mache ich vorher Visite. Zwischendrin betreue ich Notfälle in der Klinikambulanz mit und betreue Konsile. Wenn akut operiert werden muss, mache ich das“, beschreibt er den weniger gehetzten Arbeitsalltag in Spanien. „In der Regel ist mein ärztlicher Arbeitstag um 14 Uhr beendet, und dann kommt die administrative Tätigkeit, die es natürlich auch hier gibt, oder es wird operiert.“ Alles in allem ist er zufrieden: „Es ist ein Privileg, hier arbeiten und leben zu können, wenn man das Positive erleben kann. Aber es war und ist manchmal hart als selbstständiger Ausländer.“

Vereinigte Arabische Emirate: ein fremder Kulturkreis

„Man sollte sich immer vor Augen halten, dass der Traum vom Leben im Ausland auch schnell wieder ausgeträumt sein kann“, sagt auch Professor Dr. Stefan Schumacher. Er hat den schwierigsten Schritt gemacht und ist nicht nur in ein fremdes Land, sondern auch in einen völlig neuen Kulturkreis gegangen. Seit fünf Jahren ist Professor Schumacher Chefarzt der Urologie im Zayed Military Hospital in Abu Dhabi, Vereinigte Arabische Emirate .

Ein emiratischer Kollege, dessen Ausbildung Professor Schumacher an der Uniklinik Bonn mitbetreut hatte, hatte den ersten Anstoß gegeben und den deutschen Spezialisten gefragt, ob er sich eine Zukunft in dem aus mehreren Scheichtümern zusammengesetzten Land vorstellen könnte. Professor Schumacher konnte und wollte, vor allem, weil er nicht alle Brücken nach Deutschland abbrechen musste, sondern nebenbei weiterhin seinen Lehrverpflichtungen in Bonn nachkommen und aktiv im DGU-Arbeitskreis „Urologische Funktionsdiagnostik und Urologie der Frau“ mitarbeiten sowie zu internationalen Kongressen reisen konnte.

Der Arbeitsalltag selbst sei vergleichbar mit dem in einer deutschen Klinik, berichtet Professor Schumacher, „wobei der bürokratische Aufwand für einen Arzt deutlich geringer ist“. Er könne sich voll auf seine ärztlichen Aufgaben konzentrieren. „Hier geht es einzig und allein um die medizinische Betreuung.“ Erleichtert wird ihm das durch die Tatsache, dass er aus Mainz seine leitende OP-Schwester und aus Bonn den leitenden Oberpfleger mitgenommen hat, obwohl letzterer inzwischen in die Heimat zurückgekehrt ist. „Die Probleme, mit denen man hier konfrontiert wird, sind unterschiedlicher Natur“, sagt Professor Schumacher. „Das Arbeiten in einem multinationalen Team setzt eine besondere Anpassungsfähigkeit voraus, um die unterschiedlichen Kulturen zu respektieren und zu verstehen. Das ist naturgemäß nicht immer ganz einfach.“

Enormes Fingerspitzengefühl sei nicht nur am Operationstisch unerlässlich. Das Vertrauen der emiratischen Patienten ließe sich nicht einfach gewinnen. „Das geht nur durch persönliches Auftreten, souveräne Leistungen und geringe Komplikationsraten. Es bedarf einer Menge Überzeugungsarbeit um klarzumachen, dass Komplikationen auftreten können und meist durch eine adäquate Behandlung wieder behebbar sind.“

Schwierig sei es manchmal auch, fachspezifische Neuerungen einzuführen, und auf Material und neue technische Geräte müsse man manchmal monatelang warten. „Allerdings“, schränkt Professor Schumacher ein, „mögen diese Probleme vielleicht militärspezifisch sein, da in diesem besonderen Umfeld überall strenge Regeln herrschen, die kaum eine Ausnahme zulassen.“ Doch ob Alte Welt, Neue Welt oder Naher Osten – die Urologen berichten einstimmig von einem weniger hektischen Alltag als in Deutschland, der auch Zeit fürs Privatleben lässt. Und dem Bewusstsein, als Spezialisten „made in Germany“ und DGU-Mitglieder nicht nur als Experten für erstklassige Medizin zu gelten, sondern sie in ihrem neuen Umfeld auch leisten zu können.

'Entdecke das Plus' mit Unterstützung der GeSRU

Den Weg ins Ausland muss kein DGU-Mitglied allein gehen. Die Vereinigung deutscher urologischer Assistenzärzte (GeSRU) unterstützt Urologen bei diesem Schritt und ist auch auf der 60. Jahrestagung der DGU in Stuttgart mit der Veranstaltung „Alternative Ausland – Ich bin dann mal weg“ am 26. September (13.30 -15.15 Uhr) im ICS vertreten.

GeSRU-Vorsitzender Dr. Christoph Niclas : „'Entdecke das Plus' ist nicht nur ein Werbespruch für das Touristikland Schweiz, sondern vielmehr ein Antrieb für deutsche Assistenten in der Schweiz eine Einstellung zu finden. Das Ausland ist momentan wieder ein beliebtes Beschäftigungsfeld für Ärzte geworden. Dabei fällt auf, dass einzelne Länder wie eben die Schweiz immer wieder an vorderster Stelle der Beliebtheit genannt werden, aber andere Länder versprechen vielleicht noch mehr Plus. Die Kriterien zur Abwanderung sind sehr unterschiedlich, für die meisten zählt das insgesamt bessere Leben. Bisher fehlt es jedoch an genauer Information über solche Berufsentscheidungen. Die GeSRU begleitet die Assistenten auf diesem Weg zu einem besseren Leben als Urologe, es werden verschiedene Veranstaltungen angeboten, um zu informieren, anzuregen und Netzwerke zu bilden. So werden drei Legionäre über Ihre Erfahrungen, Gründe und neuen Werte im Leben auf dem Jahreskongress in Stuttgart berichten. Einen solchen Schritt zu wagen, ins Ausland abzuwandern, ist nicht leicht, manchmal braucht es dafür auch einen Mentor. Die GeSRU wird mit dem Mentoring-Programm 'Urologie-Fahrplan' in diesem Herbst in einer zweiten Staffel gehen. Der Austausch, das Gespräch und ein wenig gute Führung werden bestimmt helfen, das Plus zu entdecken“.

Weitere Informationen und Fotos:
DGU-Pressestelle
Bettina-Cathrin Wahlers & Sabine Martina Glimm
Stremelkamp 17, 21149 Hamburg
Tel.: (040) 79 14 05 60, Mobil: (0170) 48 27 287
Mail: info@wahlers-pr.de
Anmeldung zum Kongress und zur Eröffnungs-PK
am Donnerstag, 25.September 2008, 12.15 bis 13.45 Uhr:
http://www.wahlers-pr.de/umfrage/dgu/

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Bettina-Cathrin Wahlers idw

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