Neue Lockstrompumpe hilft Fischen flussaufwärts unbeschadet Wasserkraftwerke zu passieren

Fische wie Barben, Brassen, Barsche oder Rotaugen wandern im Frühjahr zu ihren Laichplätzen flussaufwärts. Fernwanderfische, wie Meerforelle, Lachse oder Aale wandern in Ihrem Lebenslauf weite Strecken zwischen Flüssen und dem Meer. Wasserkraftwerke stellen dabei für sie ein unüberwindliches Hindernis dar. Deshalb werden für sie so genannte Fischpässe gebaut, künstliche Wasserläufe aus Steinen und Beton mit unterschiedlicher Architektur, die den Fischen den Aufstieg am Kraftwerk vorbei stromaufwärts erlauben.

Doch da gibt es einen Haken: Damit sich die Fische am Auslauf des Kraftwerks orientieren und den Einstieg zum Bypass finden, benötigen sie einen deutlich spürbaren Wasserstrom, um angelockt zu werden. Wird diese Menge oberhalb des Kraftwerks dem Fluss entzogen, um den Fischpass oder eine separate Lockstromleitung zu speisen und im Eingang des Aufstiegs die Fische anzulocken, so könne sich die Leistung des Wasserkraftwerks um bis zu zehn Prozent verringern, sagt der Ingenieur Dr. Reinhard Hassinger, Leiter der Versuchsanstalt. Ein hoher „Wasserverbrauch“ für die Bypässe bringt für die Wasserkraftwerksbetreiber also Einbußen an erzeugtem Strom, die in die Millionen Euro gehen. Allein die öffentlichen und privaten Stromerzeuger betreiben rund 650 Wasserkraftwerke nur an Hessens Flüssen.

Mit einer hydraulischen Lockstrompumpe im Eingangsportal des Fischaufstiegs reduziert der Ingenieur den Wasserverlust für die Turbinen auf ein Minimum:

Oberhalb des Kraftwerks werden durch eine Lockstromleitung nur etwa ein Fünftel bis ein Zehntel des benötigten Lockstroms dem Fluss entnommen und der Lockstromverstärkungspumpe unterhalb des Kraftwerks zugeführt. Der Strahl, der mit einer Düse herausgedrückt wird, verstärkt den Durchfluss des aus den Kraftwerksturbinen ablaufenden Wasserstroms genau dort, wo er gebraucht wird, am Eingang des Fischaufstiegs. Innerhalb des Fisch-Passes benötigten die Fische nämlich längst nicht so viel Wasser für den Aufstieg, wie in diesem Eingangsbereich, erläutert Dr. Hassinger. Das hat zur Folge, dass mit der Erfindung aus Kassel bei Kraftwerksneubauten die Fischpässe und Lockstromleitungen auch kleiner dimensioniert und somit kostengünstiger gebaut werden können.

Doch auch bei den vielen schon bestehenden Fischaufstiegsanlagen, die teilweise auch schon mit konventionell erzeugten Lockströmen arbeiten, sieht der Ingenieur ein großes Marktpotential. Denn zahlreiche dieser Anlagen seien in die Jahre gekommen und funktionierten kaum noch. Einen Anreiz für die Nachrüstung biete das Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG), das für die Verbesserung bestehender Fischpässe oder die Installation eines neuen Fischaufstiegs ein Sonderentgelt von drei Cent pro erzeugter Kilowattstunde vorsieht.

Mit zwei Pilotprojekten will die Versuchsanstalt beweisen, dass sich die Lockstrompumpe in der Praxis bewährt. Eine Anlage wurde im Herbst vergangenen Jahres im Kraftwerk Liebenau an der Diemel bei Hofgeismar installiert. In diesem Jahr anstehende Untersuchungen an dieser Anlage werden vom Regierungspräsidium Kassel mit 32000 Euro finanziert. Ein weiteres Pilotprojekt an der Drau im österreichischen Villach läuft schon längere Zeit. Ein österreichischer Lizenznehmer der Kasseler Erfindung sei außerdem derzeit im Gespräch mit Investoren, die in der Schweiz die Fischwanderhilfen an neuen Wasserkraftwerken mit der neuartigen Lockstrompumpe ausrüsten wollen, sagt Dr. Hassinger.

Insgesamt fünf Verfahren zum umweltverträglicheren Auf- und Abstieg von Fischen an Wasserkraftwerken und Stauanlagen habe sich die Versuchsanstalt bereits patentieren lassen, berichtet Hassinger. Neben der Architektur eines Fisch-Passes, der zugleich von Kanu-Wanderern benutzt werden kann, gehört dazu auch die Entwicklung einer Fischsperre für Kraftwerksbauten, wie sie besonders häufig vorkommen: Das Kraftwerk nimmt dabei nicht die ganze Breite des Flusses ein, sondern nur einen Teil des Stroms. Mit einem Gatter aus Kunststoff verhindern die Kasseler Forscher, dass die Fische auf ihrer Wanderung in den Kraftwerkskanal einschwimmen und den Weg durch das ursprüngliche Mutterbett des Flusses wählen. Es sei angedacht, in der Fulda bei Fulda-Kämmerzell eine Pilotanlage zu bauen, sagt Dr. Hassinger.

Media Contact

Dr.-Ing. Reinhard Hassinger Universität Kassel

Weitere Informationen:

http://www.uni-kassel.de

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