Woher stammt die Nahrung im Ozean?

Dr. Thomas Larsen untersucht im Isotopenlabor der Uni Kiel die Nahrungsbeziehungen in marinen Lebensräumen. Foto: Future Ocean, Christian Urban

Die Ozeane bedecken fast 75 Prozent der Erdoberfläche und sind seit jeher eine wichtige Nahrungs- und Rohstoffquelle. Doch Überfischung, Meeresverschmutzung und Missmanagement bedrohen die marinen Ökosysteme und damit eine der wichtigsten Ressourcen der Erde.

Um diesen drohenden Verlust aufzuhalten, ist zunächst ein besseres Verständnis der auf den Ozean wirkenden Einflussfaktoren notwendig. Die Lebensräume im Meer bestehen aus unzähligen Organismen, die in weit verzweigten Nahrungsnetzen direkt oder indirekt voneinander abhängen.

Die darin enthaltenen Nahrungsbestandteile wie Aminosäuren, Kohlenhydrate oder Fette kommen nur zum Teil aus dem Meer, andere Quellen liegen an Land. Woher genau marine Lebewesen diese Grundbausteine des Lebens beziehen, ist auch heute noch wenig erforscht. Denn von welchem Organismus die Nahrungsbestandteile ursprünglich gebildet wurden, war bisher nicht mehr zurückzuverfolgen, sobald sie von einem Tier verdaut wurden.

Eine internationale Kooperation von Wissenschaftlern unter Beteiligung des Lebniz Labors für Isotopenanalyse der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und des Kieler Exzellenzclusters „Ozean der Zukunft“ hat nun eine Methode vorgestellt, wie man mittels Isotopenanalyse vom spezifischen Fingerabdruck der Aminosäuren auf den Ursprungsorganismus schließen kann. Die Ergebnisse der Untersuchungen sind kürzlich im internationalen Fachmagazin PLOS one und in der aktuellen Ausgabe des Journals ESA Ecology erschienen.

Gemeinsam mit Forschenden aus Kalifornien und Alaska ist es dem Kieler Biologen Dr. Thomas Larsen vom Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“ nun gelungen, die Nahrung von marinen Lebewesen bis zu ihrem Ursprungsorganismus zurück zu verfolgen. Dazu konzentrierten sich die Forschenden auf Aminosäuren, die als Bausteine der Proteine extrem häufig vorkommen und in der Nahrung vieler Meereslebewesen zu finden sind. Sie entdeckten, dass jeder Organismus über eine charakteristische Signatur in seinen Aminosäuren verfügt.
Diese Spuren sind auf natürliche Isotopen-Variationen zurück zu führen und entstehen während der Biosynthese. Anhand dieses unverwechselbaren Fingerabdrucks der Aminosäuren kann nun zum ersten Mal festgestellt werden, welcher Organismus sie ursprünglich gebildet hat. So kann nachgewiesen werden, ob die von einem Tier mit der Nahrung aufgenommenen Aminosäuren z.B. von Algen, Bakterien, Pilzen oder Pflanzen stammen. Dieses Wissen lässt so auch Rückschlüsse über den Ort der Nahrungsaufnahme und damit die Ansprüche einer Art an ihren Lebensraum zu.

