Umweltpsychologie macht mit Agenten-Simulation Verhalten berechenbarer

Über den Erfolg im Kampf gegen den Klimawandel entscheiden nicht nur der Erfindergeist von Wissenschaftlern und der Mut von Politikern, rasch gegenzusteuern. Letztlich bestimmen die Verbraucher mit ihrem Kaufverhalten, ob technische Neuerungen tatsächlich etwas für den Klimaschutz bringen: Denn erst wenn vorhandene, Ressourcen sparende Technik auch massenhaft eingesetzt wird, ist eine spürbare Entlastung der Umwelt die Folge.

Die Forscher vom Kasseler Center for Environmental Systems Research (CESR) haben für ihre Simulationsprogramme, die bis ins Jahr 2060 schauen, fünf Verbrauchertypen gebildet, aus denen 45.000 so genannte Agenten die Konsumenten in einem Testgebiet repräsentieren. Mit diesen Agenten haben die Wissenschaftler durchgespielt, wie schnell sich etwa Wasser sparende Duschköpfe und Toilettenspülungen sowie Regenwassernutzungsanlagen auf dem Markt durchsetzen können. Die Programme ermöglichen es auch, die Folgen von denkbaren politischen Maßnahmen wie z.B. Subventionen zu berechnen.

Wasserverbrauch im oberen Donautal – Erkenntnisse zum Ressourcenschutz
Am CESR hat Professor Dr. Andreas Ernst mit seinen Wissenschaftlichen Mitarbeitern Michael Elbers, Silke Kuhn, Nina Schwarz und Daniel Klemm ein rechnergestütztes Simulationsprogramm der Wassernutzung privater Haushalte sowie des öffentlichen Dienstleistungssektors entwickelt. Mit Hilfe dieses agentenbasierten Modells lässt sich die Veränderung des Konsumentenverhaltens in einer bestimmten Region in verschiedenen Szenarien modellieren.

Ziel dieses so genannten Household-Modells ist es, den Trinkwasserverbrauch unter sich ändernden klimatischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen darzustellen. Dabei werden alle Haushalte im betrachteten Einzugsgebiet flächendeckend in Bezug auf ihre Nutzungsentscheidungen, ihre subjektive Bewertung der Versorgung mit genügend Trinkwasser und ihre Akzeptanz des jeweiligen Wasserpreises und seiner Entwicklung abgebildet. Auf diese Weise können sozialwissenschaftliche Szenarien unter den Bedingungen des globalen Klimawandels erstellt werden, um Konfliktpotenziale und Akzeptanzrisiken abzuschätzen.

Testfeld der Wissenschaftler ist dabei das Einzugsgebiet der oberen Donau, von der Donauquelle bis nach Passau. Dort leben zehn Millionen Menschen. Die Forscher haben es ausgewählt, weil sie erwarten, dass der Klimawandel dort besonders spürbar werden wird, und weil für dieses Gebiet bereits umfangreiche Daten zur Verbraucherstruktur und zum Verbraucherverhalten vorliegen, die vor allem das führende Marktforschungsinstitut Sinus erhoben hat. Zusätzlich haben die Forscher mit Fragebogenaktionen im Testgebiet gearbeitet.

Unterschiedliche Verbrauchertypen – je nach Region und Milieu
Voraussagen darüber, ob und wie schnell technische Neuerungen vom Konsumenten angenommen werden, sind schwierig, weil es „den“ Verbraucher nicht gibt und regionale Unterschiede sowie gesellschaftliche Milieus eine große Rolle spielen. „Da gibt es den experimentierfreudigen Vorreiter und Umweltbewussten, der jede technische Neuerung sofort ausprobiert. Andere Verbraucher schauen nur auf ihren Geldbeutel oder schrecken als Traditionalisten vor Veränderungen in ihrem Alltag generell zurück“, so Professor Ernst. Viele Hausbesitzer warteten auch erst mal ab, was der Nachbar macht. Generell könne man sagen, dass die Milieus in den Städten schneller als auf dem Land auf technische Neuerungen reagieren, sagt Silke Kuhn. „Die Städter haben mehr Vorbilder“, ergänzt sie.

Diese Kasseler Forschungsarbeit zum Verbraucherverhalten ist eines von fünf Projekten des seit dem Jahr 2000 laufenden zehnjährigen Forschungsprogramms GLOWA, „Globaler Wandel des Wasserkreislaufs“. Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert. Ziel ist es, Werkzeuge zu entwickeln, die helfen, mit dieser kostbaren Ressource im Zeichen der Klimaveränderung schonender umzugehen. Das Verbraucherverhalten ist dabei ein wichtiger Aspekt, den die Kasseler Umweltpsychologen im Rahmen des in diesem Herbst zu Ende gehenden, mit 1,5 Millionen Euro vom Bund geförderten Pilotprojekts „GLOWA-Danube“ untersucht haben.

Mit der Agenten-Simulation haben die Wissenschaftler durchgespielt, wie schnell sich Wasser sparende Duschköpfe und Toilettenspülungen sowie Regenwassernutzungsanlagen auf dem Markt durchsetzen können. Das Simulationsprogramm habe dabei geholfen, Maßnahmen zu definieren, mit dem die Markteinführung beschleunigt werden könne, sagt Elbers. Während es bei den Duschköpfen und der Spülung ausreiche, gezielte Informationskampagnen zu starten, könne man die – sehr teuren – Regenwasseranlagen nur mit staatlichen Zuschüssen voranbringen. Denn sonst würden sich fast nur Familien mit Kindern, die gerade neu bauen, eine solche Anlage anschaffen, erläutert seine Kollegin Kuhn.

Die Bedeutung des in Kassel entwickelten Simulationsprogramms gehe über die Anwendung für Vorhersagen zur Wassernutzung weit hinaus und sei vielfältig einsetzbar, betont Professor Ernst. Beispielsweise leiste das Modell auch im Rahmen des nordhessischen Klimaprojekts „KLIMZUG“ nützliche Dienste. Es liefere dort etwa Szenarien über die Nachhaltigkeit von Projekten der Nachbarschaftshilfe für ältere Menschen.

Info
Prof. Dr. Andreas Ernst
Dipl.-Psych. Silke Kuhn
tel (0561) 804 – 3906, -3266, -2231
e-mail ernst@usf.uni-kassel.de
Universität Kassel
CESR – Center for Environmental Systems Research
Kurt-Wolters-Straße 3
34109 Kassel

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Christine Mandel idw

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