Klimawandel stört Massenvermehrung des Grauen Lärchenwicklers

Wissenschafter der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL fanden zusammen mit Kollegen aus den USA, Norwegen und Deutschland heraus, dass die markantesten Einbrüche in Jahrringbreite und Spätholzdichte, welche diese Schmetterlingsart im Lärchenholz verursacht, in den letzten Jahrzehnten von ursprünglich rund 1600 auf heute über 2000 m Meereshöhe angestiegen sind.

Dieses eindeutige Indiz für den Klimawandel und seine unmittelbare Auswirkung auf das Ökosystem des Insekts wirft die Frage auf, wo der Lärchenwickler einen Lebensraum finden wird, wenn die Temperaturen weiterhin ansteigen.

Anhand von vielen tausend Jahrringdaten von Lärchen aus den Europäischen Alpen sowie mittels der ökologischen Modellierung von Veränderungen im Populationswachstum haben Klima- und Umweltwissenschaftler der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) zusammen mit Kollegen aus den USA, Norwegen und Deutschland eine Erklärung für das Ausbleiben, beziehungsweise die geringere Intensität zyklischer Massenvermehrungen des Grauen Lärchenwicklers (Zeiraphera diniana) seit Anfang der 1980er Jahre gefunden.

Sie zeigen in einer aktuellen Studie, die in der renommierten Fachzeitschrift PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA) erschienen ist, dass sich das Verbreitungsgebiet des Lärchenwicklers aufgrund des Klimawandels in immer höher gelegene subalpine Lärchenwälder verschoben hat. Die steigenden Temperaturen haben die Spuren der Schmetterlinge im Jahrringbild verändert.

Die grossräumigen und Zyklen von acht bis neun Jahren auftretenden Massenvermehrungen bis 1981 waren eindeutig mit Hilfe der reduzierten Jahrringbreiten zu erkennen. Heute finden die Raupen, die sich vorwiegend von den Nadeln der Lärchen ernähren, in höheren Lagen der Alpen jedoch nicht mehr genügend Futter. Ihre sonst so charakteristische Massenvermehrung ist seit den frühen 1980er Jahren ausgeblieben oder verläuft weniger ausgeprägt als in ehemals kälteren Zeiten.

Die Studie macht eindrücklich auf die Komplexität des Klimawandels aufmerksam, indem sie unterschiedlich schnell reagierende Entwicklungen in einem Ökosystem berücksichtigt. Während das Ansteigen der Waldgrenze nicht mit der Geschwindigkeit der Erwärmung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mithalten kann, sind die empfindlichen Insekten anpassungsfähiger. Sie suchen sich einen höher gelegenen Lebensraum und sind somit viel flexibler als ihre langsam wachsenden Futterquellen, die Lärchenwälder. Die Ausbruchherde der alpinen Lärchenwicklerpopulationen, die durch die Zonen des stärksten Nadelverlusts, sowie die markantesten Einbrüche in Jahrringbreite und Spätholzdichte nachgewiesen werden können, sind in den letzen Jahrzehnten von rund 1600 m auf über 2000 m Meereshöhe, also bis an die obere Waldgrenze, angestiegen. Dieses zeitliche Diskrepanz im Reaktionsverhalten von sich schnell anpassenden Insekten und deren sich nur langsam verändernden Futterreserven, den Bäumen, auf den globalen Klimawandel hat fundamentale Auswirkungen auf ein Ökosystem, das sich nachweislich über mehr als tausend Jahre im Gleichgewicht befunden hat.

„Diese an der Schnittstelle zwischen Ökologie und Klimatologie angesiedelte Arbeit macht eindrücklich auf die drastischen Folgen aufmerksam, die das Zusammenspiel unterschiedlich schnell reagierender Arten auf bereits kleine Klimaveränderungen haben kann und stellt ein gutes Beispiel für interdisziplinäre Forschung da“, sagt Ulf Büntgen von der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL in Birmensdorf bei Zürich, einer der Koautoren der Studie. Zusammen mit David Frank, ebenfalls WSL und Mitautor, haben die beiden Forscher nicht nur den einzigartigen Jahrringdatensatz von vielen tausend Lärchenproben aus über 60 Standorten im Alpenraum vorbereitet, sondern auch massgeblich an deren Auswertung und Interpretation mitgewirkt. Während die WSL-Forscher eine Methode entwickelt haben, mit der sich die Insektenaktivität in Jahrringmustern identifizieren lässt, hat der Erstautor der Studie, Derek Johnson aus den USA, ein quantitatives Computermodell entwickelt, um das System des Grauen Lärchenwicklers besser in Raum und Zeit zu verstehen. Die Ergebnisse beruhen auf jahrzehntelanger Forschungsarbeit an der WSL und gehen in ihren Ursprüngen auf die Verdienste des früheren Schweizer Forschers Werner Baltensweiler zurück.

Wie sich das zyklische Ausbruchverhalten des Grauen Lärchenwicklers in Zukunft verhalten wird, ist nicht vorhersehbar. Tatsache ist jedoch, dass die Verbreitung der Lärchenwälder und somit die primäre Futterquelle des Lärchenwicklers in der Höhe begrenzt ist. Diese Einschränkung wirft die Fragen nach der räumlichen Anpassungsfähigkeit des Grauen Lärchenwicklers in einem wärmeren Klima auf. Die Ergebnisse liefern ein weiteres, unabhängiges und eindeutiges Indiz für den Klimawandel und seine unmittelbaren Auswirkung auf die Stabilität von Ökosystemen und allgemein auf unseren Lebensraum.

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