„Die nun zur Verfügung stehende Fingerabdruckmethode hilft insbesondere dabei, die Nahrungsbeziehungen in marinen Lebensräumen besser zu verstehen“, betont Dr. Thomas Larsen vom Leibniz Labor für Isotopenforschung an der CAU und Postdoktorand im Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“. In einer Untersuchung der Universität von Hawaii zur Anwendung gebracht, konnte das Verfahren seine Vorteile zunächst auf ganz praktische Weise unter Beweis stellen: Anders als z.B. bei der Ausstattung von Tieren mit Funksendern oder ähnlichem reicht hier eine rasch zu entnehmende Gewebeprobe aus, die Tiere werden nur minimal gestört. Damit eignet sich die Fingerabdruck-Methode besonders, um eine bedrohte Tierart wie die Suppenschildkröte Chelonia mydas zu untersuchen.
Vor allem brachte sie aber vielversprechende neue Erkenntnisse zum Fress- und Wanderungsverhalten dieser im zentralen Pazifik lebenden Meeresschildkröte. Die Tiere verbringen ihre Jugend auf offener See, als erwachsene Tiere leben sie vorwiegend im Küstenbereich. Während dieser Lebensabschnitte ernähren sie sich also von stark unterschiedlicher Nahrung: Auf See nehmen sie tierische Nahrung wie z.B. Quallen auf, während sie in Küstennähe auf pflanzliche Nahrungsquellen z.B. aus Seegräsern angewiesen sind. Um die schlechtere Qualität dieser pflanzlichen Nahrung zu kompensieren, greifen die Tiere auf symbiotische Mikroorganismen zurück. Sie leben im Verdauungstrakt der Tiere und bilden dort wichtige Aminosäuren, die nicht aus der minderwertigeren Pflanzennahrung aufgenommen werden können. Die unterschiedlichen Nahrungsquellen und die Beteiligung der Symbionten lassen sich anhand abweichender Aminosäure-Signaturen nachweisen.

Anders als bisher angenommen suchen aber gelegentlich auch erwachsene Suppenschildkröten zum Fressen das offene Meer auf. Dies belegen die entsprechenden Aminosäure-Signaturen tierischen und marinen Ursprungs, die auch in der Nahrung adulter Tiere zu finden sind. Möglicherweise wechseln diese erwachsenen Schildkröten kurzfristig zu höherwertiger Nahrungsquellen, um zusätzliche Energiereserven beispielsweise für die Eiablage aufzubauen. Damit liefert die neue Methode erste Hinweise, dass es unter erwachsenen Suppenschildkröten verschiedene Strategien der Nahrungssuche gibt und die bisherigen Annahmen über das Wander- und Fressverhalten dieser Art zum Teil nicht mehr haltbar sind. Diese Erkenntnisse sind auch wichtig, um Schutzstrategien für den Lebensraum dieser bedrohten Meeresschildkröte zu optimieren. Insgesamt liefert die Fingerabdruck-Methode ein vielfältig einsetzbares Werkzeug, das künftig zum besseren Verständnis komplexer Nahrungsbeziehungen in marinen Lebensräumen beitragen kann.

Originalarbeiten:
[1] Thomas Larsen, Marc Ventura, Nils Andersen, Diane M. O’Brien, Uwe Piatkowski, Matthew D. McCarthy (2013). „Tracing Carbon Sources through Aquatic and Terrestrial Food Webs Using Amino Acid Stable Isotope Fingerprinting.“ Plos One 8(9). http://dx.doi.org/10.1371%2Fjournal.pone.0073441 For further information contact: Dr. Thomas Larsen, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel; Email: tl@leibniz.uni-kiel.de or Phone: +49-431-880-3896,+49-177-829-3691 or Prof. Matthew McCarthy, University of California, Santa Cruz; Email: mccarthy@pmc.ucsc.edu or Phone: 01-831-459-4718

[2] Karen Elisabeth Arthur, Shaleyla Kelez, Thomas Larsen, C. Anela Choy, Brian N. Popp, (2013). „Tracing the biosynthetic source of essential amino acids in marine turtles using δ13C fingerprints.“ Ecology (In Press). http://www.esajournals.org/doi/abs/10.1890/13-0263.1 For further information contact: Prof. Brian N. Popp, University of Hawaii; Email: popp@hawaii.edu or Phone: 808-956-6206.

Links:
Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“
www.ozean-der-zukunft.de

Leibniz Labor für Altersbestimmung und Isotopenforschung, CAU Kiel
www.leibniz.uni-kiel.de

Kontakt:
Thomas Larsen,
Leibniz Labor für Altersbestimmung und Isotopenforschung, CAU Kiel
Tel.: 0431-880-3896, E-Mail: tl@leibniz.uni-kiel.de
Christian Urban, Öffentlichkeitsarbeit, Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“
Tel.: 0431-880-5627, E-Mail: curban@uv.uni-kiel.de

Link zur Pressemittteilung:
www.uni-kiel.de/pressemeldungen/index.php?pmid=2013-371-marine-food-sources

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