„Aktives Altern“: Zukunftsweg mit Stolperfallen

Das Altern der Gesellschaft ist keine Belastung, sondern ein Aktivposten für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung – diese Erkenntnis hat sich inzwischen weitgehend durchgesetzt. Aber: „Es gibt zwar vielversprechende Projekte und Initiativen auf dem Wegen dorthin – von Informations- und Kommunikationstechnik über Wohnen im Alter bis zur Mobilität – aber auch immense Innovationsblockaden, speziell im Bereich IKT“, erklärte Prof. Dr. Josef Hilbert, Direktor des Instituts Arbeit und Technik (IAT / Westfälische Hochschule), bei der 11. Nationalen Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft am 15./16. Juli 2015 in Rostock-Warnemünde.

„Gerade in Deutschland, auf einem der größten Märkte Europas, kommt die Implementation und Diffusion neuer, technisch gestützter Lösungen für das Aktive Altern oft nur schleppend voran – trotz ermutigender Erfahrungen in der Forschung und Entwicklung.“

Auf dem Internationalen Forum der Branchenkonferenz, dem 5. Baltic-Sea-Health-Region Meeting, wurden aktuelle Forschungsergebnisse des interdisziplinären EU-Projektes MOPACT (Mobilizing the Potential of Active Ageing in Europe) in einem Workshop vorgestellt und diskutiert. Wie die Diskussion mit den internationalen Projektpartnern zeigte, ist in einigen westeuropäischen Ländern die technische Unterstützung für das Leben im Alter ebenso wie Informations- und Kommunikationstechnologie besser aufgestellt als in Deutschland.

Bis heute würden die Potentiale für eine bessere Versorgung wie für mehr Prävention nicht adäquat genutzt. Obwohl viel über Integrierte Versorgung geredet werde, sei sie längst noch nicht Bestandteil der Standardversorgung.

Eine Perspektive des Aktiven Alterns, die zwar auch Technik nutzt, aber insbesondere auf mehr Bewegung und auf mehr sozialen Austausch in und zwischen den Generationen setzt, umriss Gastredner Franz Müntefering, ehemaliger Arbeitsminister und Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland, in seinem Beitrag zum Arbeitstreffen der EU-Forscher.

Damit dies klappt, brauche es allerdings „Kümmerer vor Ort“, in den Nachbarschaften, Kirchen, Vereinen und Quartieren. Dort, wo so etwas nicht von selbst, aus der Zivilgesellschaft heraus zustande kommt, da seien die Kommunen gefordert. Bei dieser Aufgabe müssten sie aber unterstützt und befähigt werden – nicht zuletzt eine Aufgabe für die gestaltungsorientierte Forschung.

Barrieren bei der Verbreitung von IKT für mehr Lebensqualität im Alter sieht Prof. Dr. Josef Hilbert vor allem bei den unklaren Finanzierungsperspektiven für innovative Lösungen, aber auch im Mangel an Bekanntheit und Vertrauen unter den Endverbrauchern. Hoffnung mache, dass sich die Erkenntnis durchsetzt, dass die Bedürfnisse der Älteren keine Bürde, sondern vielmehr eine Chance für die Wirtschaft bedeuteten. Deutschland versuche – unter anderem mit dem neuen E-Health-Gesetz – einen regulatorischen Rahmen zu setzen, der zu mehr E-Health, AAL (Altersgerechten Assistenzsystemen für mehr Lebensqualität) und altersfreundlichen Wohn- und Quartiers-Arrangements ermutigt.

Viele regionale Initiativen trieben das Konzept des „aktiven Alterns“ voran. Hilbert: „Aber alles in allem ist E-Health noch keine Erfolgsgeschichte in Deutschland – trotz höherer Effizienz. Die Verbreitung von Innovationen in der Gesundheitswirtschaft ist ein komplexer Prozess, in dem viele Akteure und Regeln mitspielen. Der positive Effekt: eine unregulierte Ausbreitung wird vermieden – negativ aber: die Innovationsblockaden können zunehmen!“

Das Projekt MOPACT, in dem rund 60 Forscher aus 27 Partner-Organisationen in Deutschland, Portugal, Polen, Finnland, den Niederlanden u.a. engagiert sind, zielt auf die Gestaltung des demografischen Wandels, um die Möglichkeiten für ein unabhängiges Leben im Alter in Europa insgesamt, aber auch in seinen Teilregionen zu verbessern. Das IAT koordiniert den MOPACT- Arbeitsschwerpunkt über “Die infrastrukturellen Voraussetzungen und Chancen der EU-Strategie des aktiven Alterns”, und konzentrierte sich dabei insbesondere auf die Forschungsfelder IKT, Wohnen und Mobilität.

Bei diesen Arbeiten hat das IAT stark von der Zusammenarbeit mit der Forschungsgesellschaft für Gerontologie (FFG, Prof. Dr. Naegele) sowie dem Institut für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung (Inwis, Prof. Dr. Heinze) an der Ruhr-Universität Bochum profitiert.

Ihr Ansprechpartner: Prof. Dr. Josef Hilbert, Durchwahl 0209-1707-120, hilbert@iat.eu

Media Contact

Claudia Braczko idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

http://iat-info.iatge.de/

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