Mangroven – Ödnis oder ökologisches Multitalent?

1995 begann am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie in Bremen ein Langzeitprojekt zur Erforschung von Mangroven im Norden Brasiliens: “MADAM – Mangrove Dynamics and Management”.

Das ZMT hat nun im Springer-Verlag ein Buch herausgegeben, das die Ergebnisse von zehn Jahren interdisziplinärer Forschung in einem der größten Mangrovengebiete der Erde zusammenfasst.

Mangroven sind Gezeitenwälder, die in den Tropen die Küsten säumen und eine Vielfalt an außergewöhnlichen Lebensformen beherbergen. Tiere und Pflanzen sind dort an die extremen Umweltbedingungen angepasst, die ein den Tiden ausgesetzter Standort mit sich bringt.

Weltweit bedecken die Mangrovenwälder eine Fläche von ca.15 Millionen ha, das entspricht der Hälfte der Fläche Deutschlands. Man schätzt jedoch, dass in den letzten 30 Jahren ihr Bestand um fast vier Millionen ha abgenommen hat. Im Verhältnis zur Gesamtfläche schwindet der Mangrovenwald schneller als der tropische Regenwald.

Will man die Zerstörung der Mangroven verhindern, müssen nachhaltige Bewirtschaftungsformen gefunden werden. Dazu sind grundlegende Kenntnisse ihrer Struktur, ihrer ökologischen Funktionen und ihrer Nutzung durch den Menschen notwendig. Über einen Zeitraum von zehn Jahren erhoben die Wissenschaftler im MADAM – Projekt Daten zu Waldstruktur und Artenvielfalt eines noch relativ ungestörten Mangrovengebietes im Süden der Amazonasmündung, sowie zu dessen Verbindung zum Hinterland und dem offenen Meer. An dem fachübergreifenden Projekt war ein deutsch – brasilianisches Team an Biologen, Geologen, Geographen, Sozioökonomen und Modellierern beteiligt.

Wie die Untersuchungen zeigten, haben Mangrovenwälder eine große Anzahl äußerst wichtiger Funktionen. Aufgrund ihrer hohen Produktion an Biomasse spielen sie eine nicht unwesentliche Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf. Abgestorbenes Tier- und Pflanzenmaterial, das aus den Mangroven ins Meer gespült wird, nährt die küstennahen Ökosysteme. Mangrovensümpfe sind Aufwuchsgebiete für viele wirtschaftlich wichtige Fisch-, Krebs- und Garnelenarten. Überall dort, wo sie dem Städtebau und der Garnelenzucht weichen mussten, gingen die Erträge der Küstenfischerei drastisch zurück. Auch schützen Mangrovenwälder die Küsten vor Sturmfluten und Erosion und das Hinterland vor dem Anstieg des Meeresspiegels. Sie behalten Schadstoffe und Sedimente aus Flusseinträgen zurück, bevor diese in die Küstenmeere gelangen und dort die Lebensgemeinschaften schädigen.

In dem Untersuchungsgebiet mit seinen etwa 85.000 Einwohnern leben zwei Drittel der Haushalte direkt oder indirekt von den natürlichen Produkten der Mangrove. Die Forscher bestimmten den sozioökonomischen Stellenwert von mehr als einem Dutzend Mangrovenprodukten, wie Landkrabben, Fischen und Holz und zeigten Nutzungskonflikte auf. Im Buch werden Strategien für den Schutz und die nachhaltige Nutzung des Gebietes vorgestellt und diskutiert. Einbezogen wurden dabei naturwissenschaftliche Forschungsergebnisse sowie die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten und die Erfahrungen und Prioritäten der Nutzergruppen.

Mangroven wurden lange Zeit als Ödnis angesehen, nutzlose Sümpfe, die der Rodung preisgegeben wurden. Das MADAM-Projekt hat in Brasilien auf verschiedenen Ebenen, von lokalen Nutzern bis hin zu nationalen Regierungsorganisationen ein Umdenken in Gang gesetzt. Basierend auf den Forschungsergebnissen wurden von der lokalen Bevölkerung verwaltete Schutzgebiete eingerichtet. Das kürzlich erschienene Fachbuch besiegelt eine höchst erfolgreiche deutsch brasilianische Forschungszusammenarbeit. Es stellt eine Grundlage dar zum besseren Verständnis eines faszinierenden Ökosystems, seiner Bedeutung für den Menschen und der Faktoren, die es bedrohen.

Saint-Paul U., Schneider H. (Hrsg.) Mangrove Dynamics and Management in North Brazil. Ecological Studies 211, Springer, 2010, 410 Seiten.

Weitere Informationen:

Prof. Ulrich Saint-Paul
Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie
Tel: 0421 / 23800 – 22
Email: ulrich.saint-paul@zmt-bremen.de
Das MADAM-Projekt wurde vom BMBF unterstützt.
Das LEIBNIZ-ZENTRUM FÜR MARINE TROPENÖKOLOGIE – ZMT in Bremen widmet sich in Forschung und Lehre dem besseren Verständnis tropischer Küstenökosysteme. Im Mittelpunkt stehen Fragen zu ihrer Struktur und Funktion, ihren Ressourcen und ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber menschlichen Eingriffen und natürlichen Veränderungen. Das ZMT führt seine Forschungsprojekte in enger Kooperation mit Partnern in den Tropen durch, wo es den Aufbau von Expertise und Infrastruktur auf dem Gebiet des nachhaltigen Küstenzonenmanagements unterstützt. Das ZMT ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.

Media Contact

Dr. Susanne Eickhoff idw

Weitere Informationen:

http://www.zmt-bremen.de

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